Der portugiesische Rekordmeister Benfica Lissabon sorgte mit seinem Gastauftritt gegen F91 Düdelingen für ein volles Haus und Volksfeststimmung. Nach dem mageren 1:0 träumen die Fans des legendären Clubs weiter vom Ruhm vergangener Tage.
„Ich lebe seit vielen Jahren mit meiner Familie in Luxemburg. Hier gefällt es mir. Aber eines muss ich sagen: Gut Fußball spielen können die Luxemburger nicht.“ Jorge zeigt stolz auf seinen rot-weißen Schal mit dem Schriftzug seiner Lieblingsmannschaft: Benfica Lissabon. Jede Woche verfolgt er übers Radio oder vor dem Fernseher, wie der portugiesische Rekordmeister gespielt hat. Und wie viele seiner Landsleute ist der Portugiese am vergangenen Samstag zum Stadion „Josy Barthel“ gezogen, um sein Team endlich mal wieder live zu sehen.
Gewiss, die großen Tage von Benfica Lissabon liegen weit zurück: Anfang der 60er Jahre sorgte die Mannschaft um den Mosambikaner Eusébio europaweit für Furore, als sie zwei Mal den Europapokal der Landesmeister an den Tejo holte; unvergessen und ein Teil der Fußballgeschichte ist jenes legendäre 5:3 von Benfica gegen Real Madrid aus dem Jahr 1962, als die Lissabonner gegen die Königlichen einen 0:3-Rückstand aufgeholt hatten.
In den 80er Jahren gelang dem Traditionsverein ein kurzes Comeback an die europäische Spitze. Doch nach der Finalniederlage gegen PSV Eindhoven verschwand Benfica selbst in der portugiesischen Liga im Schatten des in den vergangenen 15 Jahren weitaus erfolgreicheren FC Porto. Auch wenn die „große alte Dame“ des portugiesischen Fußballs nach wie vor Stars aus dem In- und Ausland anlockt, ist der Ruhm von einst allmählich abgeblättert. Der jüngste Versuch, international wieder den Anschluss zu finden, wurde mit der Verpflichtung des spanischen Ex-Nationalcoachs José Camacho unternommen. Der Erfolg hält sich bisher in Grenzen: Während die beiden Clubs aus Porto, FC und Boavista, sich im UEFA-Pokal drauf und dran machen, erstmals ein europäisches Endspiel unter zwei Teams aus einer Stadt auszumachen, tingelt Benfica ein Jahr vor dem hundertsten Vereinsgeburtstag durch Europa, um Freundschaftsspiele zu Ehren der portugiesischen „GastarbeiterInnen“ zu absolvieren.
„Natürlich hätte ich Benfica lieber in der Champions League gesehen. Aber dann wären sie heute nicht hier“, sagt einer der Fans während der Fahrt zum Spiel. Zumindest eines hat das von „Aguias Boavista Luxembourg“ organisierte Gala- Match jedenfalls erreicht: Die AnhängerInnen der unterschiedlichen portugiesischen Vereine haben für einen Abend ihr Kriegsbeil begraben, so dass nicht nur die dominierenden Farben Rot und Weiß von Benfica auf den Rängen auszumachen sind, sondern auch die des Lissabonner Stadtrivalen Sporting und des verhassten FC Porto. Alt und Jung sind gekommen, um Benfica zu sehen, PortugiesInnen und KapverdianerInnen, alle vereint. Und trotzdem werden alte Rivalitäten gepflegt, denn die beiden Metropolen Lissabon und Porto stehen immer noch für zwei verschiedene Weltanschauungen. Zwischen den SchlachtenbummlerInnen kommt es zu den unvermeidlichen Neckereien. Einer aus Porto zieht stolz sein kommunistisches Parteibuch aus der Tasche, so als wolle er beweisen, dass seine Geburtsstadt die Wiege der portugiesischen Arbeiterklasse sei. Bei den oft wegen ihrer angeblichen Hochnäsigkeit gescholtenen Hauptstädtern erntet er damit nur Spott.
