Der Kompromiss zur Rettung des Euro, von überwiegend rechten Regierungen ausgearbeitet, stellt linke Parteien vor eine Herausforderung.
Um die finanzielle und politische Krise der EU zu überwinden, einigten sich die europäischen Regierungen Ende vergangenen Jahres auf den Europäschen Stabilitätsmechanismus (ESM) und den Fiskalpakt. Der Fiskalpakt soll, wie der französiche Name „pacte budgétaire“ klar macht, eine europäische Kontrolle der Staatshaushalte ermöglichen. Dagegen enthält er eine „goldene Regel“ zur Vermeidung von Haushaltsdefiziten, die möglichst in die Verfassungen der Mitgliedstaaaten aufgenommen werden soll.
Der Beschluss zum – eher vom europäischen Solidaritätsgedanken geprägten – ESM wurde von den meis-
ten Mitgliedstaaten ratifiziert und wird demnächst umgesetzt, der Fiskalpakt jedoch tritt frühestens Anfang 2013 in Kraft – in der Chamber wird er wohl kaum vor Abschluss der Budgetdebatten auf die Tagesordnung kommen. In Frankreich sorgt derzeit die am 2. Oktober anstehende Ratifizierung für heftige Diskussionen innerhalb der Linken, und in Deutschland verlief die Positionsbestimmung im Juni recht spannend – wie werden sich angesichts dessen LSAP, Grüne und Déi Lénk zum Fiskalpakt stellen?
Dass die große Mehrheit der SPD dem Doppelpack aus ESM und Fiskalpakt zustimmte, ist eigentlich nicht erstaunlich. Zwar sind die Sozialdemokraten in der Opposition, doch haben sie seit Beginn der Krise für europäische Solidarität plädiert. Mit einer Art europapolitischen „großen Koalition“ wurde verhindert, dass die „Kein Cent mehr für die Schuldnerländer“-Fraktion in der Merkel-Regierung die Oberhand gewann. Weil aber den SPD-WählerInnen die Austeritätspille im ESM-Zuckerguss ausgesprochen bitter schmeckt, formulierte man ein „kritisches Ja“, indem man eine sozialpolitische Erweiterung des Fiskalpakts forderte. Die Partei „Die Linke“ hatte es entsprechend leichter, sich mit pauschaler Ablehnung zu profilieren – wobei sie das Demokratiedefizit des Pakts stärker in den Vordergrund stellte als dessen unsoziale Ausrichtung. Die Grünen konnten sich nicht so recht entscheiden und schlossen sich mehrheitlich der SPD-Position an. Ihr prominentester Fiskalpakt-Gegner, Christian Ströbele, warf seiner Partei allerdings vor, damit zu signalisieren, dass man keine andere Lösungsmöglichkeiten als die Regierung sehe.
Frankreichs Sozialisten befinden sich in der peinlichen Situation, im Februar als Oppositionspartei den ESM abgelehnt zu haben und jetzt als Regierungspartei den von François Hollande gutgeheißenen Fiskalpakt absegnen zu müssen. Parteiinterne Gegner weisen darauf hin, dass Hollande die versprochene Neuverhandlung des Pakts nicht erreichen konnte, Befürworter versichern, die Ausrichtung der europäischen Politik habe sich bereits geändert. Davon wenig beeindruckt, haben die Abgeordneten des Front de gauche ihre Ablehnung angekündigt. Auch die Grünen, obwohl an der Regierung beteiligt, werden dagegen stimmen. Daniel Cohn-Bendit kritisiert die Entscheidung als inkohärent, doch Alain Lipietz, mit dem zusammen er im Februar zur Stimmabgabe für den ESM aufgerufen hatte, hält es für richtig, den Fiskalpakt abzulehnen, weil dieser den Bemühungen um ein „grünes Europa“ zuwiderlaufe.
In Luxemburg sind die Sozialdemokraten ebenfalls in der Regierung und werden dem Pakt wohl zustimmen. Alex Bodry versucht, die Rolle seiner Partei bei der Abmilderung des europaweiten Austeritätswahns hervorzuheben. Zwar hat seine Partei eine Sommerakademie unter dem Titel „Too big to fail“ veranstaltet, doch fand dabei, nach dem Pressekommuniqué zu urteilen, keine grundsätzliche europapolitische Diskussion statt. Auch Déi Lénk lieferte bei ihrer Rentrée-Pressekonferenz wenig Detailkritik am Fiskalpakt und sprach sich stattdessen für ein anderes, demokratisches, soziales und ökologisches Europa aus. Die Grünen bezogen bei ihrer Rentrée-Pressekonferenz keine Position. Einerseits fährt die Partei seit Jahren in europapolitischen Fragen einen Schmusekurs mit der Regierung, obwohl, wie bei der ESM-Abstimmung, die grünen „Verbesserungsvorschläge“ wenig Anklang finden. Andererseits hatten die Grünen, als der Fiskalpakt gerade beschlossen worden war, angekündigt ihm so nicht zustimmen zu können. Statt sich, wie in der Vergangenheit häufig, an der deutschen Schwesterpartei zu orientieren, könnten sie damit in die Fußstapfen der französischen Grünen treten.