RESIDENZWAHLRECHT: Ratio statt Emotionen

Während die Regierung mit der groß angekündigten Debatte zu den anstehenden Referenden und der Frage des Residenzwahlrechts noch auf sich warten lässt, nimmt nun ein nicht unbeträchtlicher Teil der Zivilgesellschaft das Blatt in die Hand.

„Wir wollen eine offene und sachliche Diskussion in Sachen Residenzwahlrecht“ gab der Vizepräsident der Ligue des droits de l’Homme (LDH), Jean-Louis Schlesser, die Richtung vor. Die Plattform „Migration und Integration“ (Minté), ein breiter Zusammenschluss von diversen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gewerkschaften, wurde zu dem Zweck wiederbelebt. „Wir sind ein ziemlich großer Verein mit sehr unterschiedlichen Sensibilitäten“, erklärte Schlesser und hob hervor, dass man sich „auf einen gemeinsamen Nenner“ geeinigt habe: Ja zur Erweiterung des nationalen Wahlrechts auf alle Bewohner des Landes.

Man wolle weder „einen Kulturkampf zwischen vermeintlich Fortschrittlichen und Ewiggestrigen heraufbeschwören“ noch die für Juni angesetzte Befragung zu einem „Referendum für oder gegen die Regierung“ machen, unterstrich der Vizepräsident der LDH. Mit dem Rückgriff auf eine Parole des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs – „no taxation without representation“ – untermauerte er die Forderung nach einem Mitentscheidungsrecht „für alle, die hier leben und Steuern zahlen“.

Für Laura Zuccoli, Präsidentin der Asti, geht es vor allem darum, „einen breiten Konsens“ für das Residenzwahlrecht in der Gesellschaft zu finden. Zu diesem Zweck sei man bereit, die Frage der Bedingungen – zehn Jahre Aufenthalt in Luxemburg, vorherige Einschreibung auf den Wählerlisten für Europa- oder Kommunalwahlen – zunächst auszuklammern.

In diesem Punkt überschneidet sich die Position der Plattform mit dem Positionspapier, das das Clae am 27. Januar verabschiedet hatte. Auch dort heißt es, man sei, um eine Kristallisierung der in der Gesellschaft vorhandenen Ängste und Vorbehalte zu verhindern, bereit, die von der Regierung vorgeschlagenen Bedingungen zu akzeptieren. Ob das Clae sich dem Bündnis anschließen wird, war bei der Pressekonferenz in den Lokalen der Asti noch nicht zu erfahren. Allerdings zeigte sich Laura Zuccoli diesbezüglich zuversichtlich.

Um die Debatte „weg von der emotionalen Ebene, die man nicht einfach vergessen kann, hin zur rationalen Ebene zu bringen“, wie es Serge-Arno Klümper ausdrückte, hat das „Minté“-Bündnis ein ausführliches Positions- und Argumentationspapier, sowie eine für das breitere Publikum gedachte Broschüre ausgearbeitet. Darin werden neben den Argumenten für das Residenz- oder Ausländerwahlrecht – demokratische Notwendigkeit, demographische Besonderheit Luxemburgs, Stärkung der Integration und Dynamisierung der Gesellschaft – auch die Bedenken der Gegner thematisiert und zu entkräften gesucht.

Ausführlich wird das Argument der Schwächung der kulturellen und sprachlichen Identität Luxemburgs behandelt: „Viele in Luxemburg ansässige Ausländer, und sogar einige Luxemburger, fühlen sich in einer anderen Sprache wohler und interessieren sich dennoch für nationale Politik“ heißt es beispielsweise. Auch die These, nach der die Erweiterung des Wahlrechts eine Destabilisierung des politischen Systems durch die Entstehung von Parallelgesellschaften mit sich bringen würde, wird zurückgewiesen. Für das Bündnis ist die „Gefahr des Kommunitarismus viel größer, wenn sich ganze Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen fühlen“.

Wie geht’s weiter? „Wir sind bei allen Parteien, aber auch bei der Chambre du commerce und der Chambre des salariés sowie einzelnen ihrer Mitglieder vorstellig geworden“, erklärt Zuccoli. Außerdem habe man die zivilgesellschaftlichen Organisationen in ihrer ganzen Bandbreite brieflich dazu aufgefordert, die Kampagne für das Residenzwahlrecht zu unterstützen. „Wir haben jedenfalls das Gefühl, gut vorbereitet zu sein und zu wissen, wo wir hin wollen“ unterstrich die Präsidentin der Asti. „Und wenn das Referendum negativ ausgehen sollte, haben wir wenigstens die Debatte lanciert.“

Mehr Informationen unter www.minte.lu


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