Paul Helminger, Bürgermeister der Stadt Luxemburg, nimmt im woxx-Gespräch Stellung zur „cité judiciaire“, für die er einen Alternativstandort vorschlägt.
woxx: Welches sind die Hauptbedenken der Stadt Luxemburg hinsichtlich des Projektes einer „cité judiciaire“ auf dem Heilig-Geist-Plateau?
Paul Helminger: Wir teilen zum großen Teil die Sorgen, die jetzt auch die UNESCO zum Ausdruck gebracht hat. Da wir selber nicht über die nötige Kompetenz verfügen, haben wir von Anfang an darauf gedrängt, entsprechende Gutachten einzuholen. Es ist bedauerlich, dass das Vorhaben so lange vorangetrieben wurde, ohne dass mit der UNESCO Rücksprache gehalten wurde.
Das ursprüngliche Projekt bedeutet einen wesentlichen Eingriff in die Silhouette der Festungsstadt Luxemburg. Von den mächtigen Felsen mit den Garnisonsgebäuden geht es in einer Art Crescendo an der Corniche entlang hoch zur Kathedrale und zum großherzoglichen Palais. Diese bilden gewissermaßen die Höhepunkte einer Linie, die durch die „cité judiciaire“ komplett verändert würde. Zwar sind die geplanten Gebäude einzeln betrachtet nicht übertrieben, doch würden sie auf diesem Standort, in diesem engen Zusammensein, das Bild der Stadt wesentlich verändern.
Auch hinsichtlich der Funktionalität gibt es Bedenken. Das Lastenheft stammt aus dem Anfang der 90er Jahre. Inzwischen bestreitet niemand mehr, dass sogar die für die Zukunft eingeplanten Reserven bereits voll erschöpft sind. Deshalb geht die Regierung ja selbst davon aus, dass nicht nur andere Gebäude auf dem Plateau, sondern auch der alte Justizpalast hinzugezogen werden müssten. Das ursprüngliche Konzept einer alle Funktionen enthaltenden „cité“ hat sich überlebt.
Bei einem Festhalten am Heilig-Geist-Projekt hätten wir auf einer Vereinfachung der Fassadengestaltung gedrängt. Die Massivität der geplanten Gebäude sollte nicht noch zusätzlich durch einen sozusagen barocken Charakter, mit kleinen Verschönerungselementen hier und Verschnörkelungen dort, unterstützt werden. Die äußere Gestaltung der Gebäude sollte so einfach wie möglich ausfallen.
Einzelne der geplanten Komponenten, wie die „tour des vents“, schienen uns von vorneherein übertrieben, wenn nicht sogar überflüssig.
Spricht sich die Gemeinde gegen den Standort an sich aus, oder hat sie lediglich Probleme mit dem Projekt, so wie es von der Regierung vorgelegt wurde?
Diese Frage lässt sich nicht mit ja oder nein beantworten. Wir bezweifeln ganz einfach, dass sich das Bauprogramm, so wie es für eine voll funktionierende „cité judiciaire“ notwendig wäre, auf sinnvolle Weise auf dem Plateau realisieren lässt. Wir wehren uns nicht dagegen, das Areal zu bebauen und auch das eine oder andere Gebäude für die Justiz dort zu errichten. Aber wir sehen nicht, wie eine komplette „cité judiciaire“ dort entstehen könnte.
Bislang galt als Hauptargument der Regierung, es gebe zum Heilig-Geist-Plateau keine Alternative. Die Stadt hat jetzt die „rocade de Bonnnevoie“ ins Spiel gebracht. Inwiefern kann dies einen würdigen Ersatz bedeuten?
Wir hatten zunächst erneut das Areal an der „place de l’Etoile“ ins Gespräch gebracht. Es hat sich aber schnell herausgestellt, dass eine Realisierung an diesem Standort mit sehr vielen Komplikationen verbunden wäre. Hier ist ein Privatpromotor beteiligt und eine kurzfristige Einigung wäre nicht in Sicht.
Wir waren dann sehr erleichtert, als vor zwei Wochen der Standort an der „rocade“ frei wurde. Das „ilôt A“, das zwischen der „rue du Laboratoire“ und dem „boulevard Charles de Gaulle“ angesiedelt ist, war ursprünglich einem größeren Bankgebäude zugedacht. Allerdings hat der vorgesehene Bauherr einem Alternativstandort in Hamm den Vorzug gegeben. Ein Vergleich mit dem Heilig-Geist-Plateau hat ergeben, dass den geplanten 24.000 Quadratmetern an Nutzfläche auf dem Plateau allein auf dem „ilôt A“ 34.000 mögliche Quadratmeter gegenüberstehen. Mit dem „ilôt B“ stehen noch einmal 14.000 Quadratmeter – insgesamt also das Doppelte – an Nutzfläche zur Verfügung. Auf der „rocade“ wäre eine großzügigere Planung möglich.
