Die Liste der „arbres remarquables“, der bemerkenswerten und damit besonders geschützten Bäume, wurde drastisch gekürzt. Ist das der Anfang eines rücksichtslosen Rückbaus des Naturschutzes in Luxemburg?
Bald soll es viel weniger Bäume geben, die in Luxemburg als „bemerkenswert“ gelten. Der Mouvement écologique (Méco) schlug Anfang dieser Woche Alarm, dass die entsprechende großherzogliche Verordnung geändert werden soll. Von den 535 Bäumen, die seit 2018 auf der Liste der bemerkenswerten Bäume standen, sollen nur noch 100 übriggeblieben sein. Neu hinzukommen würden laut Mouvement-Informationen lediglich 145 Bäume. Insgesamt fehlten dann aber 435 Bäume, die bisher als „bemerkenswert“ galten.
Das sei auch sicherlich kein Versehen, so die Umweltschutzorganisation: Ihr liege ein Schreiben der Forst- und Naturverwaltung an die Förster*innen vor, in der diese angehalten waren, nur noch zwei bis drei Bäume auf die Liste zu setzen. Dabei ist dieses Vorgehen nicht sinnvoll: Als bemerkenswert gelten Bäume, die ein besonders hohes Alter, eine markante Wuchsform, einen großen Durchmesser oder eine Verbindung zu einem historischen Ereignis oder einer Persönlichkeit haben. Auch Bäume, die seltenen Arten angehören, können als bemerkenswert gelten.
Die Bäume auf der Liste der „bemerkenswerten Bäume“ sind durch das Naturschutzgesetz von 2022 einerseits besonders geschützt, andererseits können die Besitzer*innen dadurch höhere Finanzhilfen zur Instandhaltung beantragen. Der Méco mutmaßt, dass die verkleinerte Liste eine Sparmaßnahme sein könnte – wobei die aufgewendeten Mittel nicht sehr hoch seien. Durch das Naturschutzgesetz ist der Schutz von Bäumen und Baumalleen in der Grünzone zwar gewährleistet, innerhalb des Bauperimeters bedeutet der Status des „bemerkenswerten“ Baumes jedoch einen besonderen Schutz. Der Méco stellt die Frage, ob einige schützenswerte Bäume geplanten Bauprojekten im Weg stehen. Möglicherweise ist die kürzere Liste ja ein erster Beitrag zur Vereinfachung der Prozeduren im Bauwesen?
Fledermäuse kann man den Göttern des Wirtschaftswachstums nicht opfern, bemerkenswerte Bäume jedoch schon.
Es wirkt, als würde hier versucht, recht billige Symbolpolitik zu betreiben. Die vielzitierten Fledermäuse, die – hört man Politiker*innen von CSV und DP zu – jedes Bauprojekt im Land blockieren, sind auf europäischer Ebene geschützt. Ohne Vertragsverletzungsverfahren kann man die also den Göttern*Göttinnen des Wirtschaftswachstums nicht opfern. Das gilt für die meisten geschützten Arten, nicht jedoch für die bemerkenswerten Bäume.
Ohnehin ist fraglich, ob Naturschutzregulierung so viele Bauvorhaben verzögert, wie oft behauptet wird. In einem RTL-Interview sagte Michelle Friederici, Präsidentin des Ordre des architectes et ingénieurs-conseils, „Ich denke nicht, dass das Vöglein oder die Eidechse unsere größte Bremse war, sondern mehr der Nimby“. Auch aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage an den Umweltminister geht hervor, dass 70 Prozent der Genehmigungen innerhalb der gesetzlichen Frist von sechs Monaten ausgestellt wurden. Bei dem restlichen Drittel verzögerten sich die Prozeduren oft wegen wenig reaktiven Antragsteller*innen. Außerdem wurde klargestellt, dass die Verwaltung keine Statistiken erstellen kann, wie viele Anträge überhaupt in den Bereich Wohnbau fallen.
Die These, der Naturschutz behindere den Wohnungsbau, stellt sich immer mehr als unhaltbar heraus. Demnach werden nun wohl die bemerkenswerten Bäume der Wahlkampftaktik der CSV zum Opfer fallen. Immerhin muss man in der Politik zeigen, dass man die Versprechen aus dem Wahlkampf einlöst. Und wie könnte die CSV ihre Anti-Öko-Haltung besser beweisen als mit einem ehemals geschützten Baum, der dem nächsten Luxusappartmentkomplex weichen muss?
Anmerkung: Nach Redaktionsschluss der woxx versendete das Umweltministerium eine Pressemitteilung, in der es die Darstellung des Mouvement écologique bestritt. Bei der Liste der Naturverwaltung, die auf der Website environnement.public.lu auf einer Unterseite mit dem Titel „Les arbres remarquables“ verlinkt war, handele es sich „nicht um die nicht um die Liste der ‚arbres remarquables‘“. Diese sei vom „vom früheren Service des sites et monuments nationaux (heute Institut national pour le patrimoine architectural) verwaltet“ worden. In dem entsprechenden Reglement wurde dies wie folgt beschrieben: „La restauration d’arbres remarquables, classés comme monument national ou inscrits à l’inventaire supplémentaire des monuments nationaux respectivement à la liste des arbres remarquables établie par l’Administration des Eaux et Forêts, peut être subventionnée indépendamment de leur emplacement à l’extérieur ou à l’intérieur du périmètre d’agglomération.“ (Hervorhebung von uns, Anm. der Red.)
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