Abschiebungen als Strafe: Moralischer Tiefpunkt

Deutschland schiebt unter viel Kritik Straftäter nach Afghanistan ab. In Luxemburg findet die Idee Anklang: Ein DP-Abgeordneter plädierte dafür. Bereitet die CSV-DP-Koalition nun das Feld für die ADR?

Im September 2022 feierten die Taliban ihre Machtübernahme in den Straßen Kabuls. Nun wollen „liberale“ Politiker Menschen in den faschistischen Gottesstaat abschieben. (Foto: Callum Darragh)

Es ist nur ein kurzer Satz, der eher beiläufig fällt. Im RTL-Interview am vergangenen Montag sagte der DP-Abgeordnete Gilles Baum, er halte die Politik Deutschlands in Sachen Abschiebungen für „den richtigen Weg“. Kurz davor hatte er noch die AfD und deren Pläne zur massenhaften Deportierung von Ausländer*innen kritisiert. Die Methoden der deutschen Regierung, die über Katar als „Mittelsmann“ mit den Taliban in Afghanistan verhandelte und nun Straftäter in das islamistisch regierte Land abschob, gefallen ihm hingegen gut. Innenminister Léon Gloden (CSV) forderte am Donnerstagmorgen auf RTL eine „europäische Lösung“ für diese Fragen. Er behauptete auch, dass „manche Regionen“ in Syrien sicher seien.

Damit stellen Mitglieder der Regierungskoalition nicht nur Menschenrechte, sondern auch geltendes internationales und nationales Recht infrage. Die Europäische Menschenrechtskonvention beinhaltet ein absolutes Refoulementverbot in Länder, in denen Folter und unmenschliche Behandlung drohen. Das gilt zum Beispiel für Länder wie Syrien, in denen ein Bürger*innenkrieg tobt. Im Klartext bedeutet es, dass die Menschenwürde als höchstes Gut zu betrachten ist und damit auch schwere Straftäter*innen nicht abgeschoben werden können. In Afghanistan sind laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und Entführungen an der Tagesordnung.

Eine Abschiebung kann in unserem Rechtsstaat keine Strafe sein.

Es ist schon reichlich absurd, dass Deutschland Menschen in ein Land abschiebt, mit deren Machthabern es nur über einen „Mittelsmann“ verhandeln will. Blickt man dann noch auf die aktuellen Ereignisse im islamistisch regierten Land, so muss man sich schon ernsthaft fragen, aus welcher Motivation heraus man Menschen dorthin schicken will. Am 23. August präsentierte das Taliban-Regime sein neues „Tugendgesetz“. Frauen werden quasi komplett aus dem öffentlichen Leben gedrängt, neben einem Schleiergebot dürfen sie nicht einmal mehr in der Öffentlichkeit singen oder vorlesen. Auch die Publikation von Bildern von Lebewesen ist verboten, was die Medien noch weiter einschränkt. Kurz gesagt: In Afghanistan herrscht ein religiöser Faschismus, der gegen alle Menschenrechte verstößt.

(Foto: Voice of America News/public domain)

Eine Abschiebung kann in unserem Rechtsstaat keine Strafe sein. Das verbietet schon das elementare Prinzip, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Wer jetzt fordert, straffällige Menschen in ein solches Land abzuschieben, will eigentlich nur eins: Rachegelüste befriedigen. Hinter der Forderung steckt ja immerhin der Wunsch, die Abgeschobenen erhielten in ihrem Heimatland eine härtere Strafe. Die aus Deutschland Abgeschobenen sind nun in einem Gefängnis untergebracht, in dem im Winter 2022 120 Menschen erfroren und dessen hygienische Zustände katastrophal sind. Wenn es um Abschiebungen in Länder geht, in denen Krieg herrscht, sind die in Kauf genommenen Konsequenzen potenziell ja noch schlimmer. Käme eine solche Forderung von der ADR, würde das nicht so sehr verwundern. Deren Präsidentin wünscht sich immerhin eine Regierungsbeteiligung der als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD-Landesverbände Sachsens und Thüringens.

Doch auch in der DP scheint man nicht schlau genug, die Lehren aus den vergangenen Jahrzehnten zu ziehen: Wer Rechtspopulist*innnen und -extreme nachäfft, verkommt nur zu deren Steigbügelhalter*in. Man normalisiert damit den rechtsextremen Diskurs. Politiker*innen tun dies, weil sie sich mehr Erfolg bei Wahlen erhoffen, aber die Wähler*innen werden immer das Original wählen, statt dessen liberale Kopie.


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