Auch nach dem Spektakel um den so genannten „Super-Tuesday“ bleibt beim Rennen ums Weiße Haus alles offen: Bislang haben weder Republikaner noch Demokraten einen Sieger bei der Kandidatenkür.
Die Hoffnung, der Super Tuesday würde endlich und endgültig Klarheit in den gefühlt endlosen US-Vorwahlkampf bringen, hat sich nur bedingt erfüllt. „Super Tuesday“, so nennt man in Amerika das große Vorwahl-Marathon, bei dem an einem Tag ganze elf Bundesstaaten darüber abstimmen, wer Präsidentschaftskandidat der Demokraten respektive Republikaner werden soll.
In beiden Parteien herrscht noch immer ein gewisses Maß an Unsicherheit, das man auch als Chaos bezeichnen könnte. Immerhin konnten Spitzenreiter Donald Trump und Hillary Clinton überzeugende Siege verbuchen und ihren Griff nach der Macht verfestigen.
Beide konnten sieben der insgesamt elf Wahlstaaten für sich gewinnen. Beide müssen eine bestimmte Anzahl von Wahldelegierten erreichen, um zum Standartenträger ihrer Partei zu werden. Bei den Republikanern sind das 1.237, wovon Trump immerhin schon 315 absahnen konnte, mehr als jeder seiner Herausforderer. Auf Platz zwei liegt Ted Cruz mit 266 Delegierten.
Bei den Demokraten sind 2.382 Delegierte für einen Sieg nötig, und Hillary Clinton liegt laut einer Hochrechnung des Fernsehsenders CNN mit 1.055 Delegierten weit vor Bernie Sanders, der insgesamt nur 408 Delegierte vorweisen kann.
Auf beiden Seiten zeichnen sich also deutliche Trends ab, doch sicher ist noch nichts. Der nächste große Wahltag, der wahrscheinlich alles entscheiden wird, ist am 15. März. Das gilt zumindest für die Republikaner, denn laut deren komplexen Parteiregeln sind die meisten der US-Bundesstaaten, die dann am Zug sind – Florida, Illinois, Missouri und Ohio – so genannte „Winner Takes All“-Staaten, bei denen der Wahlsieger restlos alle Delegierten gewinnt. Die meisten anderen Staaten verteilen die Delegierten proportional an all jene Kandidaten, die mehr als 20 Prozent, in manchen Fällen auch 15 Prozent aller Stimmen bekommen haben.
Die Demokraten haben keine „Winner Takes All“-Staaten, stattdessen haben sie die so genannten „Superdelegierten“, die nicht an die Wähler gebunden sind, sondern sich frei zur Kandidatin oder zum Kandidaten ihres Herzens bekennen können. Hier hat Hillary Clinton, die gerade an dieser Front 2008 gegen Barack Obama enorm verloren hat, entscheidende Vorarbeit geleistet und konnte bereits Hunderte dieser Superdelegierten für sich gewinnen. Diese können allerdings auch jederzeit wieder abspringen, zum Beispiel wenn Clintons Gegenspieler Bernie Sanders sehr viel erfolgversprechender erscheinen würde.
Der nächste große Wahltag, der wahrscheinlich alles entscheiden wird, ist am 15. März.
Aber das tut er derzeit nicht. Zwar konnte Sanders erwartungsgemäß seinen Heimatstaat Vermont überzeugend gewinnen, und darüber hinaus am Dienstag auch noch Colorado, Oklahoma und Minnesota für sich verbuchen, aber für einen Sieg reicht das nicht. Es ist allerdings auch keine Niederlage, zumindest noch nicht. Sanders hat gerade genug Wählerstimmen bekommen, um weiterhin als ein legitimer Kandidat gelten zu können. Dazu kommt, dass er bestens finanziert ist, allein im Februar konnte er 42 Millionen Dollar von meist kleinen Spendern auftreiben. Er kann also weitermachen.
Für Hillary Clinton, die große Siegerin vom Dienstag, ist das ein Glücksfall. Denn wenn es keinen Gegenkandidaten wie Bernie Sanders gäbe, müsste sie ihn erfinden. Allein ihm verdankt sie es, dass sie im Wahlkampf und bei den Debatten merklich besser geworden ist. Dazu kommt, dass Sanders blendend von ihren eigenen Schwächen ablenkt, in erster Linie von ihrem Skandälchen mit den E-Mails: Clinton hat in ihrer Zeit als US-Außenministerin alle geschäftlichen E-Mails auf einem privaten Server empfangen, darunter auch solche, die als „geheim“ eingestuft wurden. Das ist natürlich ein bisschen peinlich, und womöglich auch illegal. Und für ihre republikanischen Gegner ein gefundenes Fressen.
