Queer as German Folk: „Lieber ein warmer Bruder als ein kalter Krieger“

Die Ausstellung „Queer as German Folk“ hält einen wichtigen Rückblick auf Deutschlands Geschichte – und zwar auf queere Bewegungen und marginalisierte Menschengruppen.

„Queer as German Folk“ gibt unter anderem Einblicke in queer-feministische Lesben- und Frauenbewegungen in Deutschland. (Copyright: Anke-Rixa Hansen)

Sie tourte weltweit durch Goethe-Institute, seit August ist sie online einsehbar: die Ausstellung „Queer as German Folk“. Selten wurde eine Online-Ausstellung der Komplexität queeren Lebens so gerecht. Das Goethe Institut, das Schwulen Museum Berlin und die Bundeszentrale für politische Bildung leisten mit ihrem Projekt einen wichtigen Beitrag zur historischen Aufbereitung queerer Geschichte in Deutschland seit den 1960er-Jahren.

Die Kuratorinnen zerlegen die queeren Gemeinschaften Deutschlands in ihre Einzelteile: Schwarze queere Menschen, Frauen, Lesben, Schwule, trans und intersex-Personen, queere NS-Opfer, aktivistische Filmemacher*innen – Birgit Bosold und Carina Klugbauer lassen niemanden außen vor. Das Bewusstsein für die Mehrfachdiskriminierung, die queere Menschen oft erleben, die Verknüpfungen zu historischen Ereignissen – wie dem Nationalsozialismus oder dem Kalten Krieg – sowie die vielseitigen Perspektiven auf die queere Gemeinschaft beeindrucken.

„Queer as German Folk“ führt vor, wie die Einbindung queerer Schicksale in die Geschichtsschreibung aussehen kann – zum Beispiel in den Kapiteln „Totgeschwiegen“ und „Rosa Winkel“. Die Kuratorinnen greifen darin die Debatten zum Gedenken queerer NS-Opfer auf: 1984 enthüllten homosexuelle Aktivist*innen auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen in Österreich die erste Gedenktafel. Sie trägt die Inschrift „Totgeschlagen – Totgeschwiegen“. Bosold und Klugbauer geben an, dass die Diskussionen, ob und wie lesbischen NS-Opfern gedacht werden darf, bis heute anhalten. Sie verweisen außerdem auf die anhaltende Feindseligkeit rechtspopulistischer Strömungen gegenüber queer-feministischen Bestrebungen.

In „Raus auf die Straße“ zeigen die Kuratorinnen eine Verbindung zwischen dem Kalten Krieg und homosexuellen Bestrebungen auf. 1972 kehrten homosexuelle Aktivist*innen den Spruch des konservativen Politikers Franz-Joseph Strauß um, der öffentlich „Ich will lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder sein“ ausrief. Auf dem Plakat der Aktivist*innen hieß es „Lieber ein warmer Bruder als ein kalter Krieger“, was zeitgleich eine Kritik am Kalten Krieg und ein Bekenntnis zur Homosexualität war.

© Rüdiger Trautsch/Schwules Museum

Interessant ist auch der Zusammenhang zwischen linken und queeren Bewegungen, die Bosold und Klugbauer darstellen. „Die frühe lesbisch-feministische Bewegung wie auch die Schwulenbewegung waren als Kind der linken Revolte dem Kampf gegen den Kapitalismus verpflichtet. Sie grenzten sich aber auch von klassischen linken Positionen ab, weil sie darauf bestanden, dass die Unterdrückung von Frauen und homosexuellen Menschen keine ‚Nebenwidersprüche‘ sind, deren Auflösung bis zum Sieg der Revolution warten müssen“, schreiben sie in einem der Begleittexte. „Von der feministischen Agenda ist die Kritik der Klassenverhältnisse nie ganz verschwunden.“

In „Müssen Lesben Feministinnen sein?“ und „Sex Wars“ stehen die feministischen und lesbischen Bewegungen der 1970er-Jahre im Mittelpunkt. Es geht unter anderem um Sexpositivismus und um die links-autonome Gruppe Rote Zora, die reihenweise Sexshops in Köln überfiel. In „Farbe bekennen“ geht es hingegen um das Netzwerk Schwarzer Frauen und Women of Color in Deutschland. „Die von Audre Lorde inspirierte Arbeit Schwarzer Aktivist_innen hat maßgeblich dazu geführt, dass sich eine Auseinandersetzung über Rassismus, Antisemitismus und Klassismus in der Frauen- und Lesbenbewegung und darüber hinaus entwickelte“, heißt es dazu.

Darüber hinaus thematisieren die Kuratorinnen die Inklusivität und die Entpolitisierung von Prides, gehen auf die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe und den dazugehörigen Kontroversen inner- und außerhalb der Szene ein und sprechen über Aids. „Die Ausstellung wirft Schlaglichter auf Momente queerer Bewegungsgeschichte ohne den Anspruch, dabei die einzig mögliche Geschichte zu erzählen“, steht im Einleitungstext zur Ausstellung – und genau das ist den Kuratorinnen sowohl im Hinblick auf das Fotomaterial und die Aufmachung als auch inhaltlich äußerst gut gelungen.

„Queer as German Folk“. 
Online unter http://queerexhibition.org/queer-as-german-folk.

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