ROM IN TRIER: Große Stadt, kleine Träume

Vor fast 2.000 Jahren haben die Römer nicht nur die Porta Nigra erbaut, sondern Trier zu einer der wichtigsten Städte des Reiches gemacht. Den „Traum von Rom“ träumten sowohl große Bauherren als auch die konsumfreudige Mittelschicht.

Die Gräberstraße mit den schönsten Monumenten der Trierer Sammlung. Abgedunkelt liefert der Raum die Kulisse für die Multimedia-Show „Im Reich der Schatten“.

Zum Einkaufen nach Trier gewesen? Aber klar. Für die Kellerbar `nen Maßkrug mit Trinkspruch drauf mitgebracht, für den Garten eine Wasser speiendende Eidechse im römischen Stil. Alles Kitsch, völlig unauthentisch? Keineswegs. Sowas gab es schon, als Trier noch Augusta Treverorum hieß und die größte Stadt nördlich der Alpen war. Neugierig? Wer beim nächsten Trier-Ausflug die Ausstellung „Ein Traum von Rom“ im Rheinischen Landesmuseum besucht, erfährt mehr über Trierer Spruchbecher und antikes Gartendekor. Und darüber, dass sich vor 2.000 Jahren die Hochburg der gallo-römischen Kultur knapp 50 Kilometer von Luxemburg entfernt befand.

Die Treppe hinaufkommend, ist das erste, was BesucherInnen erblicken, das Modell eines Amphitheaters. Nachgebildet ist aber nicht das Trierer Theater, noch heute zu besichtigen, sondern das Kolosseum in Rom. Wie diese Arena mit 50.000 Plätzen Vorbild für das 18.000-Personen-Theater am Petrisberg war, so waren auch die urbane Architektur und das Stadtleben Roms Vorbilder für aufstrebende Städte überall im Römischen Reich. Im ersten Saal der Ausstellung wird diese These veranschaulicht: Ein Übersichtsplan der Stadt am Tiber zeigt die Lage bestimmter urbaner Infrastrukturen, wie Forum und Tempel, Amphitheater und Thermen. Diese findet man dann zum Teil auf den Stadtplänen mehrerer Siedlungen in Südwestdeutschland wieder – am besten ausgestattet ist natürlich die „Colonia Augusta Treverorum“.

Augen auf!

Der Film, der im Panorama-Projektionssaal im mittleren Teil der Ausstellung gezeigt wird, arbeitet diese Ähnlichkeiten ebenfalls heraus. Für Trier-Kenner ist es interessant, sich vor Augen zu führen, wie die Stadt vor 2.000 Jahren aussah. Verschwunden sind im heutigen Stadtbild unter anderem die Rennbahn, das Forum und das regelmäßige Straßenmuster, geblieben sind die Porta und mehrere Thermenanlagen. Auch die Basilika wurde auf den Grundmauern eines spätrömischen Gebäudes errichtet und der ganze Bereich bereits vorher als Verwaltungsbezirk genutzt. So lassen die Übersichtskarten die bereits bekannten einzelnen Bauwerke als Teil eines Ganzen erkennen. Und die gesamte Ausstellung bettet die in Trier und anderswo zu sehenden römischen Fundstücke in den Zusammenhang des antiken Gesellschafts- und Privatlebens ein.

Damit soll nicht gesagt werden, dass diese Ausstellungsstücke nicht für sich stehen könnten, im Gegenteil. Alleine schon im ersten Saal finden aufmerksame BesucherInnen neben den großen Wandplänen einen im Vorort Trier-Pallien gefundenen Stiftungsstein mit einem wunderschönen Adler-mit-Schlange-Relief. Leicht zu übersehen aber bemerkenswert sind auch die aus schwarzglänzendem Gagat geschnitzten Objekte, die von Britannien nach Trier importiert wurden. Dasselbe gilt für die Wandverkleidung aus schwarzem Marmor, die neben den bunten Wandmalereien unscheinbar wirkt, aber eine jugendstilartige Eleganz ausstrahlt.

