Neue Staffel: „Feel Good“? Geht so.

Comedy-Star Mae Martin und Drehbuchautor Joe Hampson bringen in der am 4. Juni veröffentlichten zweiten Staffel von „Feel Good“ Machtmissbrauch, mentale Gesundheit und nicht-binäre Geschlechtsidentität zur Sprache. Ist dieses Stichwort-Bingo ein Erfolgsgarant?

Mae Martin greift in der zweiten Staffel von „Feel Good“ viele relevante Themen auf – die Umsetzung ist jedoch enttäuschend. (Copyright: Netflix)

„I’m talking about personal stuff so I think people are on my side”, sagte Mae Martin 2017 der Zeitung The Guardian über ihre*seine eigenen Comedyshows. Vor wenigen Wochen lief die zweite Staffel von Martins semi-autobiografischer Serie „Feel Good” auf Netflix an, in der Martin sich selbst spielt. Auch dort wird es persönlich. Klatscht das Publikum deswegen wie erwartet Beifall und verzeiht Martin erzählerisches Chaos? Jein.

Bereits in der ersten Staffel – die woxx hat diese in einer Podcast-Serie ausführlich besprochen – stand Mae Martins Leben im Mittelpunkt. Es ging um Drogensucht, Rückfälle und die komplizierte Beziehung zu ihrer*seiner Partnerin George (Charlotte Ritchie) sowie zu Maes Eltern. Die zweite Staffel „Feel Good“ beginnt in einer Entzugsklinik in Kanada. Mae bleibt nur wenige Tage und nimmt Reißaus. Die erste Person, die Mae anschreibt: Scott (John Ross Bowie), einen deutlich älteren Ex-Partner und Freund. Mit dieser Begegnung nimmt die Erzählung ihren Lauf – und wird leider zum nervigen Zickzackkurs.

Nervig, weil die Erzählung Stichwort-Bingo ist: Alles, was in den letzten Jahren in öffentlichen Diskursen auftauchte, kommt auf den Tisch, ohne jedoch ausgiebig thematisiert zu werden. Stichwörter, die implizit fallen, sind unter anderem #MeToo und Geschlechtsidentität. Martin und Co-Autor Joe Hampson springen beliebig oft von der Darstellung einer posttraumatischen Belastungsstörung nach Missbrauchserfahrungen zur kritischen Auseinandersetzung mit der #MeToo-Bewegung und von dort zur Wahrnehmung nicht-binärer Geschlechtsidentität. Dazwischen geht es um offene Beziehungen, Bisexualität, Bienen, verschollene Vaterfiguren und Schulden bei einem Drogendealer. Ein bisschen „too much“ für sechs Folgen.

Der Titel „Feel Good“ klingt angesichts der Themen ironisch, ist er am Ende aber nicht für alle Protagonist*innen. Mae packt Männer, die sie*ihn emotional missbraucht oder ihr*ihm ungefragt ihren Penis ins Gesicht gehalten haben, nämlich mit Samthandschuhen an. Zwar konfrontiert Mae einen der Täter und zieht einen Schlussstrich unter die Beziehung, doch spricht Mae dabei auch von Liebe. Als Zuschauer*in ist man irritiert: Der Typ hat Mae als Jugendliche*r bei sich aufgenommen, zum Sex überredet und Maes Abhängigkeit ausgenutzt. Im Laufe der Serie stellt sich heraus, dass Mae nicht die einzige Person war, die er missbraucht hat. Trotzdem werden er und andere Täter in „Feel Good“ nuanciert dargestellt: Sie sind keine Unmenschen, sondern verständnisvolle Männer, die sich bei Mae für ihr Verhalten entschuldigen.

Soll das zeigen, dass auch vermeintlich nette Menschen andere missbrauchen? Geht es darum, auf die Menschlichkeit von Missbrauchstäter*innen zu verweisen? Oder auf die positiven Gefühle, die Opfer trotz Missbrauch für die haben können? Nichts von all dem, wie ein Zitat von Mae Martin offenbart. „Being comfortable with ambiguity is important to me and sort of rejecting the pressure that you have to come down hard on one side or another and have a definitive point of view about everything”, äußerte Martin sich im Gespräch mit dem Magazin Esquire dazu. Eine fragwürdige Aussage, wenn es um den Missbrauch einer minderjährigen und drogensüchtigen Person geht. Doch die Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch die Serie. Kaum jemand zeigt Kante, oder anders formuliert: Alles scheint ambivalent. In anderen Zusammenhängen als in Maes Beziehungen zu Missbrauchstätern ist das allerdings begrüßenswert.

Zum Beispiel dann, wenn Maes Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung thematisiert werden. Privat definiert Martin sich als nicht-binäre und bisexuelle Person, die selbst die Pronomen „they/them“ und „she/her“ verwendet. In der Serie hadert Mae mit Geschlechtsidentitäten, bezeichnet sich als bisexuell und reagiert verunsichert darauf, wenn andere Menschen Mae als trans Person bezeichnen. George tut sich ebenfalls schwer damit, sich auf Nachfrage einer Geschlechtsidentität oder einer sexuellen Orientierung zuzuordnen, was Zuschauer*innen der ersten Staffel auffallen dürfte: Dort verheimlichte sie ihre Beziehung mit Mae zunächst aus Angst vor einem Outing und Queerfeindlichkeit.

Georges Charakter gewinnt im Vergleich zur ersten Staffel übrigens generell an Tiefe. Genau wie ihre Beziehung zu Mae. Die beiden fallen zwar immer wieder in alte Verhaltensmuster, doch lassen sie nicht mehr so schnell und unüberlegt voneinander ab. Neben der sexuellen Anziehung und romantischen Gefühlen zeichnet sich eine Verbundenheit zwischen den beiden ab, die in der ersten Staffel fehlte. Auch fällt es durch die Thematisierung der Vergangenheit leichter, Mae und ihre Beziehung zu begreifen: die Ängste, die Fluchtversuche, die Sucht oder die Bindungsängste.

Am Ende der letzten Folge sitzt man trotz unterhaltsamer Momente ratlos und unbefriedigt vor dem Bildschirm. Es fällt schwer, die Botschaften der Serie wiederzugeben. Dafür sind sie zu unklar und die Erzählung zu hektisch. „Feel Good“ ist das jedenfalls nicht. Umso besser, andernfalls wäre es vermutlich traurig, dass die Serie vorerst mit der zweiten Staffel endet.

Auf Netflix.

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