Auf dem vorgezogenen Parteitag von Podemos fielen richtungsweisende Entscheidungen. Der zuletzt umstrittene Generalsekretär Pablo Iglesias und seine Anhänger setzten sich bei den Abstimmungen klar durch.
Mit Häme, mitunter auch mit Schadenfreude hatten die etablierten Zeitungen Spaniens über die internen Debatten berichtet, die das vergangene Vierteljahr bei Podemos geprägt haben. Kein Wunder, denn die Bewegungspartei ist weiterhin eine ernsthafte Bedrohung, sowohl für die regierende konservative „Partido Popular“ als auch für den sozialdemokratischen PSOE, der die Regierung duldet.
Allerdings haben auch viele „Podemitas“, viele Parteimitglieder und Sympathisantinnen, mit großer Sorge auf die Debatten geblickt, die sich in den vergangenen Wochen zu einer parteiinternen Konfrontation der beiden bekanntesten Gesichter von Podemos ausgewachsen hatten, also zwischen dem politischen Sekretär Iñigo Errejón und dem omnipräsenten Generalsekretär Pablo Iglesias.
Offen zu Tage getreten waren die Meinungsverschiedenheiten bereits im Dezember. Damals ging es um die aus Parteisicht verloren gegangenen Parlamentswahlen. Podemos hatte ihr Ziel verfehlt, mehr Stimmen zu erringen als der PSOE. Errejón widersprach Iglesias darin, welche Konsequenz daraus zu ziehen sei, und forderte zudem eine Kampfabstimmung über die Modalitäten der Postenbesetzung der Partei.
Spätestens seit dieser Abstimmung ist klar, dass die Partei nicht nur über den linken Flügel der „Anticapitalistas“, sondern auch über eine als „moderat“ bezeichnete Strömung verfügt. Als ihr Protagonist fordert Errejón ein stärkeres Zugehen auf die Sozialdemokratie.
Die „Errejonistas“, die auf dem Parteitag am vergangenen Wochenende mit der Liste „Recuperar la ilusión“ (Die Begeisterung wiederherstellen) antraten, scheiterten bei einer Abstimmung über eine Annäherung im Dezember nur knapp, zuletzt schien sogar eine Spaltung der Partei nicht mehr ausgeschlossen. Nicht nur etablierte Medien hatten die Konfrontation befeuert. Sie wurde auch durch eine Lagerbildung in den sozialen Netzwerken zugespitzt, obwohl die Debatten dort eigentlich eine der Stärken der Partei sind.
Inhaltlich hat sich der Parteiflügel um Iglesias darauf verlegt, „mit einem Bein im Parlament und mit 1.000 Beinen in der Gesellschaft“ zu stehen.
In dieser innerparteilichen Situation fand nun also der Parteitag statt, präsentiert als die zweite Bürgerversammlung seit der Gründung von Podemos. Die Partei ist trotz des Verlusts von über einer Million Stimmen bei den letzten Wahlen immer noch die drittstärkste politische Kraft Spaniens und verfügt über gute organisatorische und finanzielle Mittel.
Benannt war der Kongress als „Vistalegre II“, angelehnt an die Multifunktionsarena „Palacio Vistalegre“ in Madrid, wo schon die legendäre Bürgerversammlung von 2014 stattgefunden hat, als Podemos in den Umfragen immer populärer wurde und eine Protestdynamik die Gesellschaft prägte. Gänzlich anders also die Vorzeichen für die diesjährige Versammlung. Die Angst vor einer potenziellen Spaltung dominierte.
Nach einigen Redebeiträgen sowie mit Rufen nach „Unidad! Unidad!“ (Einheit) löste sich aber bereits am Samstagnachmittag ein Teil der Spannung. Das ritualisierte gegenseitige Beklatschen von Vortragenden und Zuhörenden sowie ausgiebige Solidaritäts- und Respektsbekundungen trugen dazu bei, Erinnerungen an den Gründungskongress wach werden zu lassen.
