Kein guter Start für die Reform der Pflegeversicherung: Dienstleister und das zuständige Ministerium verhandeln öffentlich, was eigentlich bereits vor Inkrafttreten der Reform hätte geklärt werden müssen. Romain Schneider macht dabei keine gute Figur.
Eine schlecht durchgeführte Reform lässt sich auch nicht gut kommunizieren. So könnte man die Debatte um das neue Gesetz zur Pflegeversicherung zusammenfassen, die sich im Laufe der vergangenen Woche entsponnen hat. woxx und RTL Radio hatten jeweils unter Berufung auf Marc Fischbach, den Präsidenten des Dachverbandes der Pflegedienstleister (Copas), darauf hingewiesen, dass die sogenannten „course-sorties“ abgeschafft worden seien. Dank ihrer konnten bislang Betroffene, die ansonsten weitgehend selbständig sind, beim Einkaufen und bei Verwaltungsgängen begleitet werden.
Am Dienstag dann belehrte der für die Reform verantwortliche Minister Romain Schneider auf einer Pressekonferenz darüber, die courses-sorties“ seien „nicht abgeschafft, sondern durch „gardes“ ersetzt worden. Er wundere sich über Fischbachs Kritik. Tags darauf meldete sich die Copas zurück: Die „gardes individuelles“ seien an die häusliche Umgebung gebunden und richteten sich nur an Personen, die generell eine häusliche Hilfe benötigten, nicht jedoch an jene, die autonom genug seien, um in Begleitung gar noch ihre Einkäufe selbst zu besorgen. Dieser Auffassung folge auch die „administration d’évaluation et de contrôle“.
Abilio Fernandes, der Sprecher des Ministers, kommentierte gegenüber der woxx am Mittwochnachmittag die Aussagen der Copas als „falsch“. Es sei vielmehr zwischen den genannten „gardes individuelles“, die ein Deputat von zwischen 7 und 14 Stunden umfassen und den „gardes en groupe“ zu unterscheiden. Letztere könnten in einem Umfang von bis zu 40 Stunden in einem Foyer oder gemäß einem Umrechnungsschlüssel von 4:1 und damit von bis zu zehn Stunden individueller Hilfe wahrgenommen werden. Der Schlüssel orientiere sich daran, dass das Betreuungspersonal innerhalb von 40 Stunden vier Personen zu betreuen habe – und dies eben kollektiv oder gemäß dem Schlüssel individuell. „Über diese zehn Stunden können die Betroffenen prinzipiell frei verfügen“ so Fernandes gegenüber der woxx. „Spazierengehen, Verwaltungsgänge, Einkaufen – und das immer in Begleitung einer ‚aide familiale‘“.
Nicht explizit im Gesetz
Auf Nachfrage, wo man dies im Gesetzestext respektive den Ausführungsbestimmungen nachlesen könne, räumte Fernandes ein, dass Details dort nicht niedergelegt seien: „Das steht nicht explizit im Text.“ Allerdings „auch nicht, dass es verboten wäre, mit der Person vor die Tür zu gehen“. Zweck der „garde en groupe“ sei es ja gerade, Betroffene vor dem Risiko sozialer Isolierung zu schützen, während die „garde individuelle“ sich an Menschen mit allgemein erhöhtem Betreuungsbedarf richte.
Dem Eindruck, Romain Schneider habe auf die jüngste Kritik hin die „courses-sorties“ rasch durch die Hintertür wieder eingeführt, widerspricht Fernandes: „Der Minister hat das nicht einfach aus dem Hut gezaubert. Die Texte sind ja gemeinsam mit den Leuten verfasst worden, die heute in der „administration d’évaluation et de contrôle“ sitzen.“ Auch Gewerkschaften und Copas seien in den Gremien anwesend gewesen, in denen deutlich gemacht worden sei, dass Einkaufsgänge und ähnliches weiter gestattet sind. Auf die Kritik von Betroffenen angesprochen, meint Fernandes, es könne sein, dass die Neuerungen nicht optimal kommuniziert worden seien. Das wolle man nun nachholen.