SEXARBEIT: Luxemburger Modell

Einen legalen Rahmen für freiwillige Prostitution versprach die Regierung in ihrem Koalitionsprogramm, doch das Projekt kommt nur schleppend voran.

Bei näherer Betrachtung hat sich der Umgang mit Sexarbeit dann doch geändert.

„(…) Der Kleinstaat an der Mosel (so groß wie das Saarland) ist ein Musterstaat an Prüderie, in dem wohlfeile Stimulanzien der Liebe noch weithin unbekannt – und teilweise auch unbegehrt – sind“ schrieb der „Spiegel“ im Februar 1967 über Luxemburg. „Die Hauptstadt Luxemburg (…) hat nur vier Nachtkabaretts und zwei versteckte Mini-Bordelle mit fader Belegschaft und mäßigem Komfort“ erklärte das Magazin. Auf das Luxemburg von heute treffen diese Aussagen wohl nur noch sehr eingeschränkt zu.

In einer Umfrage zum Thema Prostitution, die im Jahr 2012 von der damaligen Ministerin für Chancengleichheit Françoise Hetto-Gaasch vorgestellt wurde, waren 64 Prozent der Befragten der Meinung, Prostitution habe es schon immer gegeben. 73 Prozent waren der Überzeugung, man sollte Prostitution eher regulieren und organisieren, als repressiv gegen sie vorzugehen.

„Wir haben uns verschiedene ausländische Modelle angeschaut. Es wäre schade, wenn wir uns nur auf diese Modelle konzentrieren würden. Was wir brauchen, ist ein luxemburgisches Modell, weder ein schwedisches noch ein deutsches“ verkündete die aktuelle Ministerin für Chancengleichheit beim Pressebriefing am Mittwoch dieser Woche. Sie wolle gemeinsam mit dem Justizministerium eine „Commission jointe“ zum Thema Prostitution ins Leben rufen und eine „Orientierungsdebatte“ dazu im Parlament anstoßen.

In Luxemburg ist zwar Prostitution nicht generell verboten, „raccolage“, also das Anwerben von Kunden, und Zuhälterei sind es aber schon. Straßenprostitution wird in einigen Straßen des hauptstädtischen Bahnhofsviertels toleriert. Bordelle oder ähnliches gibt es offiziell nicht, immer wieder werden aber Fälle bekannt, in denen in „Cabarets“ und Nachtclubs Frauen zur Prostitution gezwungen werden. Einen rechtlichen Rahmen für SexarbeiterInnen gibt es – bisher – nicht. Der Koalitionsvertrag der blau-rot-grünen Regierung verspricht aber die Schaffung einer legalen Basis für freiwillige Prostitution, durch die die Prostituierten aus der Illegalität geholt werden können.

Verschiedene Modelle

Es gibt auf europäischer Ebene verschiedene Modelle für den Umgang mit Prostitution. In Deutschland, wo es laut Schätzungen bis zu 400.000 SexarbeiterInnen gibt, gilt seit einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin aus dem Jahr 2000 die Prostitution Volljähriger nicht mehr als sittenwidrig. Seit das „Prostitutionsgesetz“ 2002 in Kraft getreten ist, ist sie sogar legal. Laut diesem Gesetz hat einE ProstituierteR Anspruch auf Entgelt und kann sich in einer gesetzlichen Krankenkasse versichern lassen. Durch die teilweise Legalisierung von Prostitution ist Deutschland zu einer Art Prostitutions-Eldorado geworden, das Kunden aus ganz Europa anzieht. Im Zuge einer Neuregulierung des Prostitutionsgesetzes soll eine bundesweite Kondompflicht für Freier eingeführt werden. Auch verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen für Prostituierte und die Anhebung des legalen Mindestalters für SexarbeiterInnen
auf 21 Jahre werden diskutiert.

In Frankreich ist Prostitution formal zwar legal, Bordelle oder „maisons closes“ sind aber seit 1946 verboten. Seit 1960 ist Zuhälterei verboten. Im Jahr 2003 wurde unter der Regierung Sarkozy ein Gesetz zum Verbot des „passiven Anwerbens“ verabschiedet. Ende 2013 wurde ein Gesetz zur Bestrafung der Kunden Prostituierter zwar durch das Parlament beschlossen, dann jedoch durch die zuständige Kommission des Senats abgelehnt. Das Gesetzesprojekt sah unter anderem Geldstrafen von bis zu 1.500 Euro für Freier vor. Die Senatskommission argumentierte, eine solche Kriminalisierung der Kunden zwinge SexarbeiterInnen zur Arbeit im Verborgenen und setze sie neuen Risiken aus.

