Mit dem „Rainbow Center“ von Rosa Lëtzebuerg entsteht in Luxemburg-Stadt ein Kulturzentrum für die LGBTIQA-Community. Die woxx war auf Besuch.
![](https://www.woxx.lu/wp-content/uploads/2023/06/1741themaDSC_6021-300x200.jpg)
Bei der Eröffnung war das neue Zentrum fast zu klein für die vielen Besucher*innen. (Fotos: Pit Reding)
Der Fußabtreter ist eine Regenbogenfahne. Es fühlt sich ein wenig merkwürdig an, sich die Füße an der Flagge der LGBTIQA-Gemeinschaft abzutreten, aber immerhin weiß man sofort, wo man ist. Ohne die Fahne wäre dies wohl nicht so klar, denn der erste Eindruck der Räumlichkeiten erinnert an eine Kunstgalerie: Große Fenster, Holzfußboden, weiße Wände, viele Kunstwerke an der Wand. Dieser Eindruck ist nicht so weit von der Realität entfernt.
„Früher war hier ein Plattenladen, der auf Gothic spezialisiert war, da waren immer ganz viele dunkle Gestalten. Irgendwann war hier auch ein Escape Room und zuletzt ein Laden, der E-Scooter verkauft hat“, erklärt Sandra Laborier. Sie ist die Chargée de direction des neuen Rainbow Center, das am 17. Mai in der Rue du Saint Esprit, in unmittelbarer Nähe zum „Gudde Wëllen“, seine Türen eröffnet hat. Hier werden nun weder Rätsel noch E-Scooter feilgeboten, sondern es entsteht ein queeres Kulturzentrum.
Ein Ort, der in Luxemburg dringend benötigt wird. Es gibt kaum sogenannte „safe spaces“ für die LGBTIQA-Gemeinschaft in Luxemburg. Es gibt kaum Bars, die sich explizit an die Community richten, Räume ohne Konsumzwang und laute Musik ohnehin nicht. Also hat Rosa Lëtzebuerg die Sache selbst in die Hand genommen und das Rainbow Center eröffnet. Die Idee ist nicht gänzlich neu, sondern wurde von erfolgreichen ähnlichen Projekten aus dem Ausland übernommen, wie etwa das Schmit-Z in Trier oder das Rainbow House in Brüssel. Dort haben jeweils mehrere Gruppen ihren Treffpunkt, teilweise verfügen die Häuser auch über eine eigene Bar und organisieren kulturelle Veranstaltungen, kurz: Sie sind Dreh- und Angelpunkt der organisierten Community.
Das soll das Rainbow Center in Luxemburg-Stadt ebenfalls werden. Platz ist auf jeden Fall vorhanden. Neben den großen Räumen, in denen Veranstaltungen und Workshops stattfinden können, gibt es auch Arbeitsplätze für die Mitarbeiter*innen, einen Versammlungsraum und eine Küche. So soll auch ein Archiv der queeren Bewegung in Luxemburg entstehen, worauf bereits einige gerahmte Plakate hinweisen. Eins bewirbt das „Gay Mat“ von 2004 – so hieß die Pride in Luxemburg bis 2018.
Safe Space und Kulturzentrum
Als die woxx das Zentrum besuchte, war noch die erste Ausstellung zu sehen. „Wir haben um Einreichungen zum Thema ‚Safe Space‘ gebeten“, erklärt Laborier. Das passt zur Mission, die sich das Rainbow Center selbst gegeben hat: das Schaffen eines sicheren Ortes für die LGBTIQA-Bewegung, an dem queere Kultur erlebt werden kann. Die Komplexität und linguistische Diversität der Community in Luxemburg ist ein weiterer Punkt, der laut Rosa Lëtzebuerg ein Zentrum, in dem sich alle begegnen, mehr als nötig macht.
An den Wänden sind Werke von insgesamt 10 Künstler*innen zu sehen, die den Begriff „Safe Space“ auf ihre Art und Weise interpretiert haben. Neben Bildern und Fotografien sind zwei Installationen ausgestellt, darunter ein Werk, das gehäkelt wurde. „Eine Person hat sich gemeldet und gefragt, ob sie etwas für uns häkeln kann. Wir haben ihr dann vorgeschlagen, das als Performance auf dem Eröffnungsabend zu machen“, so die Sozialpädagogin, die zuvor bei Graffiti, den Jugendsendungen von Radio Ara, arbeitete.