Der Standort, mit direktem Blick auf die Altstadt, weist auch ein gewisses Prestige auf. Er wird in Zukunft sogar noch aufgewertet, da ja noch so manches im direkten Umfeld geplant ist … das ganze Viertel ist in Bewegung.
Ein weiteres großes Plus dieses Standortes ist die Verkehrsanbindung. Sowohl was den Individualverkehr anbelangt als auch hinsichtlich des öffentlichen Verkehrs ist alles vorhanden. Das Heilig-Geist-Plateau ist wegen der spezifischen Lage praktisch nur über einen schmalen Zugang erreichbar.
Die Regierung hat den ursprünglichen Plan der „cité“ nachgebessert. Sind damit Ihre Bedenken aufgehoben?
Im Wesentlichen wurden die geplanten Gebäude so umgestellt, dass keines mehr direkt in den Bereich des Weltkulturerbes hineinreicht. Ein erster Blick zeigt aber, dass sie immer noch bis dicht an die Grenze reichen.
Es bleibt, dass wir uns weiterhin in der „zone tampon“ befinden, die ja auch eine indirekte Einwirkung auf das Weltkulturerbe hat. Ich glaube nicht, dass das grundsätzliche Problem gelöst werden konnte. Die engere Zusammenlegung der Gebäude führt dazu, dass einzelne Gebäude noch etwas höher ausfallen und somit der Impakt auf die Silhouette noch verstärkt wird.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir uns hier im Kreis bewegen und einer Lösung nicht näher kommen. Ein Festhalten am Standort Heilig-Geist scheint mir nur möglich, wenn das eine oder andere Gebäude wegfallen würde. Dann allerdings ist das Konzept einer kompletten „cité judiciaire“ ein für allemal gestorben. Außerdem müsste ein neues Gesetzesprojekt zur Abstimmung gebracht werden, was das ebenfalls oft angeführte Argument einer möglichen Zeitersparnis hinfällig werden ließe.
Der Standort „rocade“ ist sofort bebaubar, zusätzliche Erhebungen sind nicht notwendig. Natürlich muss auch hier ein Gesetzesantrag vorbereitet und gestimmt werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies – sofern der politische Wille besteht – in einem überschaubaren Zeitrahmen passieren kann. Im Endeffekt dürfte der Zeitaufwand für beide Projekte kaum Unterschiede aufweisen.
Schwarz-Blau in der Regierung und Blau-Schwarz in der Gemeinde scheinen in dieser Frage nicht auf gleicher Wellenlänge. Ist die Regierungsentscheidung überhaupt beeinflussbar?
Der jetzigen Regierung würde sicherlich kein Zacken aus der Krone fallen, wenn sie sich eingestehen würde, dass sie hier ein Vorhaben geerbt hat, das eine lange, wenig glückliche Vorgeschichte hat. Wir müssen jetzt gemeinsam zu einer Lösung gelangen, die den Bedenken der UNESCO Rechnung trägt. Ich kann mir nicht vorstellen, als Bürgermeister der Stadt ein Projekt zu genehmigen, das mit dem Risiko behaftet wäre, Luxemburgs Status als Weltkulturerbe aufs Spiel zu setzen.
Dieses Risiko sehen Sie konkret?
Ich sehe dieses Risiko auf jeden Fall. Ich nehme nächste Woche in Puebla an der Weltkonferenz der Städte teil, die in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO eingetragen sind, und werde dort mit den Experten eingehend über die sich jetzt bietenden Lösungen beraten.
Ist denn der Regierungsbeschluss, trotzdem auf dem Heilig-Geist-Plateau zu bauen, überhaupt rückgängig zu machen?
Ich habe das Gefühl, dass die Erklärung, die der Premier nach dem Regierungsrat vom 6. September abgegeben hat, nicht ganz den Ablauf der Diskussion innerhalb der Regierung widerspiegelt. In meinen Diskussionen mit der Bauten- und Kulturministerin hatte ich bislang eher eine Bereitschaft gespürt, die Planungen zu überarbeiten und den Bedenken der UNESCO Rechnung zu tragen. Natürlich ist ihr Spielraum eng bemessen, da der Druck seitens der Justiz sehr stark ist.
Es ist jetzt an der UNESCO, ihr durchaus nuanciertes Gutachten im Lichte der aktuellen Umstände neu zu bewerten. Aber die ursprünglich geplante „cité“ im vollen Umfang werden sie kaum akzeptieren. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Verantwortlichen in der Justiz das Risiko einer Deklassierung Luxemburgs als Weltkulturerbe in Kauf nehmen wollen.
Das Gespräch führte Richard Graf.