Auf Netflix: Uncoupled

In den 1990er-Jahren hätte die Serie „Uncoupled“ allein mit ihrer schwulen Hauptfigur ein Zeichen gesetzt. Heute liegt die Latte höher. Schafft die Serie den Sprung?

Michael (Neil Patrick Harris) ist aufgebracht, weil er verlassen wurde – doch es gibt Schlimmeres in „Uncoupled“. (Fotos © Netflix)

Michaels (Neil Patrick Harris) Liebesglück liegt in Scherben: Sein Partner Colin (Tuc Watkins) macht nach siebzehn Jahren Beziehung unerwartet Schluss. Damit beginnt für den frisch gebackenen Single Michael die leidige Suche nach Gründen für das Liebesende und seinem Platz in der Gesellschaft. Hinter der Serie „Uncoupled“, im August auf Netflix erschienen, stecken die Produzenten Jeffrey Richman (unter anderem „Modern Family“) und Darren Star („Sex and the City“). Star schrieb mit „Sex and the City“ ein Stück Popkultur-Geschichte: Die Serie über vier New Yorkerinnen und ihre Beziehungsdramen wurde mehrfach verfilmt, kürzlich lief das Reboot „And Just like That“. Wer Rezensionen zu „Uncoupled“ liest, stößt dann auch sofort auf Vergleiche wie „Sex and the City auf schwul“ oder „Mix aus Sex and the City und How I Met Your Mother“. Das bringt auf den Punkt, woran es „Uncoupled“ fehlt: an Originalität und Zeitgeist.

Die Serien mit denen „Uncoupled“ verglichen wird, feierten in den späten 1990er-, frühen 2000er-Jahren Premiere – und in genau dieser Zeit hätte Richmans und Stars’ neue Serie einen Unterschied gemacht: Queere Figuren tauchten in großen Fernsehproduktionen entweder als überzeichnete Nebencharaktere oder gar nicht auf. Zwanzig Jahre später können weder Plot noch Charaktere von „Uncoupled“ mit anderen zeitgenössischen Produktionen über queeres Leben mithalten. Da gibt es zum Beispiel „Pose“ von Steven Canals, Brad Falchuk und Ryan Murphy: Die Serie gibt Einblicke in die Ballroom-Kultur der 1980er-Jahre, das Leben rassifizierter queerer Menschen und die ungleiche Behandlung von Aids-Patient*innen. „Uncoupled“ hingegen erzählt die Geschichte eines weißen, wohlhabenden, schwulen Mannes mit Liebeskummer – so what?

Von einem Fettnäpfchen 
ins nächste

Natürlich ist es schön, dass die Serie zur Sichtbarkeit schwuler Personen beiträgt. Es ist toll, dass Michael und Colins Rollen mit offen schwulen Schauspielern besetzt wurden sowie mit Richman und Star auch hinter der Kamera Männer standen, die mit einem Mann zusammen sind. Das ist in dem Fall aber offensichtlich kein Garant dafür, dass neue Geschichten erzählt werden, anstatt bei Erfolgsserien vergangener Jahrzehnte abzuschreiben.

„Uncoupled“ wirkt an vielen Stellen auch deshalb aus der Zeit gefallen, weil die Serie unkommentiert altbackene Klischees und Rollenverteilungen reproduziert. So hat Michael – wie es sich für einen schwulen Mann gehört – eine stylische, schlagfertige beste Freundin, die hohe Hacken und tief ausgeschnittene Kleidchen trägt. Suzanne (Tisha Campbell) ist Michaels Arbeitskollegin, beide sind Immobilienmakler*innen und verkehren mit der New Yorker Oberschicht. Man kann den Serienmachern zugutehalten, dass Suzanne, alleinerziehende Mutter, berufstätig ist und auf eigenen Beinen steht. Schlimmer steht es um Claire (Marcia Gay Harden), eine Kundin der Makler*innen. Ihre Rolle kommt fast einer Karikatur gleich: Claire ist eine verbitterte, hysterische, stinkreiche und egozentrische Frau mittleren Alters. Ihr Ehemann hat sie – wie könnte es anders sein – für seine deutlich jüngere Yogalehrerin verlassen. Claires Emanzipation besteht am Ende darin, dass sie einen Nachtclub besucht, in dem ihrem Ehemann bis dahin der Eintritt verwehrt worden war.

Die Serie vermittelt jedoch nicht nur frauen-, sondern an manchen Stellen auch queerfeindliche bis rassistische Bilder. Claire echauffiert sich zum Beispiel wiederholt darüber, dass ihr einziges Kind nicht-binär sei. Sie kann mit dieser Selbstbezeichnung nichts anfangen und wird nicht müde, das zu betonen. Michaels schwuler Freundeskreis besteht derweil aus einem sexbesessenen Schwarzen Mann, der nur junge Typen abschleppt, und einem rundlichen Galeristen. Der beleibte Galerist hat selbstverständlich weder ein Sex- noch ein Liebesleben, während eine der wenigen nicht-weißen Figuren der Serie übersexualisiert wird. Beide Darstellungen entspringen problematischen Diskursen über Körper, Exotisierung und Rassismus, die die Serienmacher hätten dekonstruieren können.

Julian Beyer, Autor auf dem Medienportal queer.de, merkt in seiner Rezension außerdem an, dass „flamboyant anmutende“ Schwule in der Serie bloßgestellt werden. Er spielt damit auf ein Telefonat an, in dem Michael einen kreischenden Freund bittet: „Nicht schreien! Deinetwegen werden blaue Staaten rot“. Exzentrische Schwule sind also daran schuld, dass die Queerfeindlichkeit in demokratischen („blauen“) US-Staaten zunimmt. Ein solcher Gag ist angesichts der steigenden Rechteeinschränkungen von trans Personen sowie einer allgemeinen politischen Feindseligkeit gegenüber LGBTIQA+-Menschen weltweit völlig deplatziert – auch und gerade, weil er von schwulen Männern geschrieben wurde.

Auf Netflix.

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