TRIPARTITE: Aus dem Hinterhalt

Der designierte Wirtschaftsminister ist bei den Tripartite-Verhandlungen zwar nicht zugegen, aber doch irgendwie anwesend.

Der Zeitpunkt des Rücktritts von Jeannot Krecké hätte wirklich nicht unpassender sein können. Dabei ist es weniger die Indiskretion, die dazu geführt hat, dass der amtierende Wirtschaftsminister seinen Wunsch nach mehr Zeit zum Segeln vorzeitig ankündigen musste und sogar fluchtartig von einer Handelsmission in Fernost heimkehrte, als vielmehr die aktuelle wirtschaftliche Schieflage, die bei Freund und Feind wenig Verständnis für seinen Schritt aufkommen ließ.

Zu den Schwierigkeiten der internationalen Lage gesellt sich auch noch das nationale Problem des festgefahrenen Sozialdialogs zwischen Patronatsverbänden und Gewerkschaften. Mit unzweideutigen Äußerungen zur Abschaffung des Index, bei denen Jeannot Krecké sich gab, als sei er gar nicht mehr Mitglied der Regierung und deshalb an kein Koalitionsprogramm mehr gebunden, hat er eine Diskussion erneut angeheizt, die vor mehr als einem Jahr das Modell Luxemburg hat gegen die Wand fahren lassen.

Sein designierter Nachfolger und langjähriger Zuarbeiter, Etienne Schneider, kann nur hoffen, dass in den zwei Monaten bis zu seiner Amtsübernahme nicht auch noch der kümmerliche Rest des verblieben Porzellans zu Bruch geht und es ihm erspart bleibt, seinen Dienst am ersten Februar mitten in einem, in Luxemburg eher seltenen, Sozialkonflikt von nationalem Ausmaß anzutreten.

Dass die Regierung die Einladung für die gestern erstmals einbestellte Tripartite-Runde trotz, nach Einschätzung der Gewerkschaften, schlechter Vorbereitung aufrecht erhielt, dürfte bei den Arbeitnehmervertretern das Gefühl, über den Tisch gezogen zu werden, ebenfalls eher verstärken.

Immerhin: Der für die Tripartite-Sitzungen verantwortliche Staatsminister grenzte das Themenspektrum der Sitzung ausdrücklich auf Fragen der Beschäftigungspolitik ein. Damit sollte wohl die vom neuen LCGB-Präsidenten Patrick Dury auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der drei national repräsentativen Gewerkschaften am Montag geäußerte Befürchtung, die Tripartite werde erneut durch das Index-Thema dominiert, entkräftet werden. Doch das hindert die Patronatsverbände nicht daran, gleich mehrfach die Gelegenheit zu nutzen und die automatische Anpassung der Löhne an die Inflation als Ursache allen Übels anzuprangern. Die Gemütswallungen des scheidenden Wirtschaftsministers, der die Position seiner eigenen Partei als nicht mehr tragfähig bezeichnete, kamen ihnen dabei besonders zupass.

Auch der persönliche Wunsch des OGBL-Vorsitzenden Jean-Claude Reding, doch lieber den zukünftigen als den alten Wirtschaftsminister an den kommenden Tripartite-Sitzungen teilnehmen zu lassen, wurde nicht erfüllt. Sollte der Index tatsächlich aus den Gesprächen verbannt werden, dürfte sich die Enttäuschung bei Reding aber in Grenzen halten: Zum einen interessiert die Meinung eines abtretenden Ministers kaum noch, zum anderen darf er gewiss sein, dass der Nachfolger sehr wohl mitbekommen wird, wo die Gewerkschaften der Schuh am meisten drückt.

Das von Schneider versprochene Festhalten am Prinzip des Index ist zwar rein rhetorisch, insofern dieser zugleich die derzeitige LSAP-Position umdeutet in maximal eine Tranche pro Jahr. Da jedoch auch Reding die jüngsten Aussagen des Finanzministers, der ein Erfallen einer Index-tranche im März oder April als unzumutbar bezeichnete, als „immerhin vorsichtig“ charakterisiert, wird der Kompromiss wohl lauten: Indexmanipulation ja, aber immer nur dann, wenn die Gewerkschaften einverstanden sind. Die inzwischen für mehrere Jahre rückwirkend nach unten revidierten Wachstumszahlen des Statec dürften hier für einige Stimmung sorgen.

Demnach bleibt dem neuen Wirtschaftsminister ein knapper Monat nach seinem Amtsantritt, um zu einem Kompromiss beizutragen der seinen sozialen und liberalen Ambitionen gerecht wird – falls seinem amtierenden Vorgänger nicht doch schon vorher, wegen Nichtbeachtung seitens aller Beteiligten, die Luft ausgeht.


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