DP: Rechnung ohne Wirt?

Die Liberalen haben nun das Heft in der Hand und wollen ihr Vorhaben, den politischen Wandel einzuläuten, partout durchsetzen.

Ratschläge an den Ziehsohn …

Mittlerweile ist das Erstaunen darüber, dass die DP Nägel mit Köpfen macht und in einer Gambia-Koalition auf der Zielgeraden an die Macht strebt, dem Jubel in den eigenen Reihen über das gute Wahlergebnis gewichen. Während Xavier Bettel seit nun fast einer Woche grinst wie ein Honigkuchenpferd, ist jemand anderem in der Partei das Grinsen gehörig vergangen. Schon am Wahlabend war der Auftritt Charles Goerens‘ beim DP-Empfang erstaunlich kurz. Er kam eilig herein, schüttelte Hände und posierte für die obligatorischen Fotos, um dann mürrisch das Weite zu suchen. War die Ampel bereits am Wahlabend ein abgemachter Deal? In der Retrospektive sieht es ganz danach aus: „Ich habe schon in den letzten Wochen vor der Wahl gemerkt, dass die Menschen einen politischen und inhaltlichen Wechsel in Luxemburg wollen. Deshalb haben sie DP gewählt“, bekannte deren Fraktionsvorsitzender am Wahlabend gegenüber der woxx. Meisch sieht in dem Ergebnis „eine klare Botschaft der Wähler“ und einen Auftrag an seine Partei, einen Wechsel herbeizuführen. Wird deshalb die Rechnung ohne den Wirt gemacht? Im politischen Spiel ist es normal, dass Parteien einander ausbooten. Doch anscheinend war der Schritt zur Abnabelung von der CSV dann doch so groß, dass gänzlich darauf verzichtet wurde, sich überhaupt mit ihr zu Sondierungsgesprächen zu treffen. Nicht einmal pro forma. „Welche Partei muss denn so die Krätze haben, dass man sich noch nicht mal mit ihr an den Tisch setzt?“ fasste Abweichler Goerens seinen Unmut am Mittwochabend auf RTL in Worte.

Klar ist, die DP ist die Siegerin dieser Wahlen. Sie sieht sich als Wirtin und will sich nun, wo sie seit langem wieder die historische Chance hat, den Premier zu stellen, nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Doch betrachtet man das Wahlergebnis der DP von 19,1% historisch, so zeigt sich, dass es gar nicht so gigantisch ist. Seit ihrer Gründung 1945 pendelt die Volkspartei relativ gleichförmig zwischen 12 und 18 Prozent. Eine Ausnahme stellen bloß die 23,3% der Wahlen von 1974 dar, in deren Folge Gaston Thorn Premierminister wurde. Diesem Ergebnis kam die Partei nur noch einmal, 1999, mit 22,35% nahe, um dann (2009) auf das historische Tief von 14,98 Prozent abzurutschen.

Historisch kein überdurchschnittliches Wahlergebnis

Das Wahlergebnis der Liberalen ist also, gemessen an ihrer Entwicklung, gar nicht so gut. Dennoch schaffte sie es, der CSV tausende Wähler abzuluchsen. Das kann nicht allein an Xavier Bettels Popularität in der Hauptstadt liegen, wenngleich der Bürgermeister hier natürlich eine Magnetfunktion hatte. Nein, die DP erreichte mit ihren sozial-sensiblen Wahlkampfthemen „Wohnungsbau“, „Betreuungsgeld“ und „Bildungsreform“ weite Teile der gehobenen Mittelschicht und wurde besonders für junge, aufstrebende Familien attraktiv. Der soziale Anstrich, den sie sich gab, tat also seine Wirkung. Programmatisch kam ihr zugute, dass sie, mit Ausnahme der Forderung einer Senkung des Mindestlohns für Auszubildende, kaum wirklich radikale Positionen einnahm und stattdessen gebetsmühlenartig „eine bessere Politik mit weniger Geld“ versprach. Mit der cleanen Versicherungsästhetik ihrer Wahlplakate lockte sie außerdem all jene jungen Konservativen an, die vom CSV-Staat genug haben. Doch steht die DP sozial wie wirtschaftspolitisch rechts von der CSV und scheint – außer der Frontstellung gegen Juncker und dem Willen zur Macht – mit Grünen und Roten wenig gemein zu haben. Damit dürfte es in einer Gambia-Koalition schwer werden, Entscheidungen durchzusetzen.


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