Künftig sollen nicht mehr so viele Biotope zerstört werden. Doch die neu eingeführte Kompensation nach Ökopunkten könnte sich als kontraproduktiv erweisen.

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Die Abstimmung über die Reform des Naturschutzgesetzes findet wohl erst Mitte Juni statt – aufgrund des Todes von Camille Gira hat die Chamber beschlossen, die Donnerstagssitzung zu vertagen. Doch als am Mittwoch der Staatsekretär für Umwelt am Rednerpult zusammenbrach, war die Debatte so gut wie abgeschlossen, die Parteien hatten ihre Positionen dargelegt.
Die Reform hat zwei Seiten, eine positive und eine [eher] problematische. Zur ersteren gehören die kleinen und größeren Neuerungen und Verbesserungen, also das, was man von einer grünen Regierungsbeteiligung erwarten darf. Déi Gréng selber bezeichnen das Projet de loi als „kein Allheilmittel, aber (…) ein weiteres wichtiges Puzzleteil zum Schutz unserer gemeinsamen Lebensgrundlagen“. Auf einer Pressekonferenz am 11. Mai unterstrichen sie, ein Hauptziel sei, den derzeit zu hohen Flächenverbrauch quantitativ und qualitativ einzuschränken. „Dort, wo sich Landverbrauch aber nicht verhindern lässt und Flächen für die weitere Entwicklung des Landes gebraucht werden, wird das neue Gesetz einen doppelten Effekt haben: dass möglichst wenig Landfläche benutzt wird und dass diese ökologisch möglichst wenig wertvoll ist.“
Bäumchen kompensier dich!
Das staatliche Vorkaufsrecht bei Grundstücken in bestimmten Schutzzonen und das Prinzip, dass zerstörte Biotope durch neue ersetzt werden müssen, wurde insbesondere von der Landwirtschaftskammer heftig kritisiert. CSV und ADR griffen die Kritik auf und kündigten an, gegen das Projet de loi zu stimmen. Gegenwind aus dieser Richtung bedeutet im Allgemeinen, dass ein Gesetz einen substanziellen Fortschritt darstellt.
Die problematische Seite der Reform ist in ihrer prinzipiellen Ausrichtung zu sehen: in der technokratischen Logik, mit der Naturzerstörung gemessen und – ohne Beachtung der langen Zeitdauer der involvierten Naturprozesse – „kompensiert“ werden soll. Hierfür werden sogenannte Ökopunkte eingeführt, eine Art Währung zur Berechnung des Werts von Biotopen. Statt dass, wie bisher, von Fall zu Fall jeweils für angemessen erachtete Kompensationsmaßnahmen festgelegt werden, sollen diese nun wissenschaftlich-objektiv bestimmt werden, so die Vorstellung. Wer Natur zerstört, muss also künftig den Geldwert der entsprechenden Ökopunkte bezahlen – nicht mehr und nicht weniger. Der Staat selber kümmert sich dann darum, mit diesem Geld sinnvolle Kompensationsmaßnahmen zu finanzieren – mit dem gleichen Gegenwert an Ökopunkten.
Von den Grünen wird dies als Win-win-Regelung dargestellt: Einerseits sei „sichergestellt, dass nicht mehr ‚irgendwo irgendwas‘ kompensiert wird, andererseits ermögliche es, bei Bauvorhaben „den ökologischen Wert einer Fläche (…) bereits vor Beginn eines Projekts zu berechnen und somit keine Überraschung zu erleben“. Theoretisch führen die Ökopunkte dazu, dass im Falle unvermeidbarer Naturzerstörung die Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen sowohl effizienter als auch einfacher wird.
Doch in der Praxis könnte die Möglichkeit, sich für Naturzerstörung freizukaufen, dazu führen, dass nicht weniger, sondern mehr Biotope plattgemacht werden. Dies haben die zuständigen grünen Ministerien vorgemacht, als sie sich beim Contournement von Nidderkäerjeng aus praktischen Gründen für die zerstörerische Trasse entschieden. Grundsätzlicher stellt sich die Frage, ob eine Eiche, die heute gepflanzt wird, tatsächlich das Verschwinden eines 100- oder gar 1000-jährigen Baumes kompensiert, ja, ob man überhaupt gewachsene Ökosysteme wie vom Reißbrett neu anlegen kann.