Und dann die Statuen! Ob Würdenträger in repräsentativer Pose oder modisch gekleidete Frau mit gekonnt nachgebildetem Faltenwurf ? die Präsenz der steinernen Figuren gibt dieser längst versunkenen Welt eine menschliche Dimension, beinahe wie dies Fotografien in Ausstellungen über jüngere Geschichte tun. Zu jedem einzelnen Stück könnte er mindestens fünf Minuten lang erzählen, versichert der Direktor des Museums, Marcus Reuter, während einer Führung. Der Rom-Experte freut sich, dass er für diese Ausstellung dutzendfach „Spitzenexponate“ aus ihrem Depot-Dasein befreien konnte.

Schatz-Eimer und Biergarten

Wie reichlich das Depot, also die Reserve des Museums, ausgestattet ist, zeigt der „Schutthaufen“ in der Mitte des letzten Saals der Ausstellung. „Aus der Traum“ steht dort an der Wand; gemeint ist der Zusammenbruch der römischen Herrschaft in Gallien und Germanien. Steinerne Monumente und Statuen wurden zerschlagen und verbaut, Marmor in Kalköfen zu Baumaterial verarbeitet. Der Schutthaufen symbolisiert das „Recycling“ dieser wertvollen Stücke – und besteht aus Original-Bruchstücken aus dem Depot! Doch nicht nur in Sachen Marmor ist das Museum gut ausgestattet. Der mit Schätzen verwöhnte Direktor zeigt auf zwei Wandmalereien: links eine Leihgabe aus der Dauerausstellung des Landesmuseums Württemberg, rechts die – viel schönere – aus Trier, die aber die meiste Zeit im Depot verbleiben muss.

Die Dauerausstellung des Rheinischen Landesmuseums, vermutlich reicher an römischen Fundstücken als ein „Best of“ aller restlichen deutschen Museen, sollte man sich nicht entgehen lassen. Alleine schon wegen des einzigartigen sogenannten „Trierer Goldmünzenschatzes“, der 1993 zufällig beim Bau eines Parkhauses entdeckt wurde. Die 2.500 römischen Goldmünzen können in einem speziell eingerichteten Raum besichtigt werden. Am Eingang ist auch der Plastikeimer zu sehen, in dem damals ein Hobby-Münzsammler die fast 20 Kilo Gold abtransportiert und später ins Museum gebracht hatte. Der „Goldmünzenschatz“ ist der größte Fund dieser Art aus der römischen Antike und enthält viele seltene und bis dahin unbekannte Münztypen.

Ansonsten reicht die Sammlung vom Riesenhirschgeweih aus der Urzeit über zahlreiche römische Mosaike und Statuen bis hin zum fünf Meter hohen Triumphbogen, den sich der Domdekan Christoph von Rheineck zur Renaissancezeit als Grabmal errichten ließ. Besonders interessant in Bezug auf die Traum-von-Rom-Ausstellung sind die den Römerbrücken gewidmeten Exponate. Denn es war der verkehrstechnisch wichtige Moselübergang, der Triers Bedeutung begründete. Bemerkenswert ist, dass die Basaltpfeiler, auf denen die heutige Römerbrücke ruht, um das Jahr 150 beim Bau der dritten Brücke errichtet wurden. Darüber hinaus stellt das ästhetisch gelungene Modell der spätantiken Stadt im Obergeschoss eine plastische Ergänzung zu den Wandkarten der Sonderausstellung dar.

Homo im Mittelpunkt

Doch das Museum hat mehr zu bieten als nur Exponate und gut verständliche Begleittexte. Die in Welschbillig gefundenen Hermen – steinerne Porträtköpfe – von Göttern, Philosophen, Dichtern und Politikern sind in einem lichtdurchfluteten Raum ausgestellt – mit Blick auf den Biergarten des zum Museum gehörenden Zeitsprung-Cafés. Hier kann man den Museumsbesuch unterbrechen, sich im Café stärken und nach einem Spaziergang im Palastgarten mit dem Rundgang fortfahren. Der Lichteinfall ist es auch, der den Charme der Galerie zum Thema römische Religion ausmacht. Die leicht chaotische Anordnung der Götterstatuen ist für das Auge gefällig und steht wohl für die Unübersichtlichkeit des gallo-germano-römischen Pantheons.

Gleich daneben befindet sich die große Galerie mit den Grabmälern. Es lohnt sich, an einer der dort zweimal täglich stattfindenden Vorstellungen der Multimedia-Show „Im Reich der Schatten“ teilzunehmen. Man durchlebt dabei die Geschichte eines um seine geliebte Frau trauernden Römers, der sich vom Gott Merkur durch die Unterwelt führen lässt. Mit Dialogen und Lichteffekten vermittelt die Show ein Gefühl für die Geistes- und Lebenswelt der damaligen Menschen (siehe Kasten).

