Großes akustisches Sámi-Kino
Wie kreativ die Sámi mit ihrem speziellen, traditionellen Vokalstil des Joik umgehen, ist immer wieder erstaunlich. Ánnámáret, eine Joikerin aus dem hohen Norden Finnlands, hat ihre dritte CD mit dem Titel Bálvvosbáiki (Dreamscapes) herausgebracht und überzeugt mit ihrer großen Stimme, die über weite Strecken von der uralten, finnischen, gestrichenen Jouhikko-Leier begleitet wird. Die Sängerin lässt sich von seit Generationen in ihrer Familie entstandenen Joiks inspirieren und sucht gleichzeitig einen Weg, um samische und finnische Traditionen zu verbinden. Mit Ilkka Heinonens Jouhikko und Turkka Inkiläs Elektronik- und Flötenklängen joikt sich Ánnámáret durch melodiöse Gefilde und dringt dann plötzlich in expressive und schräge Sphären vor. Dazu passt der ungeschönt erdige Klang der Leier bestens. Auf das Videoprojekt, das die Liveaufführungen begleitet, muss man beim Album leider verzichten, aber auch so führt diese Musik Hörer*innen auf eine abenteuerliche Reise durch ganz spezielle samische Klanglandschaften unter der Leitung der Vokalakrobatin Ánnámáret. Die Jouhikko-Leier erdet ihren Vortrag, während die Synthie-Sounds einen oft rauen Eindruck von den scheinbar unendlichen Weiten der Heimat der Sámi vermitteln. Ein ganz spezieller Genuss zwischen Melancholie und Ekstase.
Ánnámáret – Bálvvosbáiki – Uksi Productions (bisher nur in Finnland erhältlich, z.B. bei www.recordshopx.com)
Brüssel global
Diese Gruppe aus Brüssel packt angstfrei, aber kompetent verschiedene globale Elemente in ihren Musikmix. Jaune Toujours kann man – so ungenau der Begriff auch sein mag – als eine Mestizoband bezeichnen. Da werden Latin-Elemente mit Balkan-Klängen verbunden und dann mit Rock, Funk, Ska, Reggae und Rap zu einem ganz originellen Cocktail gemixt. Schon Anfang der 1990er wurde die Gruppe von Piet Maries gegründet, der bis heute das Akkordeon bedient. Dazu kommen Drums, Kontrabass, Saxofon und Trompete. Eine beachtliche Anzahl an Veröffentlichungen sind im Laufe der Zeit entstanden und mit ihrer Single „Ici Bruxelles“ konnte die Band 2010 einen respektablen Radiohit verzeichnen. Nach dem Album „Europeana“ von 2019 waren Bandmitglieder an Platten des Projekts Mec Yec mit zwei Roma-Sängerinnen und am Ensemble 3‘AIN beteiligt. Jetzt aber ist ihr neues Album Vertigo veröffentlicht. Die Texte auf Französisch, Englisch und Flämisch behandeln brennende Themen von heute wie Krieg, soziale Ungleichheit, Klimaerwärmung, Rechtsradikalismus und werden dann in energisch-spritzige Musikstücke verwandelt. Grenzüberschreitend gut!
Jaune Toujours – Vertigo – Choux de Bruxelles
Kapverdisches Erbe
Lucibela kommt von den Kapverden, lebt in Lissabon und gehört zur jüngeren Generation der traditionsbewussten Sängerinnen ihrer Heimat. Mit Moda Antiga hat sie soeben ihr drittes Album veröffentlicht. Bisweilen wird sie als Nachfolgerin der kapverdischen Legende Cesária Évora bezeichnet. Jedenfalls ist sie den Stilen verbunden, die auch Évora sang, nämlich den überwiegend ruhigen Formen wie Morna und Coladeira. Kürzlich beklagte sie in einem Interview, dass in ihrer Heimat junge Leute meist Hip-Hop und Electro hören und die traditionellen Stile im Ausland mittlerweile mehr Anklang finden, als auf den Inseln, wo sie entstanden sind. Deshalb setzt sie ganz auf die lokalen Musikstile, die zum kulturellen Erbe ihrer Heimat gehören. Das neue Album enthält elf Stücke, die zum größten Teil dem klassischen Kanon der kapverdischen Musik entnommen wurden. Eingespielt wurde die Platte von einer Gruppe von renommierten Musikern, die in der dortigen Szene einen großen Namen haben. Ganz feine, gefühlvoll eingespielte Lieder und eine wunderbare Stimme!
