Gérard Schockmel greift in einem Gastbeitrag den Feminismus mit frauenfeindlicher Rhetorik an. Der Fall zeigt, wie dringend weite Teile der Politik sich ernsthaft mit Antifeminismus auseinandersetzen müssen.

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Von einer „rücksichtslosen Ideologie“, einem „Diktat des Feminismus“ und der „Diskriminierung des Mannes“ schreibt Gérard Schockmel in einem Gastbeitrag zur Abtreibungsdebatte im „Luxemburger Wort“. Was da als sachliche Einordnung verkauft wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als das intellektuelle Äquivalent eines empörten Facebook-Kommentars.
Seine ablehnende Haltung zur Verankerung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung ist nicht neu. Neu ist jedoch die Schärfe, mit der er sie nun vorträgt. Insbesondere in Bezug auf den Feminismus, der von ihm als monolithische, hasserfüllte Ideologie dargestellt wird. Was er als „Feminismus“ bezeichnet, ist eine diffuse Bedrohung, ein Schreckgespenst, das für alles herhalten muss, was ihm ideologisch missfällt. Es fragt sich unweigerlich, wie fragil ein Weltbild sein muss, das schon ins Wanken gerät, wenn Menschen etwas einfordern, das nicht speziell auf cis Männer ausgerichtet ist.
Die eigentliche Provokation des Feminismus liegt für Schockmel offenbar nicht darin, was er tut, sondern dass er existiert. Dabei fällt die Bilanz der Gleichstellungspolitik in Luxemburg alles andere als revolutionär aus: sie ist zäh, konfliktscheu, oft kosmetisch. Eine konkrete Umverteilung von Macht und Ressourcen lässt auf sich warten. Wer hier bereits von „ideologischem Extremismus“ spricht, will keine Debatte, sondern das Gegenteil: sie im Keim ersticken.
Doch mehr noch: Was Schockmel hier formuliert, ist nicht nur antifeministisch – es ist frauenfeindlich. Seine Aussagen implizieren, dass Frauen, die für Gleichberechtigung eintreten, eine Gefahr für den sozialen Zusammenhalt darstellen. Dass politisch engagierte Frauen lediglich auf „Posten und Privilegien“ aus sind. Es ist ein Weltbild, das die politische Mitsprache von Frauen delegitimieren möchte – insbesondere wenn es um grundlegende Fragen wie körperliche Selbstbestimmung geht. Wenn Schockmel schreibt, der Feminismus wolle „gewaltsam“ Frauen „in höhere Ämter befördern“, dann ist das nicht nur absurd – es ist ein Ausdruck tiefen Misstrauens gegenüber jeder Form weiblicher Teilhabe.
Normalisierung von Frauenfeindlichkeit
Die Problematik reicht dabei weit über die Person Schockmel hinaus. Sein Beitrag ist ein Symptom für eine antifeministische Rhetorik, die mittlerweile im gesellschaftlichen Mainstream angekommen ist. Der Text erschien ungefiltert im „Luxemburger Wort“ – ohne Einordnung, ohne Gegenrede, begleitet von einem lapidaren Disclaimer, es handle sich um die Meinung des Autors. Ein Medium, das sich zur publizistischen Verantwortung bekennt, kann sich nicht hinter der Meinungsfreiheit verstecken, wenn es misogynen Ressentiments und falschen Behauptungen eine Bühne bietet. Wer einem Abgeordneten Raum gibt, um Frauenrechte pauschal als ideologisch motivierte Gefahr darzustellen, muss sich fragen lassen, welche redaktionellen Standards hier gelten – und wo die Grenze zur Normalisierung von Hass verläuft.
Dass ein Abgeordneter der liberalen DP solche Thesen öffentlich vertreten kann, ohne dass dies sofort politische Konsequenzen nach sich zieht, ist ebenfalls bezeichnend. DP-Parteipräsidentin Carole Hartmann betonte, dass Schockmel „nicht im Namen der Partei“ spreche und „nicht die Linie“ der DP vertrete – ohne jedoch zu erklären, warum seine Aussagen problematisch sind. Der Verweis auf Meinungsfreiheit mag demokratisch klingen, dient hier aber vor allem dazu, sich politischer Verantwortung zu entziehen.
