Treibhausgas Methan: Megatonnen aus dem Moor

Ende November wird in Durban wieder über Maßnahmen gegen die Erderwärmung verhandelt. Ein bisher eher wenig beachtetes Treibhausgas, das aber 25-mal so stark wirkt wie CO2, ist das Methan. Ein Schweizer Wissenschaftler erforscht die Kreisläufe dieses Klimakillers.

Spannend wie ein Fußballspiel. Ein Forscher untersucht, ob in diesem Moor methanogene oder methanotrophe Bakterien die Oberhand bekommen.

Den verschlungenen Wegen des Methans war Josef Zeyer schon im sibirischen Lena-Delta nachgegangen. Im Sommer 2008 besuchte der Umweltmikrobiologe die Forschungsstation Samoylov, eine einfache Holzhütte in den endlosen Weiten der Tundra. Dort bestimmte er die Methankonzentrationen in den Polygonseen, den typischen arktischen Tümpeln. Die Arbeit war stellenweise schwierig, denn wenn die Temperaturen nur auf wenige Grade über Null anstiegen, fielen blutgierige Mückenschwärme über den Forscher her. Zeyer war dann gezwungen, sich mit einer Imkerausrüstung zu schützen.

In der Schweiz, wo der Professor am Institut für Biogeochemie und Schadstoffdynamik der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich arbeitet, ist das nicht notwendig. Zeyer und seine Mitarbeiter steigen regelmäßig zu den alpinen Mooren im Tessin, im Berner Oberland oder im Engadin auf, wo sie dünne, mit Sonden und Schläuchen bestückte Metallrohre in den weichen Grund stecken. Der Wissenschaftler ist sich bei diesen Messungen bewusst, dass die alpinen Moore hinsichtlich der Größe zu vernachlässigen sind. „Wir studieren sie auch nicht, weil sie eine große Bedeutung für die Erderwärmung hätten. Sondern weil sie ein gutes Modellsystem für den Methankreislauf in Mooren abgeben.“

Klimaschutz-Bakterien

Dieses Modell lässt sich zum Teil von den alpinen Mooren auf die der Tundra übertragen. Die Mechanismen, die in den Alpen zu einer Freisetzung von Methan führen, sind nämlich vergleichbar mit den in den arktischen Gebieten Alaskas, Kanadas und Russlands wirksamen. Und dort geht es um gewaltige Mengen: Diese Böden enthalten rund 400 Gigatonnen organischen Kohlenstoff, was rund einem Drittel der weltweit in gebundener Form vorliegenden Menge der Substanz entspricht. Von diesem Material könnten im Laufe der Zeit große Anteile in Methan umgewandelt werden.

Wie viel davon kann in die Atmosphäre gelangen und so die Erderwärmung beschleunigen? Das bestimmen die biologischen Akteure im Untergrund. Dort produzieren Bakterien, sogenannte Methanogene, unter Ausschluss von Sauerstoff Methan. Das Gas macht sich auf den Weg nach oben, wird aber unterwegs von den Methanotrophen zu Kohlendioxid umgewandelt. „Diese methanverzehrenden Mikroorganismen sind Gegenspieler der Methanogenen“, erklärt Zeyer. „Sie arbeiten gewissermaßen im Sinne des Klimaschutzes.“ Aber im Ökosystem des Moores gedeiht auch ein dritter Spieler, die Schnabelsegge „Carex rostrata“. Dieses unscheinbare Sauergrasgewächs enthält in den Wurzeln und im Stengel viele Gasleitgefäße, die in der Tiefe Methan aufnehmen und an den Methanotrophen vorbei an die Oberfläche schleusen. Über die Blätter wird das hochwirksame Treibhausgas dann an die Atmosphäre abgegeben. Mithilfe von Plexiglashauben, die über den Seggen platziert wurden, ermittelte Zeyer genaue Werte: Im Sommer gelangen über 95 Prozent des produzierten Methans durch die Gasleitgefässe der Pflanzen in die Atmosphäre.

Der Sommer ist Hochsaison für das Klimagas. Dann geben alpine wie arktische Moore pro Quadratmeter und Tag bis zu 0,3 Gramm Methan ab. Das klingt zunächst nicht beunruhigend, wenn man etwa bedenkt, dass eine Kuh in derselben Zeit das Tausendfache produziert. Aber bei den gigantischen Ausmaßen der arktischen Permafrostböden summieren sich die 0,3 Gramm pro Quadratmeter zu einer ernsthaften Bedrohung. „Wenigstens bringt der Winter hierbei eine Verschnaufpause“, erklärt Zeyer. In der Kälte sind alle Mikroorganismen weniger aktiv, so dass die Methanproduktion absinkt. Zudem wird die Mooroberfläche durch Eis und Schnee abgeriegelt, das Methan kann nicht in die Atmosphäre entweichen. Mit zunehmender Erderwärmung verliert der „klimafreundliche Eisdeckel“ allerdings von Jahr zu Jahr mehr von seiner Wirksamkeit.

Permafrost forever?

Bei seinen Messungen muss Zeyer behutsam vorgehen: „Moore sind sehr delikate Ökosysteme, denn sie verhalten sich wie Badeschwämme. Bei einer Kernstechung würde da alles wackeln, und am Schluss hätten wir eine gemischte Suppe aus unbrauchbaren Daten.“ Daher setzt der Wissenschaftler filigrane Techniken ein, zum Beispiel die der Gefriermethode. Kleine Bereiche des Moorbodens werden auf minus 80 Grad Celsius abgekühlt, danach lässt sich eine feste Bodenprobe entnehmen. Die Wissenschaftler können später im Labor unter dem Mikroskop einen detaillierten Abdruck studieren – selbst das Wurzelgewebe der Pflanzen und die DNA der Mikroorganismen bleiben erhalten. Zeyer versucht so, herauszufinden, wie die drei Spieler Methanogene, Methanotrophe und Schnabelseggenwurzel im Moorboden verteilt sind. „Wenn wir das wissen, können wir auch klarer abschätzen, wieviel Methan aus den alpinen und arktischen Ökosystemen austritt“, erklärt der Wissenschaftler.

Auf der anderen Seite nehmen Moore jedoch auch zunehmend Treibhausgase auf. Das Milieu im Untergrund ist zu sauer und zu nährstoffarm, als dass abgestorbenes Torfmoos ganz abgebaut werden könnte. Dadurch wachsen einige Moore in die Höhe – und speichern immer mehr Kohlenstoff. Aber was überwiegt, wenn einerseits Kohlendioxid ins Moor eingebaut und andererseits Methan freigesetzt wird?

Wissenschaftler vermuten, dass die Bilanz ausgeglichen ist. Aber dieses Gleichgewicht kann verloren gehen: In den arktischen Zonen lagern ungeheure Mengen organischen Materials, das durch den Permafrost gebunden und somit den Methanogenen nicht zugänglich ist. Wenn nun aufgrund des Klimawandels die Tiefe des Permafrosts abnimmt und die Methanogenen aktiv werden, könnten große Mengen von Methan erzeugt und in die Atmosphäre abgegeben werden. Um das zu verhindern, müssen wir uns stärker auf die Ursachen und nicht auf die Symptome konzentrieren, fordert Zeyer: „Die Erderwärmung muss unbedingt gebremst werden. Wir können schließlich kein Klima-Zelt über Sibirien aufstellen.“


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