Das Prinzip der Kriminalisierung der Freier besteht in Schweden schon seit 1999. Prostitution wird seitdem als Gewalt gegen Frauen definiert und ist verboten, Freier können mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden, die SexarbeiterInnen bleiben straffrei. Dahinter steht die Grundannahme, dass Prostitution nicht freiwilliger Natur sein kann. KritikerInnen argumentieren, seit Einführung des Prostitutionsgesetzes sei die Prostitution zwar aus dem Straßenbild verschwunden, aber nur, weil sie in den Untergrund abgewandert sei. Die Situation der SexarbeiterInnen habe sich erheblich verschlechtert.

Fahrverbote im Bahnhofsviertel

In Luxemburg wird Prostitution vor allem dann zum Thema, wenn sich AnwohnerInnen über den Straßenstrich im Bahnhofsviertel beschweren. Nachdem Anfang des Jahres BewohnerInnen und Geschäftsleute aus der Rue de Strasbourg und den umliegenden Straßen ihrem Ärger über die aus ihrer Sicht „überhandnehmende“ Straßenprostitution Luft machten, versucht die Stadt Luxemburg mit allen Mitteln, gegen diese vorzugehen. So wurde im Mai diesen Jahres entschieden, ein Fahrverbot für einige Straßen des Bahnhofsviertels einzuführen. Die Polizeikontrollen im gesamten Viertel wurden verschärft. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des LSAP-Abgeordneten Franz Fayot versicherte Justizminister Felix Braz, dass die Kontrollen „Früchte tragen“. Aus einem Schreiben des Innenministers Etienne Schneider geht jedoch auch hervor, dass sich der Strich in andere, nicht vom Fahrverbot betroffene Straßen verlagert hat.

Braz verwies in seiner Antwort auf die nationale Prostitutionsplattform, die 2012 durch das Ministerium für Chancengleichheit ins Leben gerufen wurde und VertreterInnen des Sozialdienstes der Stadt Luxemburg, des Ministeriums für Chancengleichheit, des Justizministeriums, des Roten Kreuzes, der Staatsanwaltschaft, der Polizei und von „Dropin“ und „HIV-Berodung“ umfasst – aber ohne die Mitarbeit von Betroffenen auszukommen scheint. Die „plateforme prostitution“ sollte ein Konzept zum Thema Prostitution ausarbeiten, das auch legislative Maßnahmen umfasst. Der Bericht der Plattform liegt den zuständigen Ministerien jetzt vor. Laut der Ministerin für Chancengleichheit Lydia Mutsch enthält es neben einem „Exit“- also einem Ausstiegsprogramm für SexarbeiterInnen – auch die Möglichkeit, sich gesetzlich versichern zu lassen. Außerdem sollen StreetworkerInnen besser ausgerüstet werden.

Offene Fragen

Laut „Lëtzebuerger Land“ vom 29. August birgt das Papier, in das die Zeitung Einsicht haben konnte, „trotz monatelanger Beratungen kaum neue Momente“. So gehe es zwar detailliert auf das „schwedische Modell“ und dessen Unzulänglichkeiten ein, Vorschläge zur Verbesserung der Lebensbedingungen von SexarbeiterInnen würden jedoch „vergleichsweise kurz abgehandelt“. Zum Beispiel lasse die sogenannte „Exit“-Strategie „Fragen offen“. Diese Strategie sehe nämlich vor, dass sich (ehemalige) SexarbeiterInnen bei der Adem melden und auf andere Berufe umsteigen können. Wie genau die „Umschulung“ dann aussieht und welche beruflichen Perspektiven es für Frauen gibt, „die oft nicht die Sprache des Landes sprechen, in dem sie arbeiten, die häufig keine Papier haben und illegal im Land sind“, darauf liefere der Bericht keine Antwort. Insgesamt beschränke er sich auf „pragmatische Empfehlungen“, deren Umsetzung und Finanzierung aber „nicht gesichert“ erscheinen. Verschiedene Spezifitäten der Prostitution in Luxemburg, wie der hohe Anteil an AusländerInnen unter den SexarbeiterInnen, würden nicht berücksichtigt.

Wie so oft hinkt Luxemburg also auch bei der Schaffung eines legalen Rahmens für die Prostitution hinterher. Dabei wären tiefgreifende Veränderungen zweifellos wünschenswerter als kurzfristige Maßnahmen, wie Fahrverbote und Straßensperrungen. Doch um wirklich effektiv handeln zu können, wäre auch die Mitarbeit von Betroffenen erforderlich. Eine Plattform, in der alle möglichen Instanzen, nicht aber die SexarbeiterInnen selbst, vertreten sind, kann nur schwer auf deren Interessen und Wünsche eingehen. Dabei sollte eigentlich der Schutz der Betroffenen vor Ausbeutung, Gewalt und Menschenhandel an erster Stelle stehen.


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