Was unterscheidet Luxemburg von seinen Nachbarn, und was ist eigentlich „typisch Luxemburgisch“? Zu diesen Fragen, deren Beantwortung den Einheimischen oft schwer fällt, gibt die Ausstellung „ABC – Luxembourg pour débutants… et avancés!“, unter der Leitung von Marie-Paule Jungblut und Guy Thewes, einige Denkanstöße. Denn, so Jungblut, „in einem Museum lernen heißt, anders über etwas nachzudenken“. So bemüht sich die Ausstellung möglichst viele Seiten der einzelnen Themen zu beleuchten, zum Beispiel die Vor- und Nachteile des Luxemburger Schulsystems. Im Großen und Ganzen deckt die Themenauswahl viele wichtige Aspekte des ganz normalen Luxemburger Alltags ab: Immigration und Grenzgänger (J wie „Joao“ und H wie „Heckefransous“) werden ebenso unter die Lupe genommen wie die Liebe zum Automobil (P wie „Pechert“) und die Sprachenvielfalt („Ypsilon oder i-grec?“). Natürlich kommt auch die Geschichte des Landes (B wie „Bock“) nicht zu kurz, und soziale Aspekte mit M wie „Mittal“ oder T wie „Tripartite“ werden ebenfalls beleuchtet. Dabei werden einige Themen durchaus kritisch und künstlerisch anspruchsvoll behandelt, allen voran des Luxemburgers Materialismus und Liebe zum Geld, sowie die undurchsichtige Verflechtung zwischen Kirche und Staat. An anderer Stelle lässt der künstlerische Aspekt etwas zu wünschen übrig, so kann man sich zum Beispiel bei Q wie „Qatar“ fragen, ob es den Ansprüchen des Museums wirklich genügt, den Wagen eines Karnevalvereins zu übernehmen und etwas Wüstenwindsound einzuspielen.
Am Ende bleibt der Eindruck, dass die Ausstellung allgemein nicht weit genug geht. Man merkt, dass sie in erster Linie oberflächliche Informationen an Touristen und Schulklassen vermitteln, aber keine tiefer gehende Reflexion zur nationalen Identität anregen soll. Es scheint, als hätte Jungblut und Thewes an manchen Stellen der Mut verlassen, um ja nicht anzuecken oder zu provozieren. Beim Buchstaben F hätte man sich zum Beispiel zum Thema Flüchtlingsproblematik Gedanken machen können, anstatt die völlig abgelutschte „Fändel“ Polemik zu wählen. Es ist durchaus ironisch, dass eines der hier ausgestellten Kleider von Trierer Modestudenten stark an das Logo des Front National und wenig an unseren „Fändel“ erinnert. Beim zugegeben problematischen Buchstaben X hätte sich „Xenophobie“ angeboten anstelle des zwar interessanten aber letzten Endes neutralen „XXS-XXL“. Ist die Angst davor, aus der Reihe zu tanzen und aufzufallen, etwa typisch Luxemburgisch? K wie „Konformismus“? Darüber müsste man sich irgendwann Gedanken machen. In der Zwischenzeit erfährt man im Museum alles Wissenswerte über den „Kachkéis“.
Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Ausstellung zum großen Teil auf Kinder und Touristen zugeschnitten ist, sind ihre vielen interaktiven und spielerischen Elemente. Hier hat man sich richtig ins Zeug gelegt: So kann man zum Beispiel auf dem Hometrainer virtuell den Breedewee hoch fahren, sich Kachkéis-Rezepte abschreiben, sich mit überdimensionaler Großherzogenkappe ablichten lassen, oder vor einer Greenbox das Wetter moderieren. Fotos und Videos kann man sich per E-Mail schicken lassen, wenn man denn damit einverstanden ist, dass sie vom Museum wiederverwertet werden können.
Alles in allem ist „Luxemburg von A bis Z“ eine gut gemachte, pädagogisch durchaus wertvolle Ausstellung, die manche kritischen Ansätze birgt, sich aber leider nur zu selten traut, an der Oberfläche zu kratzen. Am Ende bleibt daher der fade Beigeschmack, dass hier ein polemisches Thema zu wenig ausgereizt wurde, und zu viele Möglichkeiten für ein kritisches Auseinandersetzen mit der Luxemburger Identität liegen gelassen wurden.
„ABC – Luxembourg pour débutants… et avancés!“, noch bis zum 31. März 2013 im Historischen Museum der Stadt Luxemburg.
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