Die Menschen sind es, um die sich auch in „Ein Traum von Rom“ immer wieder alles dreht. Unter der Inschrift „Gesichter einer Stadt“ sind Statuenköpfe von Männern, Frauen und Kindern angeordnet – in Trier kamen damals Menschen aus allen Ecken des römischen Reiches zusammen. In einer Vitrine daneben dann der „Ureinwohner“: eine kleine Bronzestatue eines Treverers im wetterfesten Umhang mit Kapuze. Ein bisschen mag die damalige Situation jener des heutigen Luxemburgs geglichen haben, in dem Alteingesessene neben dem Völkergemisch leben, das mit der Entwicklung der Stadt zum Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum entstanden ist.

Austern und Mosaike

Mehr dazu erfährt man im – für historisch interessierte Besucher empfehlenswerten – Begleitband zur Ausstellung. Dort ist auch das Schicksal eines typischen römischen „Expats“, Titus Varius Clemens, dokumentiert: Aus Celeia im heutigen Slowenien stammend, diente er sich erst in der militärischen, dann in der zivilen Hierarchie hoch. In Trier residierte er als Finanzprokurator für die drei gallischen und germanischen Provinzen, um später in den Beraterkreis des Kaisers Marc Aurel aufzusteigen. Zu diesem Zeitpunkt ließ die Civitas Treverorum, wie andere Städte auch, dem Würdenträger in dessen Heimatstadt ein großes Ehrenmonument errichten – damals gewiss ein aufwendiges und kostspieliges Unterfangen.

Zum Thema „Weltmarkt Römisches Reich“ hat das Museum einen Säulengang mit Lädenauslagen nachgebildet. Über Land- und Wasserwege importierte Trier Luxusprodukte aus dem ganzen Reich. Neben zahlreichen Amphoren sind auch bunte Einweg-Fläschchen für Kosmetikprodukte ausgestellt – und Austernschalen. Dass diese zum frischen Verzehr binnen 24 Stunden von der Küste herangeschafft werden konnten, zeugt von der Effizienz der Handelsverbindungen. Trier exportierte Wein und die passenden Spruchbecher – schwarze Tongefäße mit weißer Verzierung. Und das Trierer Tuch, das zwar als nicht sehr fein galt, dafür aber wetterfest war. Eine der in diesem Gewerbe erfolgreichen Familien, die Secundinier, ließen die berühmte Säule in Igel errichten. Eine Nachbildung des 23 Meter hohen Grabmals steht im Innenhof des Landesmuseums, wird aber zurzeit restauriert und ist deshalb abgedeckt. Die fürs Museum eingefärbten Reliefs zeigen unter anderem Darstellungen von Schiffen, Ochsenkarren und Pferdewagen, den Transportmitteln, denen die Familie ihren Wohlstand verdankte.

Wer Geld hatte, gab es aber nicht nur für Grabmäler aus, sondern auch für das, was in der Ausstellung als „Schöner Wohnen“ bezeichnet wird: Wandmalereien, Reliefs, Mosaike und Gartendekor. Die ausgestellten Stücke sind ästhetisch beeindruckend, die Reliefs mit den Alltagsszenen und die Wand mit den Graffiti geben Einblicke in das Leben der Menschen in Augusta Treverorum. Wohnte die Oberschicht in prunkvoll eingerichteten Villen in den Vorstädten, so hatten Mittel- und Unterschicht sich mit Wohnraum in den schachbrettartig angeordneten Insulae zu begnügen. Wie das Leben dort beschaffen war, veranschaulicht ein Modell eines solchen von vier Straßen eingefassten Wohnblocks – inklusive Graffiti an den Außenwänden. Dass es für alle diese Stadtbewohner eine gut funktionierende Wasserversorgung gab – und danach für anderthalb Jahrtausend nicht mehr -, belegen Überreste bleierner Leitungen, aber auch die bereits erwähnte Eidechse mit Wasseranschluss für den Ziergarten.

