Pflegeversicherung mit Handicap

Da hat sich wohl jemand zu wenig Hilfe geholt: Romain Schneiders Reform der „assurance dépendance“ reflektiert nicht die Alltagserfahrungen der Betroffenen. Doch die melden sich jetzt zu Wort.

Oft braucht es nicht viel Unterstützung, aber zielgerichtet muss sie sein: Hilfe zur Autonomie. (Bild: Pixabay)

Noch keinen Monat ist die reformierte Pflegeversicherung wirksam – und schon steht sie massiv in der Kritik. Formuliert wird diese Kritik von denen, die direkt und ohne Verzögerung zu spüren bekommen, was sich seitdem geändert hat: Das sind zum einen die Pflegedienstleister; aber auch eine Betroffene hat öffentlich deutliche Worte gefunden. Zwar wisse sie nicht, wer das Gesetz „verbrochen“ habe, schrieb die 76-jährige Anne Fixmer in einem an die zuständigen Minister für Gesundheit (Lydia Mutsch) respektive Sozialversicherung (Romain Schneider) gerichteten offenen Brief: „Auf jeden Fall ist es nicht ausgereift und birgt eine Menge Probleme für Alleinstehende.“

Fixmer ist unter anderem von der Streichung der sogenannten „courses-sorties“ betroffen, also der Hilfe beim Einkaufengehen oder beim Verwaltungsgang. Zwar wurde die Unterstützung im Haushalt um 30 Minuten verlängert; zum Einkaufen reicht das der beim Gehen eingeschränkten Frau aber nicht aus. Dass sie daher statt dessen die 40 Wochenstunden umfassende „garde en groupe“ in Anspruch nehmen soll, ist ihr unverständlich: „Es gibt keinen Grund, mich als abhängig zu erklären. Ich bin noch selbstständig und stelle weder eine Gefahr für mich noch für andere Menschen dar“, so Fixmer in ihrem am 20. Januar im „Luxemburger Wort“ veröffentlichten offenen Brief.

In der vergangenen Woche hatte Marc Fischbach, der Präsident des Dachverbandes der Pflegedienstleister (Copas), gegenüber der woxx seine Sorge ausgedrückt, dass Betroffene künftig womöglich entgegen der Intention des Gesetzgebers gerade jener Hilfen beraubt würden, die ihnen ein hohes Maß an Autonomie gestatten. Das Beispiel von Anne Fixmer zeigt, dass er nicht übertrieben hat. Fischbach hatte auch darauf hingewiesen, dass allein durch den Wegfall der „courses-sorties“ zwischen 140 und 160 gering qualifizierte Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit gedrängt würden.

Anne Fixmer will nicht lockerlassen, bis die von ihr adressierten Ministerien geantwortet haben, wie sie heute Morgen gegenüber RTL-Radio versichert hat. Während Lydia Mutsch auf Romain Schneider verweist, will der sich morgen Vormittag (Dienstag) auf einer Pressekonferenz erklären.

Wie RTL berichtet, haben sich inzwischen zahlreiche weitere Betroffene mit ihrer Kritik an den Sender gewandt.


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