INDEX-KONFRONTATION: Chaos im Ring

Hart auf hart ging es in den vergangenen Wochen. Alle drei Tripartite-Partner haben Entscheidungen getroffen, die sie vielleicht noch bereuen werden.

Joe Biel hängt in den Seilen. Ein Fehler. Er hat wohl gerade einen Fehler gemacht. Dem Ringrichter zu sagen, er will nicht gegen Wu Eel antreten, war ein Fehler. Wu hat ihn zwar richtig angemacht mit seinen dummen Sprüchen, aber das ist beim Wrestling so üblich. Joe erinnert sich noch an den entnervten Blick des Ringrichters, und dann … So ähnlich könnte man den jüngsten Index-Konflikt beschreiben, aber, um einen berühmten Ringrichter zu zitieren: „Politik ass kee Spill“. Und auch kein Schaukampf, sondern ein echter Kampfsport.

Das Regierungsvorhaben, den Index bis 2014 auf eine Tranche pro Jahr zu begrenzen, dürfte kaum noch aufzuhalten sein. Anders als im April 2009 steht kein LSAP-Kongress mehr an, und fast alle Mehrheitsabgeordneten sind „auf Linie“. Welche realen Folgen dieser Coup haben wird, ist allerdings völlig unklar. Sollte zum Beispiel die Inflation in den kommenden Jahren unter 2,5 Prozent bleiben – in einem Rezessionsszenario durchaus plausibel – dann hätten die Gewerkschaften nur den Imageschaden zu beklagen. Die Regierung stünde da als Durchpeitscher eines unsinnigen Eingriffs in die Sozialpartnerschaft, und die Unternehmen, hätten herzlich wenig von der viel gelobten Vorhersehbarkeit ihrer Lohnkosten.

Es sei noch einmal daran erinnert, dass der Index nichts weiter als ein Inflationsausgleich ist, und dass jede Form von Modulation des Index darauf abzielt, zu Gunsten der Arbeitgeber die Reallöhne zu senken. Die Unternehmen können damit bei steigenden Unkosten ihre Bilanz ausgleichen, den Spielraum zu Gunsten bestimmter Arbeitnehmergruppen nutzen, oder … ihre Gewinnspanne erhöhen. Was auch immer die Absichten der Union des entreprises luxembourgeoises (UEL) sind, die Eine-Tranche-im-Jahr-Modulation entfaltet kaum Wirkung, wenn die Inflation niedrig bleibt.

Hinzu kommt, dass die von der UEL erhoffte und von den Gewerkschaften gefürchtete strukturelle Index-Veränderung alles andere als sicher ist. Vor Weihnachten hatte Jean-Claude Juncker nach der jetzt beschlossenen Herausnahme von Tabak und Alkohol aus dem Warenkorb auch die teilweise Entfernung der Ölprodukte in Aussicht gestellt – für linke Kritiker nichts als eine Salamitaktik zwecks endgültiger Abschaffung des Index. Doch hier hat die Regierung im Regierungsrat vom vergangenen Freitag nachgebessert: Ein solcher Eingriff soll nur noch im Einvernehmen mit den Gewerkschaften stattfinden, was ihn sehr unwahrscheinlich macht.

Also doch nur ein blaues Auge für die Gewerkschaften in der ersten Runde? Nicht unbedingt. Wenn die Inflation auf Touren kommt, sei es durch eine keynesianische Geldpolitik oder durch steigende Erdölpreise, dann können binnen drei Jahren erhebliche Kaufkraftverluste entstehen. Vor allem aber: Die rechte Gerade von Regierungsseite hat die Gewerkschaften voll am Kopf erwischt. Der Index, für den sie bis aufs Messer kämpfen wollen, steht zurzeit nicht gerade hoch im Kurs, zumindest in den Medien und bei der sich artikulierenden öffentlichen Meinung. Angesichts der sachlich unhaltbaren Argumente, die gegen den Index vorgebracht werden, mag man das bedauern, es lässt sich kurzfristig nicht ändern.

Was sich nach dieser ersten Runde verändern wird, sind die Umgangsformen zwischen den Sozialpartnern und die Beziehungen zwischen den beiden großen Parteien und „ihren“ Gewerkschaften. Ob die jetzt formierte breite Gewerkschaftsfront von Dauer sein wird, ist ungewiss: Der Neid zwischen Staatsbeamten und Privatbeamten oder die Konkurrenz zwischen „Luxemburgern“ und „Frontaliers“ könnte überhand nehmen.

Und was ist mit dem Kräfteverhältnis? Ist es wirklich, wie die „Occupy“-Bewegung es formuliert, ein Kampf von 99 Prozent gegen ein Prozent? Sicher ist, dass Boxkämpfe selten in der ersten Runde entschieden werden, dass Joe Biel sich jetzt wieder hinstellen wird, und dass er es eigentlich mit Wu Eel und dem Ringrichter zugleich aufnehmen kann.


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