VERKEHRSPOLITIK: Mogelpackung Verschrottungsprämie

Statt Klimawandel und Wirtschaftskrise mit einem nachhaltigen Konjunkturprogramm grundsätzlich anzugehen, wird lieber der Autoindustrie unter die Arme gegriffen.

Ob das Auto irgendwann der Vergangenheit angehört? Zu einem Denkmal der Automobilindustrie hat dieser Künstler die Autos geschichtet.
„Carhenge“ in Alliance, Nebraska, 1987 installiert von Jim Reinders.

Immobilienkrise, Finanzkrise, Krise der Realwirtschaft. Die Krise scheint allgegenwärtig. Die Bezeichnung einer Krisenerscheinung hat es nun zumindest bei unseren deutschen Nachbarn gar zum Titel „Unwort des Jahres 2008“ gebracht: „notleidende Banken“. Ein Begriff, der das Verhältnis von Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise auf den Kopf stellt, indem er die eigentlichen Mitverursacher – nämlich die Banken – zu Opfern stilisiert.

Auch in der Automobilindustrie wirkt sich derweil die Wirtschaftskrise vermehrt aus. An fast allen europäischen Märkten ist der Autoverkauf im vergangenen Herbst eingebrochen. Neuwagen werden zu Ladenhütern. Auch die monatlich veröffentlichten Zahlen des deutschen Kraftfahrt-Bundesamtes bezüglich der Neuzulassungen in Deutschland lassen auf einen Abwärtstrend schließen. Bereits im November wandte sich die deutsche General-Motors-Tochter Opel an die Bundesregierung; wie die „Süddeutsche Zeitung“ diese Woche berichtete, soll ab März eine staatliche Bürgschaft über 1,8 Milliarden Euro das Überleben des Unternehmens garantieren.

Während die Konsumenten also einen großen Bogen um die Autohäuser machen, Hersteller mit Produktionspausen und Zulieferer auch hierzulande – wie etwa Goodyear Luxemburg – mit Kurzarbeit reagieren – will die großherzogliche Automobilbranche dennoch optimistisch ins Jahr 2009 blicken. Allen Katastrophenszenarien zum Trotz gehen die in den Verbänden Adal und Fégarlux zusammengeschlossenen Neuwagenhändler von einem erfolgreichen 45. Autofestival aus.

„Trotz eines nicht ganz freundlichen wirtschaftlichen Umfeldes hat es die Luxemburger Automobilbranche geschafft, im letzten Jahr mit einem blauen Auge davonzukommen“, meinte Fégarlux-Präsident Ernest Pirsch Anfang der Woche bei der Vorstellung des Festivals, das vom 31. Januar bis zum 9. Februar in den rund 200 Autohäusern des Landes stattfindet. So seien die Verkaufszahlen von Neuwagen im vergangenen Jahr gegenüber 2007 praktisch gleich geblieben. Es sei sogar ein leichtes Plus zu verzeichnen gewesen. „Wir hoffen trotz aller wirtschaftlichen Unvorhersehbarkeiten dieses Niveau auch 2009 halten zu können“, so Pirsch. Deshalb begrüße er die rezenten Maßnahmen des Umwelt- und Transportministeriums – Maßnahmen, die, so Pirsch, „den Faktor Wirtschaft mit dem Faktor Umwelt nützlich verbinden“.

„Die aktuelle Krise ist eine Chance für ökologische Investitionen und für den Umbau.“

Gerade diesen Spagat zwischen Umwelt- und Automobilinteressen versucht Transportminister
Lucien Lux zum Autofestival jedes Jahr aufs Neue. So wurden bereits einige Maßnahmen eingeleitet, um den nationalen Fuhrpark auf klimaverträglichere Autos umzustellen: Seit dem 1. Januar 2007 gibt es eine je nach CO2-Ausstoß gestaffelte Autosteuer sowie den Kyoto-Cent, eine Einnahme an den Zapfsäulen, die beide in den Kyoto-Fonds fließen. So will Luxemburg seinen Klimazielen näher kommen. Daneben gibt es seit 2007 auch eine Fördermaßnahme, eine Prämie von 750 Euro für sparsame Neuwagen.

Als weiteres Teil im CO2-Puzzle der Regierung kam dieses Jahr die so genannte „CARe plus“-Prämie hinzu. Das ist eine Verschrottungsprämie, die den Kauf umweltfreundlicherer Neuwagen subventionieren – aber auch der gebeutelten Autoindustrie unter die Arme greifen soll. Bei den vorgesehenen Mitteln für diese Abwrackprämie, die das ganze Jahr 2009 über gilt, wurde nicht gekleckert: Rund zehn Millionen Euro aus dem Klimaschutzfonds will die Regierung für „CARe plus? zur Verfügung stellen. Zehn Jahre oder mehr muss ein Gefährt auf dem Buckel haben, damit dessen Besitzer in den Genuss der Prämie kommt. Ungefähr 16 Prozent – 52.000 Autos – erfüllen laut Verkehrsminister Lucien Lux dieses Kriterium. Ausgezahlt wird eine Prämie von 1.500 Euro, wenn im Gegenzug für das Altauto ein Wagen mit einem Ausstoß von weniger als 150 Gramm CO2 je Kilometer erworben wird. Beim Kauf eines Wagens, der weniger als 120 Gramm CO2 je Kilometer verbraucht, kann der Antragsteller gar 2.500 Euro in Empfang nehmen.