Alles in allem ist die Ausstellung „Ein Traum von Rom“ für ein breites Publikum bestens geeignet. Die Exponate sind wirksam in Szene gesetzt und mit gut verständlichen Erklärungstexten versehen, die oft auch Sprachwitz zeigen. Auch Audioguides sind verfügbar und die Räume – wichtig im Sommer – größtenteils gut klimatisiert. Wer wegen dieser Ausstellung nach Trier kommt, sollte auch das eine oder andere antike Bauwerk besichtigen – immerhin sind sie als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt. Bekannt sind die Porta Nigra, eines der römischen Stadttore, das später zur Kirche umfunktioniert wurde, und die Kaiserthermen. Die Ende der 1980er Jahre entdeckten Thermen am Viehmarkt kann man von außen durch die Wände des dort errichteten Glaswürfels sehen, sie können aber auch besichtigt werden. Das Amphitheater ist vom Landesmuseum aus zu Fuß zu erreichen, die Barbarathermen am anderen Ende der Stadt sind jedoch zurzeit geschlossen. Wer mehrere Bauwerke besichtigen will, kann Geld sparen mit der „Antikencard“, die auch eine Ermäßigung für die „Im Reich der Schatten“-Show beinhaltet. Freier Eintritt gilt für die Besichtigung der Basilika sowie für die Römerbrücke, deren Pfeiler man vom Wanderweg am Ostufer besonders gut sehen kann.

Ein Traum von Rom, bis zum 28. September 2014 im Rheinischen Landesmuseum Trier (zwischen Kaiserthermen und Palastgarten, Eingang an der Ostseite)

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Im Reich der Schatten
„Gaius Albinius Asper, was tust du da?“, flüstert die Stimme. Der Trierer Kaufmann steht verzweifelt am Grab seiner Frau Secundia, als ihn jemand stört, jemand der unsichtbar ist und ihn noch dazu für seine Trauer verspottet – der römische Gott Merkur. So beginnt die 45-minütige Multimediashow in der großen „Gräberstraße“ des Landesmuseums. Im abgedunkelten Saal verfolgen die BesucherInnen die Reise des Gaius Albinius durch die Unterwelt auf der Suche nach seiner geliebten Frau.
Menschen und Götter sind als Schatten dargestellt, doch die ausdrucksstarke Vertonung und die Lichteffekte lassen den Besucher ganz in die Geschichte eintauchen. Besonders spektakulär wirken die animierten Sequenzen: herumschwärmende Seelen im Zwischenreich, ein riesiger Hund, der einen Hasen verfolgt, ein wildes Wagenrennen, eine furchterregende Fahrt auf einem reißenden Fluss.
Als Zuschauer weiß man nicht, wohin man schauen soll, weil über ein Dutzend Projektoren, teils auf die Wände, teils auf die Grabmäler gerichtet, die Geschehnisse um einen her ablaufen lassen. Dabei wird auch die meist verloren gegangene und bestenfalls verblasste Originalbemalung der Grabreliefs mittels farbigen Lichts sichtbar gemacht. Bekannte Exponate wie das Weinschiff und das Schulrelief aus Neumagen werden zum Leben erweckt, eine via Projektion animierte Darstellung einer Schminkszene gibt Einblick in den Lebensalltag einer Matrone und ihrer Dienerinnen. Auch die Dialoge, gewürzt mit Passagen aus Klassikern wie Catulls Liebesgedichten, vermitteln einen Einblick in die Geistes- und Lebenswelt der damaligen Menschen.
„Du willst wirklich wissen, was mit den Menschen passiert, nach dem Tod?“, fragt Merkur. Manche der in Szene gesetzten Ideen lassen an christliche Vorstellungen wie Fegefeuer und Sünden denken. Doch Merkur, immer wieder mit spöttischem Unterton in der Stimme, tröstet Gaius Albinius mit Sätzen wie „Die Gestorbenen leben in der Erinnerung der Lebenden weiter – das ist Unsterblichkeit“. Und versucht, ihn seine Frau vergessen zu lassen, indem er ihm Wein, Wagenrennen, und eine schöne Tänzerin vorführt.
„Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird zu leben“, so lautet der Rat des dann doch wohlwollenden Gottes. Am Ende kehrt Gaius Albinius in die Welt der Lebenden zurück, steht – weiser geworden – wieder am Grab seiner Frau: „Lebe wohl und verzeih‘, ich erhalte mein Herz diesem Leben.“
www.im-reich-der-schatten.de


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