Auch auf Nachfrage der woxx bleibt die Position der DP nebulös. Zwar betont die Partei ihre historische Beteiligung an Reformen und ihre „klare Position“ zu Feminismus und Schwangerschaftsabbruch – doch wie diese konkret aussieht, bleibt offen. Statt sich inhaltlich mit der frauenfeindlichen Rhetorik eines eigenen Abgeordneten auseinanderzusetzen, verweist man auf liberale Grundwerte, prominente Frauen in Parteifunktionen und vergangene Errungenschaften. Das wirkt weniger wie eine inhaltlich begründete Position. Vielmehr erscheint es wie ein Balanceakt zwischen Schadensbegrenzung und Rücksichtnahme auf innerparteiliche Interessen.
Diese Reaktion ist kein Einzelfall. Auch bei früheren parteiinternen Skandalen – sei es bei Steuerhinterziehung, Plagiatsaffären oder Mobbing – fiel die DP weniger durch klare Haltung als durch Zögern oder Schweigen auf. Der Fall Schockmel reiht sich so nahtlos in eine lange Liste von Situationen, in denen die Partei es versäumt hat, konsequent Verantwortung zu übernehmen. Was als Liberalismus verkauft wird, wirkt zunehmend wie die Weigerung, zentrale Grundwerte zu verteidigen.
Verkannt und verklärt
Dass sich Schockmel so sicher in seiner Position fühlt, dass er sie mit dieser Wortwahl und in aller Öffentlichkeit vertreten kann, weist auf ein tieferliegendes Problem hin: Seine Rhetorik wird als normaler Debattenbeitrag verhandelt – nicht etwa als Ausdruck struktureller Frauenfeindlichkeit, sondern als bloßes Missverständnis, das sich mit einem Buchtipp oder einer Begriffsklärung ausräumen ließe.
So werden die Gefahren eines solchen Diskurses nicht nur verkannt, sondern geradezu verklärt: Statt zu benennen, dass hier ein Abgeordneter gezielt eine politische Stimmung gegen Gleichstellung befeuert, unterstellt man ihm Unwissenheit oder Begriffsstutzigkeit – als ginge es um Nachhilfe statt um Abgrenzung. Es ist bezeichnend, dass viele Reaktionen eher darauf abzielen, Schockmel den Feminismus oder die wahren Ursachen gesellschaftlicher Spaltung zu erklären, statt seine Aussagen als das zu benennen, was sie sind: ein Versuch, feministische Errungenschaften zu delegitimieren und den öffentlichen Diskurs gezielt nach rechts zu verschieben.
Doch immerhin: Eine von den Grünen initiierte Resolution zur Stärkung der Gleichstellung und gegen antifeministische Rhetorik wurde am 15. Oktober von der Abgeordnetenkammer angenommen – mit Ausnahme der ADR stimmten alleFraktionen zu. Die Resolution ist ein wichtiger symbolischer Schritt und verweist auf laufende Maßnahmen wie das geplante Gender-Audit im Parlament. Die Resolution enthält jedoch keine direkte Auseinandersetzung mit der frauenfeindlichen Rhetorik Schockmels – obwohl diese der Auslöser der Debatte war.
Schockmel selbst äußerte sich am Mittwoch in der Chamber zu den Vorwürfen – allerdings ohne auf seine antifeministischen Aussagen einzugehen. Stattdessen verwies er auf seine humanistische Haltung und betonte seine Nähe zu den Werten der DP – ein rhetorischer Trick, der seine Aussagen nicht entschärft, sondern normalisiert. Dabei versucht er, „guten“ (humanistischen) von „schlechtem“ (aktuellen) Feminismus abzugrenzen. Dass er sich im Plenum nicht etwa mäßigt, sondern seine Haltung bekräftigt, zeigt: Er sieht sich moralisch im Recht.
Was fehlt, ist das Bewusstsein, dass es hier nichts mehr zu erklären oder zu retten gibt – sondern klar und deutlich festzustellen: Schockmel vertritt frauenfeindliche Positionen mit dem Selbstbewusstsein, das ihm ein politisches Klima ermöglicht, das solche Haltungen duldet oder relativiert. Statt sich daran abzuarbeiten, wäre es an der Zeit, diese Debatte zum Anlass zu nehmen, sich als Partei, Fraktion oder Regierung klar und sichtbar für eine feministische Politik zu positionieren – nicht nur durch symbolische Bekenntnisse wie eine Resolution, sondern durch konkrete Konsequenzen und Maßnahmen, die auch Einzelpersonen in Verantwortung nehmen. Dass Schockmel seine Position im Parlament bekräftigt, ohne jegliche Einsicht oder Widerspruch, macht die Dringlichkeit solcher Konsequenzen nur umso deutlicher.
Anm.: Diese Fassung wurde gegenüber dem am Dienstag veröffentlichten Artikel überarbeitet und um die Ereignisse der Chambersitzung vom Mittwochmorgen ergänzt.