Ein wenig leer wirkte das Zentrum beim Besuch der woxx noch. „Hier kommt eine Couch hin, die liegt schon in meinem Auto“, sagt Laborier und erzählt, wie sie das Möbelstück secondhand erworben hat. „Wir werden auch Rollos an den großen Fenstern anbringen, damit wir Workshops abhalten können, ohne dass alle, die draußen vorbeigehen, hier reinschauen können.“ Am 1. Juli ist ein Workshoptag vom Podcast „Méi wéi Sex“ geplant, unter anderem mit einer Kuschelparty. Auch wenn das Zentrum offen ist und Queerness als kulturelle Bereicherung versteht – manche Veranstaltungen brauchen etwas mehr Intimität als andere.
![](https://www.woxx.lu/wp-content/uploads/2023/06/1741themaDSC_4000-300x200.jpg)
Die rue du St. Esprit wurde mit der Eröffnung des Rainbow Center noch bunter. Hier entsteht ein queeres Kulturzentrum.
Am 29. Juni startet bereits die zweite Ausstellung: „Illustrating Queer Joy. Embracing Struggle.“ wird Werke von Lynn Kelders, Viktoria Mladenovski und Charlotte Muniken präsentieren. Muniken hat bereits Backcover der woxx gestaltet, Kelders tut dies gerade im Pride-Monat Juni. Das Rainbow Center soll jedoch nicht nur ein Ausstellungsraum sein: Gleich am nächsten Tag findet eine Buchpräsentation statt. Im Rahmen der Pride Week im Juli ist eine Diskussionsrunde geplant, auch an Filmabenden wird schon gearbeitet. Grundsätzlich steht der Raum allen Mitgliedern der Community offen, die eine Veranstaltung organisieren wollen.
Schnelles Zentrum, langsame Gesetze
Nur ein Jahr habe es gedauert, bis aus der Idee des Rainbow Center eine Realität wurde, schreibt Rosa Lëtzebuerg, Träger des Zentrums, in der Pressemitteilung. Gefördert wird das Projekt vom Familienministerium, das in Luxemburg für die Koordinierung der LGBTIQA-Politik zuständig ist. Drei Personen teilen sich im Moment zwei Vollzeitstellen, die vom Ministerium bezahlt werden. Bei der Suche nach der Lokalität war die Stadt Luxemburg behilflich. Die finanzielle Unterstützung ist jedoch – noch – zeitlich gebunden. Für die Politik war es sicherlich nicht unwesentlich, dass das Zentrum noch vor den diesjährigen Lokal- und Nationalwahlen eröffnet wurde. Der neue Familienminister Max Hahn (DP) betonte in Interviews stets, es sei unheimlich wichtig gewesen, das Ministerium nicht mehrere Monate ohne eigene Führung zu belassen, konkrete Aussagen zu jenen Gesetzen, die die Rechte queerer Menschen ausbauen, machte er jedoch keine. Er überreichte seiner Vorgängerin jedoch eine kleine Regenbogenfahne als Abschiedsgeschenk bei der Amtsübergabe. Ein Zeichen dafür, dass er bei seiner Vorgängerin den Einsatz für die Community vermisste?
Viel ist in den letzten fünf Jahren nämlich nicht passiert. Im Juli 2018 veröffentlichte das Familienministerium seinen „Plan d’action national pour la promotion des droits des personnes lesbiennes, gays, bisexuelles, transgenres et intersexes“. Darin sind viele Maßnahmen festgelegt, von denen jedoch nur sehr wenige umgesetzt wurden. So zum Beispiel die bessere und schnellere Kostenübernahme für medizinische oder hormonelle Anpassungen. An einigen Stellen ist der Aktionsplan auch überraschend leer, zum Beispiel beim Thema Familie. Da wird lediglich vorgeschlagen, den alljährlichen „International Family Equality Day“ zu feiern – von einem angepassten Adoptionsrecht ist nicht die Rede.