Lucibela – Moda Antiga – Lusafrica
Anatolische Barden modernisiert
Aşıks sind Dichter*innen und Liedersänger*innen – meist Männer, seltener auch Frauen –, die sich mit der Langhalslaute Saz selbst begleiten. Sie haben eine jahrhundertelange Tradition und finden sich bis heute von Anatolien bis hin nach Zentralasien. Viele von ihnen sind der Glaubensgemeinschaft der Aleviten zuzuordnen, der liberalen muslimischen Richtung, in der Humanismus und nicht Dogmatismus zentral ist. Das Quartett Aylin’s Soulgarden hat Gedichte alter anatolischer Aşıks vertont und jetzt unter dem Titel Bu Bir Demdir auf Platte gebracht. Der Titelsong basiert auf einem Gedicht des legendären Poeten Pir Sultan Abdal, der im 16. Jahrhundert lebte. Die Sängerin Aylin Yildirim wurde in Augsburg geboren, wie auch ihr Bruder Eren, der sowohl die elektrisch verstärkte Saz als auch die Tenbur-Laute spielt. Beide haben eine enge Beziehung zur traditionellen anatolischen Musik und werden begleitet von Girisha Fernando (Bass, Gitarre, Beats) und Paul Etschberger (Keyboard, Synthesizer). Die neun Stücke auf der Platte kann man als anatolischen Psychedelic-Rock bezeichnen, der mit Pop-Elementen aufgefrischt wird. Eine starke Stimme, schöne Melodien und ein Sound, in dem die Saz eine zentrale Rolle spielt. Sehr hörenswert!
Aylin’s Soulgarden – Bu Bir Demdir – CPL Music
Transglobal World Music Chart – Top 20
1. Nusrat Fateh Ali Khan & Party · Chain of Light · Real World
2. Buzz’ Ayaz · Buzz’ Ayaz · Glitterbeat
3. El Khat · Mute · Glitterbeat
4. Seun Kuti & Egypt 80 · Heavier Yet (Lays the Crownless Head) · Record Kicks
5. Mari Boine · Alva · By Norse Music
6. Afro Celt Sound System · Ova · Six Degrees
7. Ayom · Sa.Li.Va · Ayom / Believe
8. Justin Adams & Mauro Durante · Sweet Release · Ponderosa Music
9. Ruşan Filiztek · Exils · Accords Croisés
10. Lo’Jo · Feuilles Fauves · Yotanka / Integral
11. Vigüela · We · Mapamundi Musica
12. África Negra · Antologia Vol. 2 · Les Disques Bongo Joe
13. Jyotsna Srikanth · Carnatic Nomad · Naxos World
14. Meridian Brothers · Mi Latinoamérica Sufre · Les Disques Bongo Joe
15. Driss El Maloumi Trio & Watar Quintet · Details · Contre Jour / Zig Zag World
16. Sinimuso · Nouskaa Sisaret · Sinimuso
17. The Zawose Queens · Maisha · Real World
18. Seckou Keita · Homeland (Chapter 1) · Hudson Records
19. K.O.G. · Don’t Take My Soul · Heavenly Sweetness
20. V.A. · Super Disco Pirata: De Tepito para el Mundo 1965-1980 · Analog AfricaNovember
Die TWMC TOP 20/40 bei: www.transglobalwmc.com, Facebook „Mondophon auf Radio ARA“ und woxx.lu