Mobilitätsplan der Stadt Luxemburg: Nicht weniger Autos

Der Mobilitätsplan von Luxemburg-Stadt wurde lange mit Spannung erwartet. Nach seiner Veröffentlichung sind vor allem enttäuschte Stimmen zu hören.

Wenn Pop-up-Fahrradwege nur dazu genutzt werden, die Auswirkungen auf den Autoverkehr zu messen, zeigt das nicht gerade großen Willen zur Verkehrswende. (Foto: CC BY-SA GilPe/Wikimedia)

Die Pariser*innen benutzen für Wege innerhalb ihrer Stadt öfter das Fahrrad als das Auto. Das ist das Ergebnis einer Studie des Institut Paris Region, bei dem über 3.300 Freiwillige, die einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung darstellten, mit GPS-Geräten ausgestattet wurden. Kurze Wege werden demnach vor allem zu Fuß, mit dem öffentlichen Transport oder eben mit dem Fahrrad zurückgelegt. Auf den PKW greifen die Pariser*innen lediglich für 4,3 Prozent der innerstädtischen Wege zurück. 2010 wurden nur drei Prozent der Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, 2023 waren es schon elf. Auch jene Menschen, die aus den umliegenden Gemeinden der „Petite Couronne“ nach Paris pendeln, greifen öfter zum Fahrrad als zum Auto. Innerhalb weniger Jahre hat die französische Hauptstadt vorgemacht, dass eine nachhaltige Verkehrswende möglich ist, wenn der politische Wille vorhanden ist.

Nach drei Jahren Arbeit veröffentlichte die Stadt Luxemburg Ende März ihren langersehnten Mobilitätsplan. Der sorgte jedoch nicht unbedingt für Begeisterung, da er eben keine Verkehrswende einläutet. Dabei sind die Voraussetzungen dafür gar nicht so schlecht. Das 129-seitige Dokument beginnt mit einer Bestandsaufnahme der Mobilität in der Hauptstadt und präsentiert dabei auch die Ergebnisse einer Onlinebefragung zum Mobilitätsverhalten, die 2021 durchgeführt wurde. Beinahe ein Drittel der Stadtbewohner*innen nutzt täglich oder mehrmals in der Woche das Fahrrad, ein weiteres Viertel zumindest gelegentlich. Auch eine gewisse Bereitschaft, auf den PKW zu verzichten, besteht bei 38 Prozent der Befragten. Die Antwort auf genau diese Frage hatte im Vorfeld für Aufregung gesorgt, nachdem der Verein „Eis Stad“ die Gemeindeverwaltung gebeten hatte, die diesbezüglichen Daten zu veröffentlichen – das passierte jedoch nicht. Obwohl „Eis Stad“ von der Commission d’accès aux documents in dieser Frage recht bekam, berief sich die Stadt Luxemburg auf den Datenschutz und verweigerte die Veröffentlichung.

So wirklich nutzen will die Stadt Luxemburg das Potenzial nicht. Das Ziel für 2035 besteht darin, den Autoverkehr auf dem aktuellen Niveau einzufrieren. Da durch Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum mit mehr Verkehr zu rechnen ist, heißt das allerdings, dass der Anteil an mit dem PKW zurückgelegten Wegen sinken muss, von heute 60 Prozent auf 49 Prozent im Jahr 2035. Das heißt auch: Im innerstädtischen Verkehr soll der KFZ-Verkehr „erkennbar“ zurückgehen, während die Zahl jener Autos, die von außerhalb in die Hauptstadt fahren, identisch bleibt. Insgesamt sollen etwas mehr als die Hälfte der Wege im sogenannten „Umweltverbund“ zurückgelegt werden, das heißt 29 Prozent mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und 22 Prozent zu Fuß oder mit dem Rad. Wie genau sich Fußgänger*innen und Radfahrer*innen aufteilen sollen, verrät der Plan nicht – eine deutliche Schwachstelle.

Überhaupt bleibt der Mobilitätsplan an vielen Stellen schwammig oder schlägt lediglich Ideen für weitere Studien und Pläne vor. „Es fehlt eine klare Vision für ein Mobilitätskonzept der Zukunft“, so Jo Klein von ProVelo, der Fahrradinitiative Luxemburgs gegenüber der woxx. „Nachdem drei Jahre an dem Plan gearbeitet wurde, ist das Resultat relativ ernüchternd. Wir wurden von den Gemeindeverantwortlichen oft auf den Mobilitätsplan vertröstet, und jetzt steht da wenig Konkretes drin. Allerdings sind einige punktuelle Verbesserungen für das Fahrrad vorgesehen. Es ist auch positiv, dass schwarz auf weiß im Plan steht, dass mehr Autoverkehr nicht tragbar ist und die Infrastrukturen für das Rad ausgebaut werden müssen.“

Schwammig und unkonkret

(Foto: CC BY-SA Zinneke/Wikimedia)

