ALFRED SEILAND: Zwischen Stadtmauer und Imbissbude

Von Armenien bis Portugal, von England bis Mauretanien – das römische Reich reichte weit über die Grenzen des heutigen Europa hinaus. „Imperium Romanum“, Ausstellung des österreichischen Fotografen Alfred Seiland im hauptstädtischen Musée national d’histoire et d’art begibt sich auf Spurensuche.

Auf den Spuren des alten Roms: Um Qais, Gadara, Jordanien – Aus der Ausstellung „Imperium Romanum“.

Frankreich: Ein Mann in kurzen Hosen, mit freiem Oberkörper, sitzt in der Sonne. Er scheint das Leben in vollen Zügen zu genießen. Hinter ihm ragt eindrucksvoll der Pont du Gard auf. Der römische Aquädukt, wahrscheinlich Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus als Teil einer 50 Kilometer langen Wasserleitung erbaut, zählt zu den wichtigsten erhalten gebliebenen Brückenbauwerken der antiken römischen Welt. Den Mann in Shorts scheint das nicht sonderlich zu interessieren.

Alfred Seiland, 1952 in Österreich geboren, ist Landschaftsfotograf und Professor für Fotografie an der Staatlichen Akademie für bildende Künste in Stuttgart. Er arbeitet unter anderem als freischaffender Fotograf für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Italien: Das römische Kolosseum in seiner ganzen Pracht. Zwischen 72 und 80 nach Christus erbaut, zählt das Amphitheater zu den Wahrzeichen Roms. Doch wo einst grausame Gladiatorenkämpfe und blutige Tierhetzen stattfanden, sind jetzt nur noch Horden von Touristen anzutreffen. Davon zeugt auch das Foto aus „Imperium Romanum“: Vor dem Kolosseum steht eine Imbissbude, die Hot Dogs und Pizzas verkauft. „Storia di Roma“ steht auf der Bude.

Aus Seilands Fotografien kann man ohne weiteres seine Begeisterung und seine Faszination für das Antike erspüren. Es sind meistens großflächige Landschaftsaufnahmen, wie sie in jedem Reiseführer und auf jeder Postkarte zu sehen sind. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick gibt es immer etwas im Bild, das stört. Halbnackte Touristen zum Beispiel, mit Kameras und Wanderstöcken bewaffnet. Müll. Souvenirshops und Imbissbuden. Fremdkörper, sozusagen.

England: Colchester, Camulodunum auf Latein, war einst das politische und kulturelle Zentrum des Keltenstammes der Trinovanten. Nach der römischen Invasion Britanniens Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus stieg die Stadt zur Provinzhauptstadt auf. Geschützt wurde sie durch eine fast drei Kilometer lange und sechs Meter hohe Mauer. Große Teile dieser Stadtmauer stehen heute noch. Ein Teil davon ist in „Imperium Romanum“ zu sehen. Davor: Jugendliche, ein Junge auf einem Fahrrad. Daneben, auf dem Foto: Ein Pub, der „Hole in the Wall“ heißt.

Die Fotografien wirken surreal, unwirklich, befremdlich. Vielleicht liegt es an den übersättigten Farben, bedingt durch Seilands Analogkamera, vielleicht an den Lichteffekten, mit denen der Fotograf spielt. Oder aber an den Widersprüchen und Spannungen, die in den Bildern zu Tage treten. Vielleicht liegt es auch an der Kombination all dieser Faktoren.

„Imperium Romanum“ wirft Fragen auf: Die nach unserem Verhältnis zur Geschichte beispielsweise, oder die nach unserem Umgang mit dem kulturellen Erbe. Die Bilder zeugen mal von Respekt- oder Achtlosigkeit, mal von schierer Vergessenheit. Einige der Stätten, die Seiland aufgesucht hat, sind für den normalen Touristen unerreichbar, weil zu abgelegen und verborgen. Andere wiederum sind geradezu überlaufen von Besuchern.

Manche Bilder lassen einen laut auflachen ob der geschickt eingefangenen Komik der abgebildeten Situation. Bei anderen bleibt einem das Lachen im Halse stecken – wie achtlos kann man eigentlich mit Geschichte umgehen?

Bis zum 15. Februar 2015 im Musée national d’histoire et d’art Luxembourg.


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