OK KID: Vermasselt?

OK KID hat in kleinen Kreisen der deutschen Musikszene einen guten Ruf. Mit „Sensation“ gerät der ins Wanken.

Four Music

Eingefleischte Fans der Band machen ihrer Enttäuschung über die Singleauskopplung „Hinterher“ im Youtube-Kommentarbereich Luft. Die einen sprechen von weichgespültem Deutsch-Pop,  schreien Anderas Bourani oder Max Giesinger – andere warten nur noch auf das Duett mit Tim Bendzko. OK KID, beziehungsweise diejenigen die den Youtube-Account der Band managen, antworten mit: „Geile Idee!! Haste Kontakt?“

Was ist passiert? Die Gießener Band um Frontsänger Jonas Schubert hat Ende 2018 ein neues Album veröffentlicht: „Sensation“. Für einige ihrer 50.600 Youtube-Fans ist die neue Platte mehr Teenie-Mucke als Sensation: zu poppig, zu flach, zu Mainstream.

Zwei Alben zuvor setzte die Band musikalisch auf eine Mischung aus Indie, Elektro-Sounds und Hip-Hop. Dazu gab es vorwiegend gesellschaftskritische Lyrics oder Texte zu Abstürzen in einer „scheinbar heilen Welt“. Hier und da gingen Textzeilen und Reime nicht ganz auf, aber immer klangen OK KID authentisch und … anders.

Put on your dancing shoes

2018 packten sie dann die Tanzschuhe aus und überraschten mit stellenweise niedlichen Sätzen wie „Du gibst mir einen Korb, ich leg mich rein. Vielleicht reicht die Körbchengröße ja für zwei“ oder „Gestern Nacht hat mich eine Planierraupe gefragt: Sag mal, wer ist Schuld an deiner Existenz?“. Das Album hält noch dazu einige poppige, tanzbare, schon fast funkige Songs bereit. Das ist ungewohnt. Das sind nicht die Kids, wie man sie vom Debütalbum „OK KID“ oder von  „Zwei“ kennt. Die sind auf „Sensation“ aber nicht ganz verschwunden. Man trifft sie in „Warten auf den starken Mann“ oder „Wut lass nach“: Funky Beats raus, Klavier rein.

Die Mischung mag auf den ersten Hörer ungewohnt, störend erscheinen. Doch wer dem Album eine zweite Chance gibt erkennt, dass es seinen Vorgängern von der thematischen Vielfalt her in Nichts nachsteht. Die Kids besingen mit einem Augenzwinkern die deutsche Musikindustrie (Lügenhits), sprechen über Fremdenfeindlichkeit (Warten auf den starken Mann) – und tanzen zur erfüllten und gescheiterten Liebe (Hinterher, Reparieren). Auch sprachlich überzeugen sie mit Wort-Akrobatik.

Mainstream, wie viele enttäuschte Fans und Zufallshörer*innen das Album nennen, ist „Sensation“ nicht. Jedenfalls nicht durchgängig. Was man hingegen wirklich vermisst ist der Signature-Song „Kaffee warm“. Der tauchte in drei Variationen auf den letzten beiden Alben auf. Auf „Sensation“ fehlt er. Vielleicht auch, weil die Band den Februar und die toxische Beziehung überwunden hat, die sie in „Kaffee warm“ beschrieb. Es ist Zeit, für was neues – für ein Experiment. Eine Sensation ist das Album nicht. Dafür bietet es Musik, die sich nicht so leicht in eine Schublade stecken lässt. Sie tanzt zusammen mit der von Bands wie „Von wegen Lisbeth“ oder „Die Höchste Eisenbahn“ auf der anderen Seite der deutschen Musiklandschaft.


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