Urbane Mobilität: Tram statt Bäume?

Luxtram und Umweltverbände streiten sich um eine neue Tramtrasse, doch die Kernfrage müssten eigentlich andere lösen.

(woxx.lu)

Es ist ein Zielkonflikt, der wie fürs Lehrbuch geschaffen scheint: Die Tram ist ein wesentlicher Bestandteil in Richtung einer nachhaltigen Mobilitätspolitik. Doch was, wenn der Ausbau des Tramnetzes die Zerstörung bestehender Grünflächen oder Baumbestände voraussetzt? Zunächst macht es den Eindruck als handle es sich dabei um eine reine Kosten-/Nutzenfrage, bei der am Ende womöglich ein Stück Natur weichen muss – an anderer Stelle adäquat kompensiert, wird uns versprochen.

Nun ist hinlänglich bekannt, dass die wenigsten Kompensationsmaßnahmen dem tatsächlich angerichteten Schaden gerecht werden. Es geht ja nicht nur darum, eine bestimmte Anzahl von Bäumen zu ersetzen, sondern auch um Lebensraum für Tiere, der erst einmal erfasst werden muss, um ihn andernorts bestmöglich zu rekonstruieren. In der Regel finden solche Kompensationsmaßnahmen zudem weitab von der überbauten Örtlichkeit statt. Sie sind demnach allenfalls eine Notlösung, wenn Zerstörungen tatsächlich als ausweglos erachtet werden.

In der vergangenen Woche ist genau um dieses – scheinbare – Dilemma in Luxemburg eine Debatte entstanden, die vorerst mittels Pressecommuniqués diverser Akteure ausgetragen wird. Der „Plan national de mobilité 2035“, der im Frühjahr vorgestellt wurde, sieht unter anderem eine neue Streckenführung zwischen Luxepo und Hollerich vor, die in der Oberstadt von der aktuellen Trasse abweicht: Statt am Glacis vorbei über die „Stäreplaz“, soll die neue Linie in die Avenue de la Porte-Neuve einbiegen, damit man auf direktem Wege zum Boulevard Royal gelangen kann. Bis 1964 verlief hier schon einmal ein Hauptstrang des früheren Luxemburger Tramnetzes, dessen Dreh- und Angelpunkt, der „Tramsschapp“, sich unweit auf Limpertsberg befand.

In den ersten Planungen der neuen Tram war die „Porte-Neuve“ ebenfalls für die Hauptlinie Bahnhof-Kirchberg vorgesehen. Die Option wurde jedoch verworfen, weil die Kurvenführung als zu kompliziert eingestuft wurde. Allerdings geht dieses Problem weniger auf die Tram zurück als auf den Individualverkehr, der von der Côte d’Eich kommend hier in Richtung Limpertsberg und Kirchberg gelotst wird (und umgekehrt). Schon damals ging die Planung der jetzigen Streckenführung der Tram, die Reisenden einen Umweg aufzwingt, also vor allem auf den prioritär eingestuften Individualverkehr zurück. Die neue Linie aus Hollerich (die vor allem zwei Park-and-Rides im Westen bedient) soll jetzt ohne diesen Umweg an ihr Ziel gelangen, der so erzielte Zeitgewinn die Tram attraktiver machen.

Brauchen wir überhaupt eine mehrspurig ausgelegte Avenue für den Individualverkehr?

Anders als die alte Tram, die auch die normale Fahrbahn „mitbenutzte“, besitzt die neue Tram aus gutem Grund ihre eigene Trasse. Doch da wo die Tram fährt, müssen andere weichen, in der Regel der Individualverkehr mit dem durchaus wünschenswerten Effekt, diesen unattraktiver zu machen.

Ein Teil der Porte-Neuve führt allerdings durch den städtischen Park, und da liegt der Gedanke nahe, die Tram kurzerhand über die grüne Wiese zu führen, um den Straßenraum nicht anzutasten. Dumm nur, dass sich zwischen der „grünen Wiese“ und der geteerten Straße ein jahrzehntealter Baum- und Heckenbestand befindet, der nun für die Trambahn geopfert werden soll.

Das Dilemma stellt sich jedoch nur als solches dar, weil eine Frage nicht gestellt wird: Brauchen wir überhaupt eine mehrspurig für den Individualverkehr ausgelegte Avenue? Sollte nicht endlich die Debatte geführt werden, wie man diesen möglichst weitgehend aus der Stadt heraushalten kann?

Luxemburg hat mit einem Vierteljahrhundert Verspätung auf die Tram gesetzt. Nun sollen offenbar wieder Jahrzehnte vergehen, ehe wir in der Stadtplanung das angehen, was andernorts bereits umgesetzt wird: Den Rückbau der Straßenarterien, die bislang die Zentren durchqueren und diese somit unnötig den Belastungen des Individualverkehrs aussetzen. Flächendeckende 30- und gar 20-Stundenkilometerzonen wären umso einfacher zu realisieren. Wer unbedingt mit dem Auto an einen bestimmten Punkt gelangen muss, würde dadurch nur unwesentlich Zeit verlieren. Wer jedoch einfach nur zum Spaß durchs Zentrum brettern will, wird das, wie seit jüngstem in Brüssel, nicht mehr so einfach tun können.


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