Die Verantwortlichen der Volkszählung preisen deren Nutzen und geloben die Respektierung des Datenschutzes. Dennoch ist sie nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zum gläsernen Bürger und zur Datenvernetzung.
„Wat sinn eis Gewunnechten? Wat sinn eis Objektiver? Wat mir méi iwwer eis wëssen, wat mir eis Besoine besser kennen“, heißt es eloquent in den Slogans zur Volkszählung, die diese Woche vom nationalen Statistikamt lanciert wurden. Die 36. Runde der Volkszählungen, die seit 1839 durchgeführt werden, ist für den 1. Februar 2011 anberaumt. Rund 2.300 von den Gemeinden ernannte Volkszähler werden während der nächsten Tage unterwegs sein, um die Fragebögen, die in fünf Sprachen vorliegen, in den Haushalten zu verteilen. Ab dem 15. Februar werden sie die Bögen, die vollständig ausgefüllt werden müssen, wieder einsammeln. Zum ersten Mal ist die Teilnahme an der Volkszählung auch über Internet (www.rp2011.lu) möglich. Bis zum 10. Februar müssen die Dokumente über einen durch LuxTrust geschützten Zugang ausgefüllt sein. Dazu muss sich der Teilnehmer auf dem Portal „guichet.lu“ registrieren lassen. Die Vollständigkeit der Erhebung soll dadurch sichergestellt werden, dass die Haushalte, die auf elektronischem Weg antworten, vom Statec den Gemeindeverwaltungen gemeldet werden.
„Die Volkszählung ist eine Basiserhebung für die Statistik, eine Grundlage für Meinungsumfragen und Stichproben“, stellte Statec-Direktor Serge Allegrezza am Montagmorgen während einer Pressekonferenz klar. „Wir beziffern die Bevölkerung, die Wohnungen und die Zusammenstellung der Haushalte. Das ermöglicht uns Einsichten in die verschiedenen Lebenssituationen.“
Dass diese Einsichtnahme zu weit geht – sogar gegen die einschlägigen EU-Regeln verstößt – kritisierte kürzlich nicht nur die Menschenrechtsliga (ALOS) in ihrem Gutachten. Davor hatte sich schon die „Chambre des salariés“ (CSL) empört: „Les nouvelles dispositions sur le recensement de la population constituent une entrave aux libertés individuelles du citoyen!“ Zu welchem Zweck müssen die Befragten Angaben über die Anzahl der Mobiltelefone, Fahrzeuge, Fernsehgeräte, DVD-Player, Hifi-Anlagen, Laptops im Haushalt machen oder Informationen zu der im Haushalt benutzten Sprache liefern, fragt die CSL. Zwar versichern die Verantwortlichen, dass Namen und Anschrift der Befragten vor der elektronischen Datenverarbeitung entfernt werden, dass die erhobenen Daten nur statistischen Zwecken dienen und dass es Volkszählern unter Androhung von Sanktionen untersagt ist, Auskünfte preiszugeben. Doch scheint es aufgrund der Vielzahl der Angaben zu Wohnort, Arbeitsplatz oder Nationalität technisch nicht unmöglich, diese im Nachhinein wieder einer Person zuzuordnen. Als unbegreiflich erscheint daher, wie die nationale Datenschutzkommission (CNPD) die Fragebögen überhaupt hat absegnen können.
Problematisch ist auch, dass die Bürger gehalten sind, alle Fragen komplett zu beantworten, und dass es kein Widerspruchsrecht gibt. Wer die Teilnahme verweigert, Informationen weglässt, dem drohen theoretisch Geldstrafen. Natürlich ist Regierungswissen untrennbar mit dem Wissen über die Bevölkerung verknüpft. Dennoch ist es fraglich, ob die hohen Kosten von rund vier Millionen Euro den Nutzen rechtfertigen: Sind diese Daten – sofern sie überhaupt korrekt und somit brauchbar sind – für sozialpolitische Entscheidungen tatsächlich relevant? Benötigen die Planer für eine Schulbedarfsprognose oder Verkehrsanalyse nicht sowieso halbwegs aktuelle und auch spezifische Daten? Vor fast 20 Jahren gab es auf EU-Ebene breiten Protest gegen die Volkszählung. Damals mussten sich Statistikämter mit Klagen, Boykottaufrufen, Flugblättern wie „Nur Schafe lassen sich zählen“ und Schummeleien beim Ausfüllen herumschlagen. Heute jedoch wirkt die Volkszählung nicht bedrohlicher als all die Kundendaten-Beschaffungen, Handy-Ortungen, Kameraüberwachungen, Datenskandale bei Facebook und Google etc., also die Gesamtheit der Maßnahmen und Prozesse, die den Bürger gläsern machen und nicht nur dem Staat, sondern auch der Wirtschaft Macht über ihn verschaffen. Es mag also die Frage des Volkszählers nach der Waschmaschine für sich genommen harmlos sein – letztlich aber unterhöhlt auch sie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.