SHARING ECONOMY: Teile und tausche!

Besitz anhäufen, das war einmal. Dinge zu verleihen und auszuleihen, ermöglicht ein Mehr an kollektivem Konsum. Die Sharing Economy ist meistens gut für die Umwelt und immer ein Gewinn für das soziale Leben.

Vom Reiskocher bis zum Fahrrad: Diese Aufkleber bringen die Leih- und Tauschwirtschaft unter Nachbarn auf Trab.

Tauschen kann Wunder bewirken. Ein 18-Jähriger aus Flensburg hat es bewiesen. Er startete mit einem Luftballon. Den tauschte er gegen ein Werkzeug ein. Für dieses bekam er dann Computersoftware. Irgendwann folgte ein Gebrauchtwagen. Und nun hat der Tauscher eine maßgefertigte Luxusuhr anzubieten (tausch-wunder.de). Er will noch höher hinaus: Vielleicht steht am Ende ja ein Haus.

Kollaborativer oder gemeinschaftlicher Konsum heißt eine Idee, die sich gerade im Netz ausbreitet. Dabei geht es um das Teilen von Gütern, nicht um ihren Besitz. Der Zugang ist entscheidend, lautet die Philosophie der Sharing Economy. Es kann getauscht, aber auch ausgeborgt werden.

Neues Konsummodell

Zum Beispiel über „Why own it?“, eine iPhone-App (whyownit.de). Dort werden Gegenstände verliehen, die die Besitzer gerade nicht brauchen oder die schon länger im Keller verstauben. Ein ferngesteuerter Helikopter. Ein Beamer. Ein Bollerwagen. Eine Bohrmaschine. Das Motto der App: „Alle Dinge, die du brauchst, gibt es irgendwo in deinem Netzwerk“. Entsprechend werden die Sachen nicht Fremden, sondern nur Facebook-Freunden und den Kontakten im Telefonbuch überlassen.

Rachel Botsman von collaborativeconsumption.org, einem internationalen Netzwerk von Anhängern, hat die Grundzüge der Idee in einem Buch beschrieben. Der Titel ist Programm: „What´s mine is yours“ (Meins ist auch deins). Das Buch hat großen Anklang gefunden. Das Time Magazine zählt gemeinschaftlichen Konsum zu den zehn Ideen, die die Welt verändern. Und die Financial Times spricht von einer sozialen Revolution.

Daniel Bartel, Blogger und Berater, ist einer der Botschafter des gemeinschaftlichen Konsum. Auch er traut der Idee viel zu: „Es wird noch etwa zehn Jahre dauern, bis das Konzept die Massen erreicht. Spätestens dann wird es die Wirtschaft umkrempeln. Schon jetzt kann die Hotelindustrie kaum noch mit den Angeboten von Airbnb mithalten.“

Über diese Plattform (airbnb.com) werden Unterkünfte in derzeit 192 Ländern von Privat an Privat vermittelt, etwa eine Dachgeschosswohnung in Montmartre. Der US-Anbieter ist einer von vielen, die sich auf solche Übernachtungen spezialisieren – am klassischen Hotelmarkt vorbei.

Reichtum ohne Besitz

Was nicht allen gefällt, wie ein Fall aus den USA zeigt. Ein New Yorker hatte seine Wohnung über Airbnb untervermietet. Ein Verwaltungsrichter brummte ihm dafür eine saftige Geldstrafe auf. Airnbnb sieht sich durch dieses Urteil natürlich bedroht und will sich wehren – und dafür, wenn nötig, vors höchste US-Gericht ziehen. Zudem soll ein Infofenster auf der Seite installiert werden. Dieses klärt Vermieter über die Rechtssituation in ihrer Stadt auf.

Ein Gegenmodell zum Kapitalismus ist gemeinschaftlicher Konsum nicht. Es darf Geld verdient werden. Für den Einzelnen ergeben sich neue Einnahmequellen, erklärt Bartel: „Er kann vermieten, verkaufen und verleihen – ohne die Großen dazwischen. Unternehmen sollten diesen Trend nicht bekämpfen, sondern integrieren.“

Gemeinschaftlicher Konsum kann auch sozialen Nutzen erbringen: Die Leute glauben an Gemeingüter und vertrauen fremden Personen, ja, sogar Einsamkeit werde bekämpft, sagt Bartel, wenn eine vereinsamte Dame zum gemeinsamen Abendessen einlädt. Er ist sich sicher: Die Idee ändert die Wahrnehmung von Besitz. Wer erkennt, dass Besitzlosigkeit eine neue Art von Freiheit ist, gebe diesen Vorzug auch an andere weiter.

Mehrfach gebrauchte Güter ? ist das auch nachhaltig? Das Klima wird der gemeinschaftliche Konsum nicht retten, sagt Bartel. Es gehe ja nicht um geringeren Konsum, sondern um effizienteren. Nachhaltigkeit sei da nur ein Zusatzgewinn und nicht gegeben, wenn gebrauchte Gütern mehrfach verschickt werden – von Vancouver nach Paris und von dort nach Sydney. Auch Carsharing sei nicht so nachhaltig wie es scheint. Bartel: „Es kann dazu führen, dass nicht weniger, sondern mehr Auto gefahren wird.“

Parkplätze und Tomatenketchup

Immer mehr Menschen leihen sich einen PKW wenn sie mobil sein möchten. Selbst Parkflächen werden zum Leihobjekt. parkit.ch vermietet in der Schweiz öffentlich zugängliche Stellplätze stundenweise. Der Verdienst über diese App soll gar nicht schlecht sein: zwischen 100 und 350 Franken im Monat. Zudem werde der Suchverkehr eingedämmt, ist auf der Seite zu lesen.

Die Teil-Wirtschaft spezialisiert sich in allen Bereichen: Markenklamotten, Musikinstrumente, Yachten. Auf foodsharing.de sind Lebensmittel abzugeben, bevor sie verderben können ? mal schwedische Hackbällchen, mal Tomatenketchup. Im kulinarischen Bereich ist auch das Miteinander wichtig. Das Motto einer Seite: Finde heraus, was deine Nachbarn kochen.

Der gemeinschaftliche Konsum umfasst aber nicht nur materielle, sondern auch immaterielle Dinge, wie Spezialwissen zu unterschiedlichen Bereichen. Die Seite coursera.org bietet Online-Kurse in Virologie oder digitaler Signalverarbeitung an. Nicht von irgendwem, sondern von angesehenen Institutionen, wie Princeton oder der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Das Netz ist der Ort, an dem getauscht und geliehen wird. pumpipumpe.ch versucht die Idee aus dem digitalen Raum herauszulösen. Auf dieser Seite werden Mixer, Küchenwaagen, Sägen, Nähmaschinen, Waffeleisen und Guglhupfformen angeboten – allerdings nur als Aufkleber. Diese können online bestellt und an den Briefkasten geklebt werden. Dann wissen Passanten: Hier gibt es was zu leihen. Das Ziel des Meteor Colletifs aus Bern: Die Leute sollen nebenan klingeln, wenn sie eine Leiter brauchen. Das ist immer noch der kürzeste Weg.

kokonsum.org


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