Doch so lange die Öffentlichkeit auf ihr Rennen gegen Sanders schaut, fragt auch niemand nach ihren E-Mails. Sie kann auf Zeit spielen. Auch von den überzeugenden Siegen Donald Trumps profitiert letztlich Clinton. Denn von allen Republikanern ist wahrscheinlich er ihr Traumgegner. Kein anderer erfüllt die demokratischen Wählerherzen mit so viel Angst wie Trump. So etwas mobilisiert die Basis, und genau das gelang Clinton, die als Kandidatin eher hölzern wirkt, bisher noch nicht. Apokalyptische Visionen einer Donald-Trump-Präsidentschaft kommen da wie gerufen, um die Wahlbeteiligung hochzutreiben. Besonders bei Frauen, Latinos und Afroamerikanern, die Trump allesamt mit Wonne beleidigt. Sollte er also tatsächlich im November für die Republikaner ins Rennen gehen, könnte ihn das teuer zu stehen kommen.
Einflussreiche Demokraten warnen allerdings davor, Trump als Witzfigur abzustempeln. Besonders Bill Clinton sieht in dessen krudem Nativismus eine echte Gefahr. Er mag Recht haben. Trump würde bei der allgemeinen Wahl sicher auch so manche Demokraten mit seinem demagogischen Populismus für sich einnehmen.
Der Kampf könnte also hart werden. Und Trumps Weg zur Nominierung sieht momentan recht rosig aus. Dabei sollte es eigentlich unmöglich sein, dass ein Kandidat mit so hohen Negativwerten die Vorwahlen gewinnt. Dass er es trotzdem tut, verdankt er nur einem Umstand: Der Rest der Kandidaten ist zerstritten und noch ist es keinem von ihnen gelungen, ordentlich zu punkten. Die Anti-Trump-Stimme verpufft.
Vor allem der neue Establishment-Liebling Marco Rubio, der nach dem unrühmlichen Ausscheiden von Jeb Bush für Hillary Clinton mit Sicherheit einer der gefährlichsten Gegner wäre, kommt nicht so recht vom Fleck. Er konnte von fünfzehn Staaten, die mittlerweile insgesamt abgestimmt haben, nur einen für sich gewinnen, Minnesota. Immerhin reicht das, um noch eine Weile im Rennen zu bleiben.
Unter anderem argumentiert Rubio, dass die nächste Wahlrunde für ihn besser werden könnte, in Staaten wie Michigan beispielsweise sind die Republikaner noch traditionell gesinnt. Daher sind sie womöglich weniger anfällig für den zweifelhaften Charme des Donald J. Trump. Hier könnte Rubio ordentlich punkten, wäre da nicht John Kasich, der ihm bislang viele Stimmen abgenommen hat, weil er im Grunde dieselben Wählerinnen und Wähler wie Rubio anspricht. So bekam Kasich am Dienstag im US-Bundesstaat Virginia beispielsweise 9,4 Prozent der Stimmen, und Trump schlug Rubio mit einer Marge von nur 2,8 Prozent. Ohne Kasich hätte Rubio also Trump geschlagen.
Kasich hat zwar kaum mehr eine Chance auf einen Sieg, aber er muss die nächsten zwei Wochen noch durchhalten, denn seine Hoffnung ruht nicht zufällig auf Ohio und den 66 Delegierten, die damit einhergehen. Er ist dort seit 2011 Gouverneur und hat den Staat fast zwanzig Jahre im Kongress vertreten. Es müsste für ihn also ein Heimspiel sein.
Rubio wiederum müsste eigentlich seinen Heimatstaat Florida gewinnen, doch Trump liegt hier in den Umfragen vorne. Immerhin hat am Mittwoch der politikunfähige Neurochirurg Ben Carson angekündigt, de facto aus dem Rennen auszusteigen – er will nicht an der nächsten Kandidatendebatte teilnehmen, was für ihn vermutlich das Ende ist. Für die anderen Bewerber ist die Debatte eine weitere Chance, sich zu profilieren und die Wählerherzen für sich einzunehmen.
Besonders Ted Cruz aus Texas gibt sich kämpferisch, er hat am Dienstag nebst seinem Heimatstaat auch noch Arkansas und Oklahoma gewonnen. Ein wichtiger symbolischer Sieg, der es ihm ermöglicht, im Rennen zu bleiben. Doch auch für ihn ist der Weg zum Weißen Haus zunehmend schwierig auszumachen, denn in der nächsten Wahlrunde stimmen Staaten ab, deren Wählerinnen und Wähler nicht ganz so erzkonservativ geprägt sind wie Cruz.
Es bleibt also weiterhin spannend. Hillary Clinton hofft, am 8. März Michigan zu gewinnen, danach geht es für sie um Florida, Ohio, Illinois, North Carolina und Missouri. Auch für sie gibt es bald in eine neue Debatte mit Sanders, und so beginnt eine neue Phase des gefühlt endlosen Wahlkamps. Und danach? Ab Sommer beginnt womöglich die Schlacht der Titanen: Clinton gegen Trump.