Regierung und Handelskammer streben den vermehrten Einsatz sogenannter „künstlicher Intelligenz“ an. Die Fantasien über künftige Resultate klingen wie aus einem Märchen, die bittere Realität wird hingegen ausgeblendet.

Handelskammer und Regierung ignorieren die Arbeitsbedingungen von sogenannten Clickworkern, die künstlichen Intelligenz trainieren, komplett. (© CC BY 4.0 Max Gruber / https://betterimagesofai.org)
Anfang dieser Woche haben sowohl die Luxemburger Handelskammer als auch die hiesige Regierung Überlegungen zum Einsatz von „künstlicher Intelligenz“ (KI) präsentiert. Der Tenor ist sehr ähnlich: Das Großherzogtum soll zu einem KI-Zentrum werden, in den Rechenzentren des Landes sollen eigene Modelle trainiert werden, um künftig alle möglichen Aufgaben zu erfüllen. Damit der Anreiz, KI einzusetzen, größer wird, sollen Investor*innen in KI-Unternehmen nach dem Willen der Handelskammer auf ihre Profite keine Kapitalertragssteuer zahlen müssen. KI-Goldrauschstimmung in Luxemburg? Über die Frage, was ein sinnvoller Einsatz der Technologie wäre, wird hier jedenfalls kaum nachgedacht. Regierung und Handelskammer hecheln dem Hype aus dem Silicon Valley hinterher.
Besonders das Regierungsdokument liest sich eher wie ein Science-Fiction-Roman denn wie ein realitätsgegründetes Strategiepapier. Energietransition? Die KI regelt dynamisch Angebot und Nachfrage von Strom! Weltraumschrott verstopft die Umlaufbahnen? Die KI steuert Satelliten, die sich autonom reparieren! Bildungsungleichheiten? Ein KI-Chatbot soll einen Überblick über alle Curricula geben! Personalengpass in der Steuerverwaltung? Ein KI-Chatbot fasst Informationen für Beamt*innen zusammen! Die Adem weiß nicht genau, welche Fertigkeiten am Luxemburger Arbeitsmarkt benötigt werden? Die KI fabuliert uns eine Analyse!
Das Regierungsdokument offenbart magisches Denken, das die möglichen Einsatzbereiche von KI komplett überschätzt.
Besonders die letzten beiden Beispiele machen klar, dass über die Risiken von KI-Nutzung wenig nachgedacht wird. Was passiert nämlich, wenn man den großen Sprachmodellen (Large Language Models – LLMs) das Feld der Datengenerierung und -analyse überlässt? Man weiß nicht mehr zu unterscheiden, was faktuell ist und was das LLM „halluziniert“ hat. Die Regierung versteht KI offenbar nicht als von menschlicher Intelligenz geleitetes Werkzeug, das man, wie andere Werkzeuge auch, nur für eine beschränkte Anzahl von Operationen verwenden kann. Vielmehr imaginiert man eine Art universal einsetzbaren Zauberstaub. Das offenbart magisches Denken, das die möglichen Einsatzbereiche von LLMs komplett überschätzt. Es handelt sich um Programme, deren Funktion im Wesentlichen darin besteht, das nächste Wort in einem Satz zu erraten. Das können sie recht gut. Doch nur, weil ein Programm einen Text fabriziert, der wie von einem Menschen geschrieben wirkt, heißt das noch lange nicht, dass es auch andere Aufgaben erledigen kann.
Das Strategiepapier der Regierung bedient sich zudem des Tricks, nicht genau zu erläutern, was eigentlich mit KI gemeint ist: Sind es nun LLMs, ist es maschinelles Lernen, oder doch etwas ganz anderes? Der größte Fehler ist jedoch, dass die gigantischen Nachteile des KI-Hypes beinahe komplett ausgeblendet werden.

(© Elise Racine / https://betterimagesofai.org / https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)
So heißt es im Kapitel zur Kreativität zwar, man werde eine KI basteln, die die Rechte von Urheber*innen achtet. Doch die meisten KI-Systeme basieren auf Modellen, die unter Einbeziehung einer Vielzahl von geschützten Werken „trainiert“ wurden. Dieses „Training“, insbesondere das Fein-Tuning, wird übrigens nicht in klinisch sauberen Rechenzentren vollzogen, sondern in Klick-Fabriken im globalen Süden, wo unter unmenschlichen Bedingungen und für einen Hungerlohn gearbeitet wird: Tagein, tagaus müssen sich die dortigen Arbeiter*innen traumatisierenden Inhalten aussetzen, um die Illusion der „künstlichen Intelligenz“ entstehen zu lassen.
Dazu kommt noch der gewaltige Ressourcenhunger: Chips müssen produziert, Rechenzentren mit Strom und Kühlwasser versorgt werden. Und das in einem bisher ungekannten Ausmaß, das sämtliche Klimaziele in Frage stellt. Wollen wir wirklich den Planeten opfern, damit eine „souveräne KI“ beispielsweise E-Mails, die bereits von einer anderen KI formuliert worden sind, noch einmal in drei Sätzen zusammenfassen kann?