Reformen: Von oben und unten

Nachhaltige Steuerreform und Ressourcenschonung – Blau-Rot-Grün hat sich viel vorgenommen, stößt dabei aber gerade die ferventesten Anhänger eines Umbaus unserer Gesellschaft vor den Kopf.

1356editoNoch bis Sonntagabend können sich Interessierte in eine der neun Arbeitsgruppen zur Rifkin-Studie einschreiben und damit ihr Scherflein zur „disruptiven Innovation“ beitragen (woxx 1355). Der Mouvement écologique allerdings wird diesem von den Oberen zur „Revolution von unten“ erklärten Prozess fernbleiben. In einem offenen Brief vom Donnerstag an die Regierung erklärt er, dass „ein reeller und offener Austausch (…) unter den gegebenen Bedingungen nicht möglich“ sei. Neben einem absurden Zeitfenster – die Arbeitsgruppen sollen sich beraten und ihre Ergebnisse bekanntgeben, noch ehe die eigentliche Datenerfassung seitens der Rifkin-Truppe abgeschlossen ist – und der knappen Einschreibefrist ist es vor allem Grundsätzliches, was dem Meco aufstößt.

Bis zur Ausrufung der Arbeitsgruppen vergangene Woche waren weder VertreterInnen der Zivilgesellschaft noch die Arbeitnehmerseite in den Vorbereitungsprozess einbezogen worden. Bei der Diskussion im Wirtschafts- und Sozialrat zum „semestre européen“ machte der Arbeitgebersprecher Michel Würth den Vorschlag, zumindest die Arbeitnehmerkammer CSL in die Studie miteinzubeziehen. Doch auch die CSL wird niemanden in die Arbeitsgruppen entsenden; das klärende Gespräch mit Michel Würth, der als Präsident der Chambre de Commerce die Rifkin-Studie mit in Auftrag gegeben hat, findet erst nach der sonntäglichen Deadline statt.

Genau wie Meco-Präsidentin Blanche Weber hätte sich der Vorsitzende der CSL, Jean-Claude Reding, einen breiteren gesellschaftlichen Ansatz gewünscht. Dabei verschließen sich die beiden keineswegs einem Ausbau von Zukunftsbranchen, die einen schonenderen Umgang mit den Ressourcen versprechen.

Was allerdings bislang im Zusammenhang mit der Rifkin-Studie publik wurde – und vor allem die Ausführungen des Wirtschaftsministers hierzu – deutet kaum auf einen fundamentalen Wandel hin. Da ist eher alter Wein („Wirtschaftswachstum schafft Arbeitsplätze und die garantieren unser Sozialmodell“) in nur unwesentlich neuere Schläuche („fit machen für die dritte wirtschaftliche Revolution um konkurrenzfähig zu bleiben“) gegossen worden.

Geringeres Wachstum und ein auf anderen Wegen finanziertes Sozial- modell werden gar nicht erst diskutiert. Zwar wird von einer Revolution von unten geredet, aber nur, weil laut Rifkin demnächst jeder als „Prosumer“ (produzierender Konsument) sich dezentral mit Energie versorgt und sich, dank der informatischen Revolution, auch gleich selber wegrationalisieren kann. Dass die größten Informatikkonzerne nach einem jüngsten Amnesty International-Bericht Mitschuld an der Kinderausbeutung in fernen Ländern tragen, erwähnt Schneider nicht. Unsere ach so saubere ITC-Welt basiert eben leider auch in vielem auf einer Ausbeutung von Mensch und Ressourcen, die der frühkapitalistischen mit ihren Auswüchsen in nichts nachsteht.

Geringeres Wachstum und ein anderes Sozialmodell werden gar nicht erst diskutiert.

Ähnlich wie bei der Rifkin-Studie agiert die Regierung auch in Sachen Steuerreform – anders als versprochen – in reinster „top down“-Manier. Seit Jahrzehnten wiederholt der Meco gebetsmühlenartig, dass unser Steuersystem hinsichtlich eines nachhaltigen Wirtschaftens falsche Akzente setzt. Doch die kleinste Andeutung der Forderung, solche Verwerfungen wirklich anzugehen, etwa durch eine Abschaffung der Steuersubventionierung von Geschäftsautos, löst eine fast einstimmige Abwehr der Regierungsvertreter aus.

Kein Wunder also, wenn zwar der Meco in Sachen Steuern zum Paradigmen-Wandel aufruft, selber aber kaum noch an einen solchen glaubt. Auch gilt: Wer eine offene Diskussion will, um einen möglichst großen Konsens zu erzielen, muss genügend Raum und Zeit zur Verfügung stellen.

In knapp drei Monaten will der Premier die Eckwerte der blau-rot-grünen Steuerreform bekanntgeben. Soll diese wirklich zum 1.1.2017 in Kraft treten, bleibt für profunde Debatten keine Zeit. Stellt sich also die Frage, ob die Dreierkoalition eine umfassende, strukturell wirkende Reform überhaupt ernstlich anstrebt.

http://www.meco.lu/de/blog/documentcenter/rifkin-und-die-dritte-industrielle-revolution-statt-revolution-zementieren-des-wachstumsmodells
http://www.meco.lu/de/blog/documentcenter/grouss-steierreform-2016-2017-am-senn-vun-enger-nohalteger-steierreform-gestalten
http://www.troisiemerevolutionindustrielle.lu

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