Obwohl der Zustand der Natur in Luxemburg alles andere als gut ist, will die CSV-DP-Regierung weniger Naturschutz. Eine neue Analyse zeigt, wie unausgegoren Serge Wilmes’ Reformvorschlag ist.

Die Kettensäge wurde zum Symbol für Bürokratieabbau – doch beim Naturschutz ist eine rabiate Vorgehensweise verantwortungslos. (Foto: Stephen Carmichael/Pixabay)
Plötzlich sind überall Kettensägen zu sehen. Der argentinische Präsident Javier Milei benutzte sie bei seinem Wahlkampf als Symbol für seinen Kampf gegen den angeblich überbordenden Staat. Milliardär Elon Musk tut es ihm gleich – mit größerer Säge und noch weniger Ahnung, wie das Gerät fachgerecht zu bedienen wäre. Auch in Luxemburg wird die Kettensäge angesetzt. Aktuell noch nicht an den Staatsfinanzen, sondern „nur“ am Naturschutzgesetz. Umweltminister Serge Wilmes (CSV) bestreitet mittlerweile zwar, dass es bei seiner Reform, die gemeinsam mit anderen Gesetzesprojekten unter dem Titel „Méi, a méi séier bauen“ vorgestellt wurde, darum geht, schneller zu bauen, doch die Argumentation bleibt gleich: Wer bauen will, soll weniger bürokratischen Aufwand haben.
Am vergangenen Mittwoch präsentierte die Umweltorganisation „Mouvement écologique“ der Presse eine umfassende Analyse des Gesetztesprojekts. Auf 42 Seiten wird fast jeder Artikel fein seziert. Das Ergebnis dieser kleinteiligen Arbeit enthüllt vor allem eins: Wilmes’ Reformprojekt ist unausgereift und lückenhaft. Wie die woxx schon im November 2024 berichtete, war das dem Umweltminister von Anfang an bewusst (woxx 1812). Man würde erst später sogenannte „Kompensationspläne“ ausarbeiten und diese nachreichen. Deswegen fehle auch eine Liste mit den Arten, die von den einzelnen Maßnahmen betroffen wären und deswegen weniger Schutz erfahren sollten.
In der Umweltkommission des Parlaments warnte Wilmes die Abgeordneten, sie müssten sich auf einen langen Gesetzgebungsprozess einstellen; die Regierung habe vor, noch Abänderungsanträge nachzureichen. In der Zwischenzeit hat der Méco genauere Informationen vom Umweltministerium angefordert – und nicht bekommen, unter anderem mit der Begründung, es existierten keine entsprechenden Dokumente. Der Méco bemängelt auch – zurecht – dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür gibt, dass die neuen Methoden der Reform funktionierten.
Obwohl der CSV-Minister nur eine metaphorische und keine echte Kettensäge schwingt, ist die Botschaft die gleiche.
Es wäre also genügend Zeit gewesen, das Gesetzesprojekt in aller Ruhe vorzubereiten und ordentlich zu argumentieren, bevor es der Öffentlichkeit und dem Parlament präsentiert wurde. In diesem Punkt tickt Wilmes wie Milei und Musk: Obwohl der CSV-Minister nur eine metaphorische und keine echte Kettensäge schwingt, ist die Botschaft die gleiche: „Jetzt ist Schluss mit Bürokratie!“ Unfertige Gesetzestexte, fehlende Analysen der Konsequenzen – all das wird bewusst in Kauf genommen, um möglichst als „Macher“ dazustehen. Getarnt wird das zur Krönung noch mit dem absurden Versprechen, weniger Kompensierung führe zu „mehr Grün“ in den Ortschaften.
Dabei sind die Konsequenzen der Regierungsideen, sofern sie denn überhaupt umgesetzt werden können, nicht vorherzusehen. Im schlechtesten Fall würde sich mehrere Jahre nach einem schleppenden Gesetzgebungsprozess der Erhaltungszustand einiger Arten wie dem Rotmilan oder der Goldammer verschlechtern. Dann müsste Luxemburg laut EU-Recht noch mehr Anstrengungen unternehmen, betroffene Arten zu schützen. Die einzigen, die dabei gewinnen würden: Minister Wilmes und einige private Baufirmen. Letztere könnten auf Kosten der Natur und der Allgemeinheit eine Zeit lang billiger bauen, weil sie die Natur, die sie zerstören, nicht mehr kompensieren müssten. Der Minister könnte sich als „pragmatisch“ verkaufen, obwohl seine Herangehensweise natürlich stark ideologisch – private Profite stehen über den Interessen der Allgemeinheit – ist.
Luxemburg ist das Land mit der stärksten Biotopfragmentierung Europas (woxx 1606). Das bedeutet: Unsere Landschaften sind sehr stark durch Siedlungen und vor allem durch Straßen zerschnitten. Nur etwa ein Drittel natürlicher Habitate im Großherzogtum sind in einem erstrebenswerten Zustand, bei lediglich 15 Prozent der geschützten Spezies ist der Erhaltungsstatus gut. Hinzu kommt der Druck durch die Klimakrise, die es den allermeisten Arten noch schwieriger machen wird – wie der jährliche Bericht über den Zustand des Waldes immer wieder aufs Neue zeigt. Unter diesen Voraussetzungen das Naturschutzgesetz mit der Kettensäge zu attackieren, ist schlichtweg verantwortungslos.