Die im Dezember vorgestellte Aktiengesellschaft BlocHome will den Einstieg in den Immobilienmarkt erleichtern: Wer tausend Euro übrig hat, kann sich in ein Gebäudenetzwerk einkaufen. Zeigt das Projekt Wege aus der Wohnungskrise auf?
Manche kaufen ihr Brot in Scheiben, andere ihre Immobilien – zumindest ist das seit 2021 in Luxemburg möglich: Die Aktiengesellschaft BlocHome ermöglicht Investor*innen, Anteile an seinem Gebäudenetzwerk zu kaufen und so zu Miteigentümer*innen zu werden. In Luxemburg sollen bis zu 3.000 Wohneinheiten entstehen, im Idealfall werden diese durch Gebäude im Ausland ergänzt. Der Mindestbetrag für Investitionen liegt bei 1.000 Euro. Transferkosten oder die Aufnahme eines Bankkredits entfallen. Der Kaufprozess ist digitalisiert: Er läuft über eine Blockchain und Token. Hinter dem Projekt stecken Jean-Paul Scheuren, Präsident der Chambre immobilière, sowie fünf weitere Akteure aus der Branche.
Bisher ist ein Pilotprojekt geplant: die Clapton Residence in Zessingen, ein Gebäude mit acht Wohneinheiten zwischen 97 und 35 Quadratmetern. Wer einziehen darf, bestimmt die Geschäftsführung. Ende 2022 beginnt die Bewerbungsphase. Zuerst werden die Aktionär*innen angeschrieben, die sich bei Interesse für eine Wohnung bewerben können. Diejenigen, die am längsten in das Projekt investieren, haben den Vortritt. Andere Kriterien gibt es derzeit nicht. Der investierte Betrag spielt bei der Auswahl keine Rolle, versichert Jean-Paul Scheuren der woxx.
„Die Gemeinschaft, die so zustande kommt, entscheidet über die Höhe der Miete“, sagt er. „Die Preise sollen sich am Markt orientieren.“ 2020 lag Luxemburg-Stadt nach dem Deloitte Property Index mit durchschnittlich 30,72 Euro pro Quadratmeter in Sachen Miete an der Spitze der analysierten europäischen Städte aus 23 Ländern. Die Mietpreise in Zessingen fallen also voraussichtlich hoch aus.
Die Wohnungen, die übrig bleiben, werden von der Aktiengesellschaft zu gängigen Mietpreisen an interessierte Personen vermietet. Meldet die Gesellschaft Eigenbedarf an, tritt für sie das Mieterschutzgesetz in Kraft. Die Bewohner*innen müssen nicht zwangsläufig Anteile an BlocHome kaufen, werden aber dazu ermutigt. Mieter*innen, die sich an dem Projekt beteiligen, haben Vorteile: Der Investitionsertrag wird ihnen von der Miete abgehalten. Da dieser je nach Anteilen variiert, schweben Scheuren auch andere Ideen zur Reduzierung der Miete vor: „Wenn jemand seine Miete durch soziales Engagement oder das Erledigen von Gartenarbeit reduzieren möchte, sollte auch das möglich sein. Die Wohngemeinschaft entscheidet, was ihr das Wert ist.“
Auf der Website von BlocHome ist von diesem Gemeinschaftsgedanken wenig zu sehen. Für Scheuren dient der Auftritt im Netz dazu, die eigentliche Vision – nämlich die, eine Gemeinschaft herzustellen und die Grenze zwischen Vermieter*innen und Besitzer*innen zu verwischen – nur anzureißen. Gleichzeitig räumt er ein, dass es sich bei BlocHome primär nicht um ein soziales Wohnprojekt handelt. Es richtet sich an Menschen, die in den Immobilienmarkt einsteigen wollen, und nicht über die Mittel verfügen, sich ein Eigenheim zu leisten. „Für einen Bankkredit zum Immobilienerwerb sind zwanzig Prozent Eigenkapital fällig – das haben viele Menschen nicht mehr“, sagt Scheuren.
Kollektiv oder Spielwiese für Investor*innen?
Er gibt an, dass bisher viele junge Menschen in das Projekt investiert haben. Im Schnitt legen sie 6.000 Euro auf den Tisch, viele aber auch nur den Mindestbetrag. Große Investor*innen gibt es, wenn auch nur wenige. Der höchste Betrag, den BlocHome bis dato erhielt, beträgt 50.000 Euro. Die Interessen der Anteilhaber*innen vertritt ein Comité d’aquistion, das im Zuge einer Generalversammlung gewählt wird. Alle BlocHomer*innen können kandidieren. Dieses Komitee hat ein Veto-Recht, wenn es um den Erwerb neuer Gebäude durch das Management, das aus den Gründern besteht, geht. Das Mitspracherecht wächst, wie in jeder Aktiengesellschaft, mit den erkauften Anteilen. „Natürlich haben die Hauptaktionäre mehr Entscheidungskraft. Großinvestoren gibt es unter unseren 140 Aktionären jedoch wenige“, versichert Scheuren.
