Ökoprodukte und Preiskrise: Biomilch bleibt stehen

Erst kam die Pandemie und mit ihr der Boom. Seit vergangenem Jahr geht der Absatz von Bioprodukten aber wieder zurück. Bestandsaufnahme und Erklärungsversuche.

Manche regelmäßige Bioladen-Kund*innen, die weniger Zeit als sonst an der Kasse warten müssen, mögen es schon geahnt haben: Der Boom ist vorbei. Das jedenfalls geht aus einem Artikel des Luxemburger Worts von Ende November hervor, der die Lage der Luxemburger Biobranche unter die Lupe nimmt. Die Jahresbilanz der Oikopolis-Gruppe, zu der unter anderem die Naturata-Läden gehören, zeigt es deutlich: von 1,5 Millionen Euro Gewinn im Jahr 2020 auf einen Verlust von 1,1 Millionen im Jahr 2021. An diesem Trend dürfte sich auch 2022 nichts geändert haben. Änder Schanck bestätigt gegenüber dem Wort den Rückgang der Nachfrage für Bioprodukte. Das habe sich schon vor der Energiekrise und der einhergehenden Inflation abgezeichnet, so der Oikopolis-Gründer und -Präsident, sei aber jetzt noch einmal verstärkt worden.

SOS Bauzen a Biobaueren!

Der Boom der Bioprodukte im Jahr 2020 ist vermutlich auf die Covid-bedingte Ausgangssperre und eine Art Kaufkraftüberschuss zurückzuführen. Weil weniger Geld, insbesondere für Restaurants und Reisen, ausgegeben werden konnte, war mehr für Lebensmittel verfügbar, und die als „gut, aber teuer“ geltenden Bioprodukte stellten eine Kaufoption dar. Eigentlich hätte die 2022 einsetzende Verteuerung der Agrarprodukte diesen Trend verstärken müssen. Denn über den zeitweiligen Zukauf von Futtermitteln während der Sommerdürre hinaus ist sie auf den Anstieg der Energie- und Düngerpreise zurückzuführen. In der Biolandwirtschaft kommt aber weniger Energie und gar kein Kunstdünger zum Einsatz.

Die Kosten bei Biowaren sind also weniger stark gestiegen als bei konventionellen Agrarprodukten; das Preisverhältnis hat sich verringert. Zeitgleich sind allerdings die Preise für die Gesamtheit der Lebensmittel um etwa zehn Prozent gestiegen – schneller als die Inflation und der Indexausgleich. Weil der Kaufkraftverlust in dieser Ausgabenkategorie die Menschen zum Sparen verleitet, wirken die in absoluten Zahlen höheren Preise für Bioprodukte wieder abschreckend.

Pixabay/chetan kotadiya

Für die Trendwende vor der Preiskrise sucht der Wort-Artikel die Erklärung bei der Konkurrenz durch regionale Produkte. Gegenüber der Zeitung erklärt Daniela Noesen, Direktorin der Vereenegung fir Biolandwirtschaft, viele Menschen seien 2021 „plötzlich“ von Bio- auf regionale und saisonale Produkte umgestiegen, ohne zu verstehen, dass das nicht das Gleiche sei. Zufrieden zeigt sich dagegen Anne Harles, Chefin der Alavita-Bioläden, die unabhängig von Oikopolis und lokaler Biolandwirtschaft vor allem eine frankophone Kundschaft bedient. Ihre Läden verzeichneten keinen Nachfragerückgang, versichert sie dem Wort; den Gewinnrückgang für 2021 führt sie auf Investitionen in neue Läden zurück.

Gegründet wurden die Bauerngenossenschaft Biog und die Oikopolis-Gruppe, um die Vermarktung für die Landwirte zu übernehmen und ihnen ein nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen. Ein Bauernbetrieb bekommt allerdings die volle Wucht der Krise zu spüren: der Kass-Haff, der neben der Landwirtschaft auch einen Hofladen und pädagogische Aktivitäten betreibt. Tom Kass und Anja Staudenmayer gehören zu den „Stars“ im Film „Vu Buedem, Bauzen a Biobaueren“, doch gegenüber dem Onlinemagazin Delano klagten sie Ende Dezember über ein mangelndes Interesse der Menschen an Bioprodukten. Sie haben eine Online-Spendenaktion lanciert, um die Krise zu überbrücken, die Hofinfrastrukturen – auch im Sinne des Tierwohls – zu verbessern und die Sensibilisierungsarbeit auszubauen.

Über die Gefahr einer dauerhaften Beschädigung der wirtschaftlichen Strukturen der Biobranche in Luxemburg hinaus stellt sich die Frage, was schiefgelaufen ist. Hat der Biohandel die durch die Covid-Krise gebotenen Chancen nicht genutzt, weil zu wenig oder falsch kommuniziert wurde? Ist die Banalisierung des Ökokonsums durch den Aufbau von supermarktähnlichen Strukturen ihm zum Verhängnis geworden? Oder ist er, im Gegenteil, zu puristisch geblieben und hat damit die Möglichkeit verspielt, eine neue Klientel dauerhaft an sich zu binden? Fragen, die die Verantwortlichen, aber auch die woxx, im kommenden Jahr beschäftigen werden.


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