Die Verschrottungs-prämie soll den Kauf neuer Fahrzeuge attraktiv machen – rechtzeitig zum Autofestival.

„Die aktuelle Krise ist eine Chance für ökologische Investitionen und für den Umbau“, so der Minister. Das Credo „immer mehr“ sei in Frage gestellt und die neue Prämie stelle einen substanziellen Beitrag für umweltfreundlichere Autos dar, glaubt der Minister.

Bei näherem Hinsehen jedoch erweist sich die „CARe plus“-Prämie vor allem als ein Werbe-Coup der Regierung im Sinne der Automobilbranche. Denn letztlich kommen nicht viele in den Genuss der Regierungshilfe: Nur wenn das alte Auto weniger wert ist als die gebotenen 1.500 Euro, ist ein Anreiz zur Verschrottung gegeben. Zudem werden auch jene ohne feste Arbeit oder mit geringem Einkommen kaum von der Prämie profitieren, da sie sich den Kauf eines Neuwagens gar nicht leisten können.

Entlastung fürs Klima bringt die Verschrottungsprämie dagegen kaum – das monieren insbesondere Umweltorganisationen. So rechnet etwa Greenpeace vor (http://www.greenpeace.de), dass die Kosten pro vermiedene Tonne CO2-Emission im Vergleich zu anderen Klimaschutzmaßnahmen sehr hoch sind.

Auch der Mouvement Ecologique kritisierte diese Woche bei der Vorstellung seines nachhaltigen, sozial-ökonomisch orientierten Konjunkturprogramms die Verschrottungsprämie. „Die Prämie ist aus mehreren Gründen unsinnig“, meint Blanche Weber, Präsidentin des Mouvement. Die Abwrackprämie sei kein Gewinn für die Umwelt, da der Bau eines Neuwagens mit hohen Ressourcen- und hohem Energieeinsatz verbunden sei. „Ökobilanzen im Ausland haben gezeigt, dass sich der Ersatz eines Gebrauchtwagens nicht vor zwölf Jahren rechnet“, so Weber. Auch ohne Umweltschutzgelder sinnlos zu verschleudern, habe sich der Fuhrpark Europas nach und nach modernisiert. Autos, die älter als zehn Jahre sind, würden ohnehin nach und nach ersetzt. „Die zehn Millionen Euro könnten an anderer Stelle viel wirksamer eingesetzt werden – etwa im Bereich des öffentlichen Transports“, meint Weber. So bleibt die Verschrottungsprämie vor allem ein wirtschaftlicher Anreiz, um den Kauf neuer Fahrzeuge attraktiver zu machen – gerade rechtzeitig zum Autofestival. Schockiert zeigt sich der Mouvement darüber, dass AntragstellerInnen noch für Autos, deren Verbrauch bei 150 Gramm CO2 je Kilometer liegt, Prämien kassieren können. „Diese Emissionskategorie ist Standard und kein Top-Umweltprodukt?, so Blanche Weber. Die Verschrottungsprämie sei eine weitere Ausgabe im Sinne des Individualverkehrs.

Insgesamt scheinen Interventionen zugunsten der Autoindustrie wenig sinnvoll, da sie dazu beitragen, den bisherigen Kurs der weltweiten Automotorisierung unverändert fortzusetzen, statt über die Frage einer zukunftsfähigen Mobilität nachzudenken. Zwar ist es sicher besser, wenn Verbraucher das jeweils umweltverträglichste Auto kaufen. Doch auch wenn die Autoindustrie – teilweise mit enormer Verspätung ? versucht, mittels alternativer Antriebstechnologien den Weg aus ihrer schweren Krise zu finden, bleibt ein langer Weg, bis etwa Elektroautos breiten Markterfolg haben können. Vorerst sind die Batterie-Autos noch zu teuer und haben eine zu geringe Reichweite.

Somit erscheint eine alternative Mobilitäts- und Transportpolitik nach wie vor am nachhaltigsten. Investitionen müssten Aspekte wie dezentrale Arbeits- und Wohnsituationen, die in Reichweite zueinander liegen, begünstigen und auf diese Weise die nicht motorisierten Verkehrsarten (Zufußgehen und Radfahren) und öffentliche Verkehrsträger (Bahn, Tram, Carsharing) fördern. Damit wird zugleich ein weiteres Problem angepackt, denn auch die Erdölknappheit macht längerfristig ein Umdenken unumgänglich.


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