Serienfinale: Genug von „Pose“

Ende September veröffentlichte Netflix die dritte und letzte Staffel der erfolgreichen Serie „Pose“, die in der queeren Szene News Yorks der 1990er-Jahre spielt. Es ist ein kitschiges Desaster zwischen Tüll und Tränen.

Betretene Gesichter stehen in der dritten Staffel von „Pose“ an der Tagesordnung: Die Macher*innen stürzen ihre Figuren von einem Drama ins nächste, was für das Publikum auf Dauer anstrengend ist. (Copyright: FX Network)

„Ich wollte den richtigen Schlusspunkt finden“, sagte Steven Canals, Macher von „Pose”, im September im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über das Finale der Serie. Den „richtigen Schlusspunkt” hat Canals eindeutig nicht gefunden, denn leider kommt das Ende seiner Serie mit zu viel Drama und schwer nachvollziehbaren Szenen daher.

Die dritte Staffel spielt im Jahr 1994, dem Höhepunkt der Aids-Krise. Die Ballroom-Szene, Mittelpunkt der vorangehenden Staffeln, ist für die meisten Figuren in den Hintergrund gerückt. Sie haben andere Karrierewege eingeschlagen: Blanca (MJ Rodriguez) assistiert den Krankenpfleger*innen auf der Aids-Station, Elektra (Dominique Jackson) betreibt eine Hotline für Telefonsex, Angel (Indya Moore) und Papi (Angel Bismark Curiel) arbeiten in der Modebranche, Ricky (Dyllón Burnside) tourt als Backgroundtänzer und Pray Tell (Billy Porter) zieht sich aus gesundheitlichen Gründen aus der Ballroom-Szene zurück. Ein Schicksalsschlag bringt die Familie punktuell wieder aufs Parkett, wo es inzwischen Preisgelder zu den Plastiktrophäen zu gewinnen gibt.

Es steht außer Frage, dass „Pose“ einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung queerer Kultur und Geschichte leistet. Die Serie entführt in der ersten und zweiten Staffel in die New Yorker Ballroom-Szene der 1980er-Jahre, in der viele junge LGBTIQA+ Menschen Zuflucht fanden – besonders nicht-weiße Jugendliche. Die Schauspieler*innen sowie die Autor*innen sind größtenteils auch fernab der Kamera trans, queer, Schwarz oder Latino, was bedauerlicherweise sonst eher selten ist. Billy Porter erhielt 2019 als erster Schwarzer schwuler Mensch den Emmy Award in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“. 2021 wurde MJ Rodriguez als erste trans Hauptdarstellerin für die begehrte Auszeichnung nominiert.

Die dritte Staffel allerdings hat höchstens einen Preis für das meiste Drama pro Episode verdient. Keine der acht Folgen kommt ohne emotionale Zusammenbrüche und tränenreiche Dialoge aus. Die Macher*innen drücken nicht nur auf die Tränendrüse, sie setzen sich regelrecht darauf und bleiben bis zum letzten Abspann sitzen. Zwischendurch tauchen verstorbene Figuren wieder auf und schwingen emotionale Reden, was die woxx bereits in der zweiten Staffel verstörend fand, und es gibt schnulzige Gesangseinlagen, die an Kitsch nicht zu überbieten sind. Das alles auf Kosten des Sehvergnügens: es fällt schwer, sich auf die eigentliche Handlung zu konzentrieren.

Noch dazu reproduziert die Serie heteronormative Klischees: Ein queeres Hochzeitspaar heiratet nach traditionellen Bräuchen. Die Braut trägt weiß, der Bräutigam einen Anzug. Das Paar verbringt die Zeit vor der Eheschließung in Gruppen, die nach Frau und Mann aufgeteilt sind. Dabei sticht immerhin ein starker Monolog über toxische Männlichkeit heraus. Abgesehen davon will die Hochzeitsszene aber nicht so recht zu einer Gemeinschaft passen, die sich durch ihren Bruch und das Karikieren von heteronormativen Normen auszeichnet. Der einzige „Bruch“ ist der, dass jede Gästin ein Hochzeitskleid trägt, weil alle trans Frauen an dem Tag das Recht haben sollen, sich wie eine Braut zu fühlen.

Canals und sein Team haben sich eigenen Aussagen nach bewusst dafür entschieden, nach der dritten Staffel einen Schlussstrich zu ziehen, unter anderem, weil sie die Handlung nicht künstlich in die Länge ziehen wollten – und dafür ist man ihnen, trotz aller Verdienste, am Ende der dritten Staffel dankbar.

Auf Netflix.

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