Der australische Singer-Songwriter Angus Stone, bisher vor allem bekannt als die eine Hälfte des Geschwisterduos Angus & Julia Stone, hat mit seinem zweiten Soloalbum die Herzen der Kritiker und Folk-Liebhaber gewonnen. Und das, obwohl ehrgeizige Anstrengungen gar nicht seine Sache sind.
Wenn Angus Stone spricht, kann man Stecknadeln fallen hören – weil er bedächtig, um nicht zu sagen: extrem langsam, redet. Diese Gelassenheit sagt viel über seinen momentanen Lebensstil aus. Die Welt jenseits des fünften Kontinents kennt er seit langem, besonders Europa und die Vereinigten Staaten, durch die er mehrmals getourt ist. Er hat in L.A. und London gewohnt und ist am Ende doch in seine australische Heimat zurückgekehrt. Hier lebt er auf einer Farm in einer Art Kommune, die versucht, durch eigene Landwirtschaft Unabhängigkeit von der Konsumgesellschaft zu erreichen. Fast scheint es, als habe er sich mit 26 Jahren schon zur Ruhe gesetzt.
Doch die zügige Karriere, die Stone hingelegt hat, straft diesen Eindruck Lügen. 2006 gründeten Angus und seine zwei Jahre ältere Schwester Julia, die in einer Musikerfamilie in Sydney aufgewachsen waren, die Band. Ihre Eltern waren in jüngeren Jahren selber als Folk-Duo aufgetreten, der Vater leitete die Schulband, der Angus, Julia und ihre Schwester Catherine angehörten, und auch zuhause wurde musiziert was das Zeug hielt. So hatte Angus Stone mit 20 schon die technischen Fähigkeiten und ausreichende Übung als Songwriter beisammen, um eine internationale Musikkarriere zu starten.
Nach vier Jahren des gemeinsamen Wirkens als Duo, in denen ein Compilation-Album, ein Live-Album sowie zwei erfolgreiche, preisgekrönte Studioalben entstanden, trennten sich Angus und Julia 2010 vorerst, um ihren jeweiligen eigenen kreativen Neigungen nachgehen zu können. Angus‘ erstes Soloalbum, das er unter dem Pseudonym „Lady of the Sunshine“ veröffentlichte, erschien jedoch bereits ein Jahr zuvor. Auf Tour entstand „Smoking Gun“ der Spielplatz, auf dem Angus sich austoben konnte. Zwar ist eindeutig zu erkennen, dass das Album aus seiner Feder stammt, die Umsetzung der Songs ist aber deutlich rockiger als die Folk-Blues-Liedchen, die man bisher von dem Geschwisterpaar kannte.
„Broken Brights“, das im letzten Jahr erschienene zweite Soloalbum, dient vorwiegend der Selbstfindung. Angus Stone nennt es sein bisher persönlichstes Album und beschreibt es als einen Ort aus Liedern und Geschichten, an den er sich zurückzieht und an dem er leben möchte. Ohne Angst vor Stereotypen erwähnt er in einem Interview, dass er gerne mal Marihuana raucht, um sich an diesen Ort zu versetzen. Alles passt zu diesem Klischee. Von seinem Äußeren – dichter Bart, zerzauste Haare – bis hin zum Musikvideo des Titelsongs, das er gemeinsam mit seiner Freundin in Eigenarbeit mit einer Super-8-Kamera aufgenommen hat. Auch das Albumcover, ein altes Foto seines Vaters, das eine Farm zeigt, die seiner Kommunenheimat nicht unähnlich ist, dient dieser Suggestion.
Trotz seines offenkundigen Bestrebens, das ideale Leben eines 60er-Jahre-Hippies zu kopieren, und trotz der musikalischen Ähnlichkeiten mit Bob Dylan oder Neil Young in ihren frühen Jahren ist es Angus Stone gelungen, mit dem Album etwas Eigenes zu schaffen. Vielleicht funktioniert seine Art von Selbstfindung besser, als man dem groben Anschein nach vermuten würde. Der Erfolg, der sich schon vor Antritt seiner Europatournee im Kartenvorverkauf ausdrückt, ist ein starkes Indiz dafür. Weitere Anzeichen kann man am kommenden Sonntag in der Rockhal erleben, wo Angus Stone „Broken Brights“ vorstellen wird.
Am 10. Februar, in der Rockhal.