Häme haben die portugiesischen Fans auch für den Gegner des Freundschaftsspiels übrig: Wer ist schon F91 Düdelingen? Für die Benfica-AnhängerInnen ist der luxemburgische Meister nur eine winzige graue Maus, die es vorzuführen gilt. Als hätten sie eine Rechnung zu begleichen, fordern die PortugiesInnen nicht nur einen Sieg ihrer Mannschaft, sondern eine Demonstration der hohen Fußballkunst. Die Teams der portugiesischen ImmigrantInnen dürfen bekanntlich nicht an der luxemburgischen Meisterschaft teilnehmen und haben deshalb ihre eigene Liga – eine „Liga fantasma“, wie sie Mario da Costa Martins von „Aguias Boavista“ nennt. Die PortugiesInnen sehen darin einen guten Grund, den einheimischen LuxemburgerInnen endlich zu zeigen, wer das Fußballspielen beherrscht und wer nicht. So fühlt man sich im Stadion auch geradezu in die portugiesische Liga versetzt: Das „Stade Josy Barthel“ ist mit knapp 9.000 ZuschauerInnen erstmals seit Jahren wieder ausverkauft und dabei fest in portugiesischer Hand. Als die Mannschaftsaufstellung von Benfica verlesen wird, brandet Jubel auf, und als zum ersten Mal „la Ola“ durchs Stadionrund schwappt, weht ein Hauch aus dem Lissabonner Fußballtempel „Estado da Luz“ mit.
Elan bleibt in der Kabine
Die Profis aus Portugal zeigen gleich nach dem Anpfiff, in welche Richtung es gehen soll: in die des Düdelinger Tors. Alles scheint nach Plan zu laufen, als der Kroate Sokota nach einer Flanke von Cabral per Kopfball das 1:0 für Benfica erzielt. Auch in der unmittelbaren Folge sieht es ganz nach einem Spaziergang der schwarz gekleideten Gäste aus. Sim°o wirbelt durch die Düdelinger Abwehrreihen und ist nur schwer zu bremsen. Doch bald ist die Luft raus aus dem Lissabonner Spiel. Immer besser hält der F91 mit. Vorne weg Stéphane Martine: Der 25-jährige Franzose mit den blond gefärbten Haaren setzt sich zunehmend in Szene. In der 41. Minute legt er vor auf Joaquim Machado, der mit einem satten Schuss die Querlatte trifft.
Nach der Pause scheint der Tabellenzweite der portugiesischen Liga den Elan gänzlich in der Kabine gelassen zu haben. Seine spärlichen Angriffsbemühungen werden von der gut gestaffelten Luxemburger Verteidigung im Keim erstickt. Torchancen bleiben Mangelware. Das Publikum reagiert mit Pfiffen auf die klägliche Darbietung der Profis. Auch die Einwechslung des slowenischen Nationalspielers Zlatko Zahovic bringt keinen neuen Schwung: Aus dem lusitanischen Sturm ist längst ein laues Lüftchen geworden, während F91-Trainer Carlo Weiß seine Spieler für ihre starke Leistung lobt: Einen Unterschied zwischen Amateuren und Profis habe er nicht ausmachen können.
Benfica trat zwar ohne seine beiden Stars Nuno Gomes und Helder an. Gleichwohl hatte das Publikum ein Torfestival erwartet aber es bekam einen hausbackenen Kick geboten. Doch wie auch immer: Der eingefleischte Fußball-Fan Jorge und seine Freunde erlebten ein kleines Volksfest, an dem LuxemburgerInnen (wenn auch in Unterzahl) und PortugiesInnen gleichermaßen teilgenommen haben. Und hätte nur der Ball nach dem Schuss des Portugiesen Machado in der 41. Minuten den Ball über die Linie gefunden: Es wäre ein Tor mit Symbolcharakter gewesen, wenn ein Portugiese aus Luxemburg „die große alte Dame“ blamiert hätte.
Stefan Kunzmann