Wohnkrise: Wohntürme statt Penthouses

In Luxemburg kümmern sich auch die Nachwuchspolitiker*innen der großen Parteien lediglich um jene Menschen, die ein Eigenheim kaufen können. Wer zur Miete lebt, wird von der Politik ignoriert – dabei ist gerade hier der Staat gefragt.

Obwohl ein größeres Areal benutzt wird, kommen beim Projekt „Wunne mat der Wooltz“ viel weniger Menschen unter … (Foto: Wunne mat der Wooltz)

Die Situation auf dem luxemburgischen Wohnungsmarkt habe sich in den letzten Jahrzehnten immer weiter zugespitzt und nun ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Das stellten Mitte Mai die Jugendparteien der vier größten Parteien, CSJ, JSL, déi jonk Gréng und JDL in einer gemeinsamen Stellungnahme fest. Auf der Pressekonferenz gaben die Jungpolitiker*innen an, dass sie ihre Forderungen auch schon vor zehn Jahren hätten stellen können. Leider sind auch diese sehr darauf fokussiert, dass möglichst alle Wähler*innen sich ein Eigenheim kaufen können – ein struktureller Wandel in der Wohnbaupolitik ist das nicht.

… als in Wien-Alterlaa. (Foto: CC BY-SA 4.0 Thomas Ledl)

Die einzige Forderung, die sich zumindest teilweise mit dem Mietmarkt beschäftigt, ist jene, mit öffentlichen Geldern 1.500 Wohnungen auf dem privaten Markt zu erwerben. Das wäre „im Sinne einer nachhaltigen Wohnungsbaupolitik nach Wiener Vorbild, bei der die öffentliche Hand einen Teil des Wohnungsmarktes besitzt bzw. verwaltet und somit Einfluss auf die Verkaufs- und Mietpreise erhält.“ In Luxemburg wird die Wiener Wohnbaupolitik des 20. Jahrhunderts so gerne als angebliches Vorbild zitiert, dass das „Wiener Modell“ zur leeren Worthülse geworden ist.

Zwischen dem Ankauf von privat errichteten Wohnungen – eine Art „Bankenrettung“ für den Immobiliensektor – und dem Errichten, Verwalten und Vergeben von sozialen Wohnbauten gibt es gewaltige Unterschiede. Den Markt, vielmehr die Investor*innen, interessieren die Bedürfnisse der späteren Bewohner*innen nicht. Es zählt nur, möglichst viel Profit zu machen. Wer sich die Anzeigen auf Immobilienportalen anschaut, merkt schnell, dass mit der wenig vorhandenen Fläche oft verschwenderisch umgegangen wird – weil ein Penthouse mit zwei Terrassen sich teurer verkaufen lässt als eine Wohnung für eine vierköpfige Familie. Staatliche, kommunale und gemeinnützige Bauträger könnten Wohnraum anders planen: nachhaltig, flexibel, nicht auf den Individualverkehr ausgerichtet und auf die menschlichen Bedürfnisse zugeschnitten.

Es ist bezeichnend, dass die vier Jugendparteien sich nicht darauf verständigen konnten, eine Nachbesserung der Mietpreisbremse zu fordern.

Ein anderes – kommunal gefördertes – Vorzeigeprojekt aus Wien ist der Wohnpark Alterlaa. In den 1970er-Jahren ist auf 20 Hektar eine regelrechte Satellitenstadt entstanden, die rund 9.000 Bewohner*innen Platz zum Wohnen sowie Freizeiteinrichtungen, Bildungsstätten und Einkaufsmöglichkeiten bietet. Die großen Wohnpyramiden verfügen alle über einen Swimmingpool auf dem Dach. Und das Vorzeigeprojekt des Luxemburger Wohnbaus? Auf 34 Hektar wird „Wunnen mat der Wooltz“ nur 2.500 Personen ein Dach über dem Kopf bieten. Natürlich wären die großen Wohntürme, die Architekt Harry Glück nach dem Motto „Wohnen wie Reiche, auch für Arme“ plante, in Luxemburg vielen ein Dorn im Auge. Vor der Erbauung wurden die Pläne für Alterlaa scharf kritisiert, heute will kaum ein*e Bewohner*in noch dort ausziehen. Statt zu klotzen, kleckern wir in Luxemburg nur: Die triumphierenden Pressemitteilungen über die wenigen eingeweihten Sozialwohnungen lesen sich angesichts des Ernsts der Lage wie Satire.

Wie ihre Mutterparteien fokussieren sich die Jugendparteien auf den Kauf von Immobilien: Die Steuern auf den „Erstkauf“ sollen günstiger werden, der Staat soll die Garantien für Immobilienkredite erhöhen. Das ist alles Wohnbaupolitik für die Mittelschicht und aufwärts, die aber nichts an den horrenden Mieten in Luxemburg ändern wird. Es ist bezeichnend, dass die vier Jugendparteien sich nicht darauf verständigen konnten, eine Nachbesserung der Mietpreisbremse zu fordern. Obwohl es seit Jahrzehnten eine Krise auf dem Wohnungsmarkt gibt, scheint in den großen Parteien niemand ein systematisches Umdenken zu wollen. Zu groß ist offenbar die Angst, es sich mit den eigenen Wähler*innen zu verscherzen.


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