Neben dem Ausbau von Infrastrukturen wie etwa baulich getrennten Radwegen und breiten Fußwegen würden Fußgänger*innen und Radfahrer*innen von einer niedrigen Geschwindigkeit profitieren. Flächendeckend Tempo 30 bringt der Plan jedoch nicht. Stattdessen gibt es einige Vorschläge, nach welchen Regeln eine eventuelle zukünftige Senkung organisiert werden könnte. Sie sollen „Grundlage für die Diskussion bei der Konzepterarbeitung“ sein. Allerdings wird nicht nur eine Senkung der Geschwindigkeitsbegrenzung diskutiert, sondern auch jene Kriterien, die für Tempo 70 im Stadtgebiet erfüllt sein müssen, zum Beispiel separate Radwege, niedrige Lärmwerte und ein Park in der Nähe. Dennoch betonen die Autor*innen des Plans die Vorteile von verkehrsberuhigten Gebieten und plädieren gar für die Einführung sogenannter „Superblocks“, wie sie etwa in Barcelona ausprobiert werden. Ganze Viertel werden dort für den Durchgangsverkehr gesperrt, Anwohner*innen und Lieferant*innen dürfen mit 10 km/h fahren.

Parkplätze statt Superblocks

Schwer vorstellbar, dass solche Konzepte demnächst in der Hauptstadt umgesetzt werden. Immerhin ist es die Überzeugung, Autofahrer*innen müssten ihr Ziel immer auf dem direktmöglichsten Weg erreichen können, die für einen der am stärksten kritisierten Punkte sorgt. Der Ausbau der Tram durch die Avenue de la Porte-Neuve soll vorerst nicht umgesetzt werden, um keine Autospur zu opfern. Ohne diese weitere Tramstrecke entstehe ein Flaschenhals im Zentrum der Stadt, weswegen der Takt merklich sinke: von drei bis vier auf sechs bis acht Minuten. Eine Tatsache, die sowohl Politiker*innen von Déi Gréng als auch von Déi Lénk kritisierten. Letztere nahmen die Bürgermeisterin ins Visier: „Lydie Polfer als Verteidigerin des Pkws in der Stadt hat sich also erneut durchgesetzt, wo sie ja bereits in der Vergangenheit dafür verantwortlich war, dass die erste Tramlinie mit 20 Jahren Verspätung in Betrieb genommen wurde“, heißt es in der Pressemitteilung der Partei.

Rückendeckung bekam sie hingegen von Mobilitätsministerin Yuriko Backes, die in einem Interview mit dem Lëtzebuerger Land erklärte, es käme nicht zu Problemen mit dem Takt, wenn der geplante Bau der neuen Tramlinien richtig gestaffelt würde. „Das ist doch paradox: Einerseits steht im Plan, dass der Autoverkehr nicht mehr tragbar sei, andererseits wird die Tram dann ausgebremst, weil man den Autos keinen Umweg zumuten will. Es fehlt einfach an einer kompletten Vision“, meint Klein dazu.

Eine weitere Stellschraube, um den PKW-Verkehr einzudämmen, wäre das Parkraummanagement. Der Mobilitätsplan sieht immerhin keine neuen Stellplätze vor und regt an, die Regelungen zum Bewohner*innenparken zu ändern. Da alle Einwohner*innen der Stadt in jedem Viertel kostenlos parken könnten, entstehe unerwünschter Autoverkehr. Eine konkrete Neuregelung sieht der Mobilitätsplan jedoch nicht vor – stattdessen soll nun eine Reform der Parkraumbewirtschaftung ausgearbeitet werden. Nachdem die Stadt Luxemburg sogar Auswärtige damit lockt, am Wochenende vier Stunden kostenlos parken zu können, ist nur schwer vorstellbar, dass es hier zu einem Gesinnungswandel kommen wird.

„Trotz all unserer Kritik muss ich sagen: Es passieren Sachen, aber es ist immer nur Stückwerk und es ist keine ganzheitliche Vision zu erkennen. Entlang der Avenue Marie-Thérèse besteht gerade ein Pop-up-Fahrradweg, um zu prüfen, wie groß die Auswirkungen auf den Autoverkehr sind. Das zeigt leider die Prioritäten.“


Cet article vous a plu ?
Nous offrons gratuitement nos articles avec leur regard résolument écologique, féministe et progressiste sur le monde. Sans pub ni offre premium ou paywall. Nous avons en effet la conviction que l’accès à l’information doit rester libre. Afin de pouvoir garantir qu’à l’avenir nos articles seront accessibles à quiconque s’y intéresse, nous avons besoin de votre soutien – à travers un abonnement ou un don : woxx.lu/support.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Wir stellen unsere Artikel mit unserem einzigartigen, ökologischen, feministischen, gesellschaftskritischen und linkem Blick auf die Welt allen kostenlos zur Verfügung – ohne Werbung, ohne „Plus“-, „Premium“-Angebot oder eine Paywall. Denn wir sind der Meinung, dass der Zugang zu Informationen frei sein sollte. Um das auch in Zukunft gewährleisten zu können, benötigen wir Ihre Unterstützung; mit einem Abonnement oder einer Spende: woxx.lu/support.
Tagged , , , , , .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.