Auch wenn sich die gesetzliche Lage für LGBTIQA-Personen in Luxemburg in der aktuellen Legislaturperiode nicht verschlechtert hat, so hat das Großherzogtum auf der Rangliste der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (Ilga) Plätze verloren (siehe woxx 1736). Andere Länder haben ihre Hausaufgaben gemacht und bessere Gesetze geschrieben, während Luxemburg sich auf seinen Lorbeeren ausgeruht hat. Will das Land von dem siebten Platz wieder auf die vorderen Ränge, müssen einige Anpassungen gemacht werden: die Regeln zur Blutspende (siehe woxx 1661) vereinheitlichen, Konversionstherapien verbieten und die lang diskutierten Gesetzesentwürfe zum Congé de naissance und zum Abstammungsrecht durchbringen.
Bühne und Vernetzung
Ebenfalls 2018 wurde kurz vor der Sommerpause des Parlaments ein Gesetz zur einfachen Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrages durch das Parlament gebracht. Doch für nicht-binäre Menschen gibt es nach wie vor keine Anerkennung: Ein „X“ oder die Streichung des Geschlechts in den Akten ist in Luxemburg nicht vorgesehen. Ein Thema, das auch Rosa Lëtzebuerg beschäftigt. „Es gab Gespräche mit dem Justizministerium dazu. Aber ich hatte den Eindruck, dass sie eher Gründe suchen, warum etwas nicht möglich sein soll, als dass Lösungen gefunden werden“, erzählt Laborier.
Wer queer ist und mit fehlender Anerkennung kämpft, braucht niederschwellige Beratung. Das Rainbow Center zieht durch seine exponierte Lage und oft offenen Türen verschiedenste Besucher*innen an, einige von ihnen sind explizit auf der Suche nach Hilfe. „Wir können keine ausführlichen Beratungen anbieten, aber wir sind natürlich gut vernetzt und schicken die Menschen an die richtige Stelle, meistens zum Cigale“, erklärt Laborier. Das Centre des communautés lesbiennes, gays, bisexuelles, trans’, intersexes, queer+ (Cigale) wurde eigentlich von Rosa Lëtzebuerg gegründet, ist mittlerweile aber eine eigene Struktur. Man wolle sich nicht gegenseitig Konkurrenz machen, heißt es im Rainbow Center. In diesem Sinne gibt es eine Art Aufgabenteilung: Kulturelle und soziale Veranstaltungen im Rainbow Zentrum, Beratung und Selbsthilfegruppen bei Cigale.
Ideen gibt es ohnehin genug. Neben den kulturellen Veranstaltungen plant das Zentrum auch, eine eigene Publikation herauszugeben, wie Laborier verrät. „Das steckt noch in der Konzeptionsphase, aber ich habe schon einige Ideen.“ Explizites Ziel des Rainbow Center ist es, die queere Community zu vernetzen. Das bedeutet auch, dass bisher eher unsichtbare Gruppen und Personen eine Bühne bekommen sollen. „Das ist auch meine Aufgabe hier, verschiedene Gruppen zu vernetzen und dafür zu sorgen, dass unterschiedliche Menschen ins Zentrum kommen“, so Laborier.
Events im Rainbow Center
Donnerstag, 29. Juni – 18 Uhr
Vernissage der Ausstellung „Illustrating Queer Joy“Freitag, 30. Juni – 19 Uhr
Buchpräsentation und Lesung aus dem Gedichtband „Sangs“ der Poetin Luce van den BosscheSamstag, 1. Juli – ganztägig
Workshops und Karaoke, organisiert vom Podcast „Méi wéi Sex“Donnerstag, 6. Juli – 18 Uhr
Diskussionsrunde „Lëtzebuerg, en Eldorado fir LGBTIQA+Mënschen?“
Wie ist die Realität queerer Menschen in Luxemburg wirklich? Das Rainbow Center geht dieser Frage mit einer Diskussionsrunde, moderiert von woxx-Journalistin Isabel Spigarelli, auf den Grund. Eingeladen sind unter anderem Charlie Thines (Filmhistoriker*in), Tania Whitehouse (Rosa Lëtzebuerg) und Sandy Artuso (Queer Little Lies). Diskussion auf Luxemburgisch mit Simultanübersetzung auf Französisch und Englisch.Adresse: 19, rue du St. Esprit, Luxemburg-Stadt
In einer früheren Version und in der Druckausgabe haben wir das Cigale fälschlicherweise mit seiner früheren Bezeichnung „Centre d‘Information Gay et Lesbien“ benannt. Die Organisation heißt seit längerem „Centre des communautés lesbiennes, gays, bisexuelles, trans’, intersexes, queer+ Cigale“. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.