Wie die ADR gefährliche Verschwörungsmythen verbreitet

In einer parlamentarischen Anfrage bediente sich der ADR-Abgeordnete Jeff Engelen Argumente aus dem Verschwörungsmillieu. Die wurden in ihrer Antwort gründlich von Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) zerlegt.

Säht Zweifel an den PCR-Tests, mit denen Sars-CoV-2 erkannt wird: Jeff Engelen, Abgeordneter der ADR. (Foto: CC-BY-ND Chambre des Députés)

Christian Drosten dürfte einer der bekanntesten Virologen im deutschsprachigen Raum sein, nicht zuletzt wegen dem Coronavirus-Update-Podcast des NDR, in dem der Wissenschaftler zweiwöchentlich seine Einschätzung zur Pandemie abgibt und die aktuelle Forschungslage erklärt. Drosten veröffentliche bereits im Januar 2020 gemeinsam mit anderen Wissenschaftler*innen in der Zeitschrift Eurosurveillance ein wissenschaftliches Paper, in dem eine Testmethode für die Erkennung des Virus, das Covid-19 auslöst – Sars-CoV-2 – beschrieben wurde. Dies kann man sich als eine Art Bedienungsanleitung vorstellen, in der erklärt wird, wie das Virus mittels PCR erkannt werden kann. Diese wissenschaftliche Arbeit floss auch in die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation für PCR-Tests zum neuartigen Coronavirus ein und wird gemeinhin als „Croman-Drosten-Paper“ bezeichnet, benannt nach den beiden Hauptverfassern. Bereits 2003 hatte Drosten den ersten Test für das Sars-Virus entwickelt.

Schon seit längerem haben sich Verschwörungsgläubige auf die PCR-Tests eingeschossen. Während manche – vor allem aus dem Umfeld der sogenannten Germanischen Neuen Medizin behaupten, das Virus (oder Viren insgesamt) existierten nicht, leugnen andere die Aussagekraft der Tests mit der Begründung, es gäbe viele falsch-positive Testresultate. Die Botschaft lautet stets: Die PCR-Tests sind nicht so zuverlässig wie behauptet und deswegen sämtliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie überzogen. Es geht also nie um die wissenschaftliche Kritik einer Methode, sondern um eine komplette Leugnung des Ausmaßes der Covid-19-Pandemie.

In dieses Horn blies nun auch der Nordabgeordnete der ADR, Jeff Engelen. In einer parlamentarischen Anfrage bezog er sich vor allem auf den sogenannten „Corman-Drosten Review Report“, das Ende November 2020 veröffentlicht wurde. Es handelt sich um ein angeblich wissenschaftliches Paper, das jedoch in keinem peer-revieweten Journal Platz gefunden hat und entgegen jeder wissenschaftlichen Standards auf einer eigenen Website veröffentlicht wurde. 22 „anerkannte und unabhängige“ Expert*innen hatten das Corman-Drosten-Papier auseinandergenommen und jede Menge Zweifel zutage gebracht. Außerdem erging ein Brief an Eurosurveillance, das virologische Paper doch zurückzuziehen. Engelen wollte von der Gesundheitsministerin wissen, ob man nicht wegen des verschwörungsmytholgischen Geschwurbels der 22 selbsternannten „Expert*innen“ die Teststrategie ändern sollte.

PCR-Tests sind unablässlich, um Infizierte identifizieren und die Pandemie eindämmen zu können. Im Bild ist die Entnahme einer Probe in Straßburg zu sehen. (Foto: CC-BY-SA Claude Truong-Ngoc / Wikimedia Commons)

In ihrer ausführlichen Antwort wirkt Gesundheitsministerin Paulette Lenert regelrecht begeistert. Gleich im ersten Satz verpasst sie Engeln eine verbale Ohrfeige: „Die parlamentarische Frage des ehrenwerten Abgeordneten erlaubt mir auf ein Neues einer Behauptung aus dem Bereich der sogenannten Verschwörungstheorien zu widersprechen.“ In diesem Tonfall geht es weiter – Lenert beschreibt, dass die „Expert*innen“ in den meisten Fälle keine sind: Der niederländische Molekularbiologie Pieter Borger stelle beispielsweise die Evolutionstheorie in Frage und plädiere für eine „historische christliche Wissenschaft“. Auch andere der 22 Verfasser*innen des „Review Reports“ haben zweifelhafte Aussagen getätigt: Neben der allgemeinen Leugnung der Covid-19-Pandemie haben manche von ihnen auch den Ausbau des 5G-Netzwerks mit der Krankheit in Verbindung gebracht. Ein anderer „Experte“ hat gar keine wissenschaftliche Ausbildung, sondern ist 3D-Künstler.

Zu den Kritiken der 22 Schwurbler*innen, die den Veröffentlichtungsprozess betreffen – das Corman-Drosten-Papier wurde schnell peer-reviewed, außerdem sind Drosten und eine andere Autorin, Chantal Reusken, Mitherausgeber*innen von Eurosurveillance – hat das Journal selbst bereits Stellung bezogen. Die Gesundheitsministerin wiederholt in ihrer Antwort die wichtigsten Punkte: Aufgrund der (drohenden) Pandemie wurde im Januar 2020 schnell gehandelt, und durch ein spezielles System ist gewährleistet, dass die Mitherausgeber*innen des Journals keinen Einfluss auf die Veröffentlichtungen haben.

In Luxemburg werden die Corman-Drosten-PCR-Tests aktuell jedoch überhaupt nicht eingesetzt, so Lenert weiter in ihrer Antwort. Mittlerweile gäbe es nämlich gute und großflächig einsetzbare Tests kommerzieller Anbieter. Die Liste der zugelassenen Tests ist auf sante.lu veröffentlicht und wird regelmäßig aktualisiert, zurzeit befinden sich neun verschiedene Tests darauf. Die Gesundheitsministerin sieht demnach keinen Grund, die Teststrategie aufgrund der Kritiken der 22 Schwurbler*innen zu ändern.

Zum Schluss ihrer Antwort redet Paulette Lenert dem ADR-Abgeordneten noch einmal ins Gewissen: „In einer Demokratie ist es sehr wichtig, dass man offen und frei kritische Fragen stellen kann. Es ist aber genauso wichtig, dass man, wenn man stichhaltige Antworten bekommt, sich klar von Verschwörungstheorien distanziert, die die Realität dieser Pandemie in Frage stellen, alleine schon aus Respekt vor den vielen Toten, die diese Krankheit bis jetzt gefordert hat.“ Dieser Appell ist sicherlich gut gemeint, wird aber vermutlich wenig an der Strategie der ADR ändern. Die lebt davon, das Vertrauen in wissenschaftliche Informationen zu untergraben. Die Leere, die dabei entsteht, will die Partei selbst mit gefühlten Wahrheiten füllen – sei es zur Sprachsituation, zu Geschlecht und sexueller Identität oder eben zur Pandemie.


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