Game-Rezension: Roadwarden

Kaum ein Genre beschäftigt sich so sehr mit Aussteiger*innen wie Fantasy-Rollenspiele. Roadwarden ist hier keine Ausnahme – einen ganzen Sommer lang können wir die virtuelle Einöde erkunden.

(Screenshot: Moral Anxiety Studio/ Assemble Entertainment)

Die meisten Rollenspiele beginnen mit der Charaktererstellung. Welche Art von Held*in will ich verkörpern, welche Fähigkeiten könnten mir bei meinem Abenteuer helfen? Roadwarden hält sich mit solchen Fragen nicht auf, sondern will zuallererst eine Bestätigung: Bist du wirklich bereit, die Sicherheit der Stadt zu verlassen und einen Sommer auf einer kaum bewohnten Halbinsel fernab der Zivilisation zu verbringen?

Die Frage ist rein rhetorisch. Wer sich noch etwas Bedenkzeit erbittet, landet zurück im Hauptmenü des Spiels. Wer sie bejaht, wird sogleich mit der Ankunft auf der Halbinsel konfrontiert. Ein schäbiges Fort, lediglich von zwei Soldat*innen bewacht – ein deutliches Zeichen, dass wir im sprichwörtlichen Hinterland angekommen sind. Wir sind der*die neue Roadwarden. Das ist nicht wirklich ein offizieller Titel, sondern mehr eine Berufsbezeichnung für Menschen, die als professionelle Abenteurer*innen in einem bestimmten Landstrich für Ordnung sorgen.

Geschickt wird unsere*r Held*in von der Handelsgilde in der weit entfernten Stadt. Die würde liebend gerne wieder Handel mit den wenigen Dörfern auf der Halbinsel treiben, aber dafür müssen die Straßen frei von Ungeheuern und Dieb*innen sein; und vor allem müssen die Dörfer ihre Waren überhaupt verkaufen wollen. Die Aufgabe, die Dorfobersten davon zu überzeugen, Handel mit der Stadt zu treiben, ist aber nicht der Hauptantrieb unserer Figur: Den suchen wir selbst aus. Haben wir ein Familienmitglied, das Geld für kostbare Medizin braucht, oder suchen wir selbst ein neues Leben in der Wildnis? Im Laufe des Spielverlaufs gilt es, diese Frage zu beantworten und entsprechend zu handeln.

Freelance Abenteurer*in

Die Arbeit als Roadwarden ist auf den ersten Blick unkompliziert: Man bereist die bewohnten Ortschaften auf der Halbinsel und erledigt Aufgaben für ihre Bewohner*innen. Die können von einfacher Tagelöhnerei über Botschaften bis hin zu längerfristigen Missionen reichen. Außerdem kümmert man sich im Besten Fall auch darum, dass die Straßen frei von größeren Hindernissen sind und nicht zu viele wilde Tiere auf ihnen nach Beute suchen. Wie man in den verschiedenen Ortschaften empfangen wird, hängt auch davon ab, wie man auf die Leute zugeht.

Die Grafik bei Roadwarden beschränkt sich auf einige Illustrationen. Durch die guten Texte ist das Spiel dennoch hochgradig immersiv. (Screenshot: Moral Anxiety Studio/ Assemble Entertainment)

Vor allem bei ersten Begegnungen hat Roadwarden ein System, bei dem man auswählen kann, wie man rüberkommen möchte: Freundlich, mit einem Witz auf den Lippen, neutral, drohend oder verzweifelt. Wie dies ankommt, hängt auch vom Gegenüber ab. Zum Glück gibt es in vielen Gesprächen Hinweise darauf, welche Menschen eher humorvoll sind oder auf Drohungen schlecht reagieren. Zum ersten Eindruck gehört aber auch das eigene Aussehen: Ist die Spielfigur ungewaschen und blutverschmiert, wird sie womöglich keinen so guten Eindruck machen.

Da man als Roadwarden zu Pferd unterwegs ist, sind die Distanzen auf der Halbinsel nicht so gewaltig; die meisten Orte nur einen Tagesritt voneinander entfernt. Ziel ist es nicht nur, die Gegend zu erkunden, sondern auch Beziehungen zu den Menschen aufzubauen. Erst, wenn sie dem Roadwarden vertrauen, öffnen sich weitere Möglichkeiten, um mit ihnen über die Geheimnisse der Halbinsel zu reden. Gleichzeitig gibt es auch Aktionen, die manche Türen für immer schließen: Wer sich gegen den Willen einer Dorfgemeinschaft stellt, wird sich im Nachhinein erklären müssen – oder vor verschlossenen Pforten stehen. Obwohl man als Spieler*in eine Person verkörpert, die dem Stadtleben den Rücken gekehrt hat, muss man sehr viel mit anderen Menschen kommunizieren. Auch das zeigt: Ein Leben in der Wildnis, in vermeintlicher Freiheit, ist zwar möglich, aber wenn man am Ende des Tages ein Bad nehmen oder auch nur unter einem Dach schlafen will, ist menschliche Gemeinschaft oft unabdingbar.

Illustriert und text-basiert

Moral Anxiety Studio bezeichnet sein ihr Spiel selbst als ein „illustriertes, text-basiertes Rollenspiel“. Die Illustrationen sind in 8-Bit-Pixelgrafik und vollständig in Brauntönen gehalten. Der Text ist zur besseren Lesbarkeit jedoch nicht in einer Pixelschrift gesetzt, Purist*innen können diese jedoch in den Einstellungen einschalten. Obwohl es kaum Animationen gibt, vermitteln die Bilder einen lebhaften Eindruck der Welt, in der sich Roadwarden abspielt. Der wird durch die Geräusche und Musik noch verstärkt.

(Screenshot: Moral Anxiety Studio/ Assemble Entertainment)

Roadwarden ist trotzdem immersiv, denn es ist gut und stimmungsvoll geschrieben. So fällt es leicht, sich auf der wilden Halbinsel mit ihren verschiedenen Dörfern, Wäldern, Klöstern und zurückgezogenen Gemeinschaften zu verlieren. Schwieriger ist es, den Überblick zu behalten: Welcher Charakter sucht nochmal eine*n passende*n Partner*in? Wem hatte ich versprochen, bei der Jagd auf einen riesigen Vogel zu helfen? Und wo lebt nochmal die Hexe, für die ich eine Aufgabe erledigt habe? Zum Glück gibt es ein Menü, das sämtliche Personen, Orte und Missionen auflistet und so als Erinnerungsstütze dient. Doch man sollte sich nicht nur darauf verlassen: Nicht jede wichtige Information wird automatisch dort notiert. So kann es schon mal vorkommen, dass man endlich erfährt, wie ein bestimmtes magisches Ritual abläuft – diese Information jedoch verloren ist, wenn man sie sich nicht merkt oder notiert.

Als eins von wenigen Spielen hat Roadwarden einen Accessibility-Modus für Gehörlose und Schwerhörige. Dadurch werden Geräusche, die sonst nur hörbar wären, zusätzlich im Text beschrieben. Wer sich voll und ganz auf die Geschichten der Halbinsel konzentrieren will, kann die Schwierigkeit vor Spielstart heruntersetzen. Dadurch kann man sich mehr Spieltage verschaffen oder das Zeitlimit komplett abschalten. Auch andere Startbedingungen, wie etwa Ausrüstung und mitgebrachtes Geld, lassen sich anpassen. Roadwarden eignet sich also auch für Menschen, die nicht viel Erfahrung mit Videospielen haben.

Auf Steam und GOG, für Windows, Linux und Mac. Ca. 11 Euro.

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