Er nennt BlocHome ein Beispiel zirkulärer Wirtschaft, weil die Token nur innerhalb der Gemeinschaft verkauft werden können. Ihr Wert steigt im Laufe der Jahre, gemäß den Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt. „Ohne Mehrwert wären die Personen, die in BlocHome investieren, in dem System gefangen“, sagt er. „Wir wollen ihnen hingegen ermöglichen nach Belieben aus dem Projekt auszusteigen und sich durch den Verkauf ihrer Anteile im besten Fall etwas auf dem privaten Immobilienmarkt leisten zu können.“
Er weist den Vorwurf ab, dass dieses Konzept eines der Hauptprobleme der Wohnungskrise in Luxemburg fördert: die Spekulation mit Immobilien, durch die die Wohnungspreise steigen. „Die Wohnungskrise ist nicht den Investoren geschuldet, sondern dem mangelhaften Angebot an bezahlbaren Mietwohnungen. Luxemburg hat das in den letzten fünfzig Jahren versäumt“, verteidigt Scheuren das Projekt.
Es gebe in Luxemburg und in Europa vor allem ein Problem mit sozialem und bezahlbarem Wohnraum. „Nur zwei bis drei Prozent der Wohnräume in Luxemburg sind staatlich subventioniert“, sagt er. „Der restliche Immobilienmarkt orientiert sich am hohen Mittelstand.“ In diesem Segment des Immobilienmarkts sei die Lage eindeutig angespannt. „Der soziale Wohnungsbau wurde zum Staatsmonopol erklärt und der Staat legt sich selbst Steine in den Weg, die den Bau der betreffenden Wohnungen verhindern.“ Der Privatsektor habe seine Hilfe mehrfach angeboten, doch die Gespräche seien im Sand verlaufen. „Ich lasse mir deswegen nicht mehr sagen, dass der Privatsektor Schuld daran ist, dass es Luxemburg an subventioniertem Wohnraum fehlt.“
Am Donnerstag präsentierte das Ministerium für Wohnungsbau zwei Gesetzesprojekte zur Reform der Finanzierung des bezahlbaren Wohnraums und individueller Wohnungsbeihilfen. Die Dokumente lagen der woxx vor Redaktionsschluss nicht vor – ob die Zusammenarbeit mit privaten Akteur*innen in den Gesetzesprojekten angedacht ist, war zu dem Zeitpunkt also unbekannt. Lösungsvorschläge und die Nachfrage sind laut Scheuren vorhanden. Der Staat müsse nur das Gespräch mit privaten Wohnbauträger*innen suchen und sie beim Bau von subventionierten Wohnräumen unterstützten.
An der Armutsgrenze vorbei
„Wir wollen denjenigen eine Alternative bieten, die am Monatsende etwas beiseitelegen und einmalig 1.000 Euro investieren können“, betont Scheuren gegenüber der woxx. Der untere Mittelstand werde aus dem Eigentum herausgedrängt und BlocHome sei eine klare Antwort auf dieses Problem. „Eigentum ist die sicherste Altersvorsorge – und deswegen ist es wichtig, Möglichkeiten zu schaffen, um in den Markt einzusteigen“, sagt er.
Für Menschen an der Armutsgrenze sind 1.000 Euro allerdings kein Betrag, den sie problemlos ansparen können. Auch Personen ohne Einkommen oder finanzielle Rücklagen können sich kaum an BlocHome beteiligen. Dabei sind sie es, die mit am meisten unter den steigenden Immobilienpreisen und Voraussetzungen für Mietverträge, wie etwa ein unbefristeter Arbeitsvertrag oder ein hohes Mindesteinkommen, leiden. „Wir wissen, dass wir die Wohnungsnot von Menschen an der Armutsgrenze nicht lösen“, gesteht Scheuren. „Menschen an der Armutsgrenze müssen der Staat und ASBLs helfen. Das geht definitiv nicht ohne Subventionen, da nicht nur Wohnungen angeboten werden müssen, sondern ein komplettes sozialisierendes Umfeld.“
Er führe zurzeit jedoch Gespräche, um das Modell BlocHome gemeinsam mit privaten Akteur*innen in Richtung bezahlbarer Wohnraum auszubauen. Gemeint sind Heliosmart und die Umsetzung des Mietkauf-Modells der Chambre immobilière, das laut einem Artikel im Lëtzebuerger Land schon 2011 entstanden ist. Heliosmart setzt auf erschwingliche Preise, nachhaltige Baumaterialien und Kreislaufwirtschaft. Im Mietkauf-Modell zahlen die Mieter*innen zehn Jahre lang eine Miete, die 75 Prozent unter dem Marktpreis liegt. Nach Ablauf dieser Zeit können sie das Objekt kaufen oder in eine andere vergünstigte Wohnung umziehen.
Für wen sich BlocHome in seiner jetzigen Form bezahlt machen wird, muss sich zeigen. Der soziale Hintergedanke des Projekts steht und fällt mit der Zusammensetzung der Investor*innen, genauso wie die Entstehung einer Gemeinschaft. Anfangs wird es jedenfalls deutlich weniger BlocHome-Wohnungen als -Eigentümer*innen geben. Für wen der Erwerb oder die Anmietung einer Immobilie nicht bloß eine Geldanlage, sondern eine Notwendigkeit darstellt, ist das Projekt deshalb noch keine Lösung.