Avenue Pasteur: Unsanfte Politik

Auf Limpertsberg verschwinden Bäume, weil sie anscheinend Fahrrädern im Weg sind. Tatsächlich geschuldet ist das Ganze aber dem Autoverkehr.

Foto: woxx/rg

Ein längeres Tauziehen zwischen hauptstädtischem Schöff*innenrat und links-grüner Opposition, aber auch zwischen den Interessen einer von Corona gebeutelten Geschäftswelt und den Anhänger*innen einer nachhaltigeren Verkehrspolitik fand jetzt ein jähes Ende: Im unteren Teil der Avenue Pasteur wurden, nur kurz nach einer diesbezüglichen Pressekonferenz, die Straßenbäume gefällt.

„Ouni Grenge Protest Bemierkenswert. Déi Greng sin ukomm“, kommentierte ein etwas voreiliger Leser einen entsprechenden Online-Bericht auf wort.lu. Auch in den sozialen Medien wurde nicht mit Häme gespart. Allerdings handelt es sich im Falle der umgesägten Bäume auf dem unteren Limpertsberg nicht um eine jener vielen Kröten, welche „déi Gréng“ – zumindest aus der Sicht einiger ihrer Anhänger*innen – immer häufiger schlucken müssen.

Klassische Einbahnstraßen sind immer eine für den sanften Verkehr gefährliche Option.

Das noble Ziel, eine praktische Lösung für den Rad fahrenden (und wohl mehrheitlich grün wählenden) Teil der Bevölkerung in Form eines bidirek-tionalen Radweges zu schaffen, hätte auch ohne Einsatz der Kettensägen erreicht werden können. Und es waren nicht zuletzt die hauptstädtischen Grünen, die mehrfach versucht hatten, eine andere Lösung an dieser Stelle durchzusetzen, nämlich die eines „shared space“. Dies hätte es erlaubt, Autos in einer, Fahrräder in beide und Zufußgehende in alle Richtungen entlang des von vielen Geschäften gesäumten Teilstücks der Avenue zirkulieren zu lassen – ohne die Schatten spendenden Bäume anzutasten.

Neben der Opposition auf dem Knuedler fühlt sich auch die Fahrrad-initiative Provelo.lu überrumpelt. Sie spricht in einem Kommuniqué zwar von einem kleinen, aber eben auch „nur“ einem kleinen Schritt in die richtige Richtung. Ihr Vorschlag, eine vorläufige „pop-up“-Infrastruktur einzurichten, bevor vollendete Tatsachen geschaffen werden, fand ebenfalls kein Gehör bei der Gemeindeführung.

Klassische Einbahnstraßen – auch auf 30 km/h begrenzt – sind nämlich immer eine für den sanften Verkehr gefährliche Option, da sie für die Autofahrer*innen „freie Fahrt voraus“ bedeuten.

Deshalb tendierte auch Provelo.lu zu einem „shared space“, schlug aber vor mit einer provisorischen Lösung, verschiedene Konzepte auszutesten. Vergleichbare Erfahrungen im Ausland, schürten die Hoffnung, dass das Experiment im Konsens mit der Geschäftswelt zu einer sinnvollen Lösung hätte führen können.

Dass insbesondere die Luxemburger Geschäftswelt ein fast schizophrenes Verhältnis zum Autoverkehr hat, ist schon seit den 1970ern bekannt. Erst lange nach anderen europäischen Metropolen willigte die Geschäftslobby ein, den Stadtkern autofrei zu gestalten – und das auch nur scheibchenweise.

Die umworbene Klientel sollte am besten mit dem Auto vor den Geschäften parken können, um an die begehrte Ware zu gelangen. Doch das ausufernde Verkehrschaos, welches vom Konzept der autogerechten Stadt noch beschleunigt wurde, machte die Innenstädte immer unattraktiver und führte zum Boom der Konkurrenz auf der grünen Wiese.

Weit schlimmer aber wiegt, dass der Schöff*innenrat auf Zeit gespielt hat und so tut, als würde hier dem Willen der Bürger*innen entsprochen, schließlich sei das jetzt umgesetzte Konzept in mehreren lokalen Versammlungen und sogar von einer daraus hervorgegangenen Arbeitsgruppe für gut befunden worden.

Nach unseren Informationen hat besagte Arbeitsgruppe aber nie getagt. Das hätte auch wenig Sinn ergeben, denn das bereits Anfang 2020 von der Gemeinderatsmehrheit gestimmte Konzept einer 30-km/h-Einbahn für die Autos mit einer bidirektionalen Piste für Fahrräder galt die ganze Zeit sozusagen als „alternativlos“. Das Einzige, was anscheinend noch fehlte, war die Erlaubnis zum Fällen der Bäume.

Die Bäume werden zwar kompensiert, was ihre Beseitigung allerdings keinesfalls rechtfertigt. Insbesondere da das Ergebnis den hohen Ansprüchen an Nachhaltigkeit in keinem Punkt gerecht wird.


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