Da stand die Abstimmung allerdings noch bevor. Die Abgeordnete Carolina Bescansa hatte den Konflikt als ein „Aufeinanderzurasen von zwei Zügen“ beschrieben. Ihr Vermittlungsversuch wurde schlicht ignoriert, woraufhin sie ihre Kandidatur für die Parteileitung zurückzog.
Inhaltlich hat sich der Parteiflügel um Iglesias darauf verlegt, „mit einem Bein im Parlament und mit 1.000 Beinen in der Gesellschaft“ zu stehen. Zuvor aber hatte Generalsekretär Iglesias die Devise der Machterlangung ausgegeben und sich als Taktgeber inszeniert. Jetzt für die ständige Opposition zu plädieren, lässt Zweifel an der Konsistenz seiner Analyse oder den Beweggründen für seine Politik aufkommen. Denn in beiden Szenarien, dem vor- wie dem nachelektoralen, gibt es eine Konstante: Iglesias selbst soll die Partei führen.
Diesen Anspruch untermauerte er mit einer Doppelkandidatur: Nicht nur als Generalsekretär trat er an, sondern auch auf Platz eins der Liste „Podemos para tod@s“. Noch mehr Druck erzeugte seine Ankündigung, im Fall der Wahlniederlage seiner Liste als Generalsekretär zurückzutreten.
Zwischenzeitlich war eine Annäherung zwischen den „Anticapitalistas“ mit ihrem Frontmann Miguel Urbán und den „Pablistas“ um Iglesias zu beobachten. Erstere propagieren, innerhalb der Institutionen Ungehorsam zu leisten. Letztlich hatte sich die Anticapitalista-Strömung allerdings dagegen entschieden, ihre Liste mit der von Iglesias zu fusionieren, obwohl dies bessere Aussichten auf Posten im Parteirat mit sich gebracht hätte. Vielleicht, um sich nicht zu leicht vereinnahmen zu lassen.
„Unidad“ war das Schlagwort, das Pablo Iglesias’ Äußerungen in den vergangenen zehn Tagen prägte. Damit begegnete er der Unsicherheit und bot gleichzeitig die Lösung des Konflikts an – zu seinen Gunsten. Diese Strategie ging auf. Von 455.000 Wahlberechtigten, die bis zum Samstagabend ihre Stimme hatten abgeben können, hatten dies 155.000, also 35 Prozent getan, und zwar online mittels einer Handy-App.
Die Wahl zum Parteirat gewann die Liste „Podemos para tod@s“ mit deutlichem Vorsprung, sie stellt 37 der 62 Mitglieder, 23 Posten gingen an „Recuperar la ilusión“ und zwei an „Podemos en Movimiento“, die Liste der „Anticapitalistas“.
Der Posten des Generalsekretärs, für den Errejón nicht kandidierte, ging mit 89 Prozent an Iglesias, der nur einen Herausforderer hatte. Er interpretierte seine Wahl in einer kurzen Rede als „Auftrag zur Einheit und Bescheidenheit“.
Weitere Themen, die während des Parteitags deutlicher als in der Vergangenheit hervortraten, waren der Feminismus, die Bedeutung der ländlichen Entwicklung für Spanien und die Rolle der „Círculos“, der Basisversammlungen.
Viele Redner und Rednerinnen betonten den Feminismus, mit Bezug auf die nach wie vor untergeordnete Rolle der Frauen in Spanien, auf die internationale Regression und womöglich auch ein bisschen auf den parteiinternen Hahnenkampf, der die Schlagzeilen zuletzt prägte. Und die „Círculos“, in der bisherigen Praxis faktisch machtlose Strukturen ohne reale Einflussmöglichkeiten, wurden mit der Wahl von vier speziell gewählten Vertretern und Vertreterinnen in den Parteirat aufgewertet.
Die Streitigkeiten sind nun allerdings keineswegs beigelegt, zumindest jedoch konnte eine Spaltung der Partei abgewendet werden. „Weniger konkurrieren, mehr kooperieren“, lautete eine der Forderungen auf dem Parteitag. Wie weit sie trägt, muss sich erst noch erweisen.