Budget 2023: Verpasste Chancen

Der Budgetentwurf für 2023 ist der zehnte seiner Art, der von der amtierenden Dreierkoalition verantwortet wird. Die einst versprochene kopernikanische Revolution in Sachen Finanzpolitik ist allerdings ausgeblieben.

Fotos: CC BY 2.0 Money Bright

Auf den ersten Blick ist die Chambre des salarié-e-s (CSL) voll des Lobes für den vorliegenden Haushaltsentwurf der Regierung. Kaum hatte man sich von der durch die Covid-Pandemie verursachten wirtschaftlichen Verlangsamung erholt, schon sah man sich wegen des Ukraine-Krieges einer neuen Phase der Instabilität und der wirtschaftlichen Ungewissheit ausgesetzt.

In diesem Kontext begrüßt die CSL die „expansive Natur“ des Haushalts, der einer von ihr als notwendig erachteten kontra-zyklischen Budgetpolitik entspreche und eine Unterstützung der Haushalte durch höhere Sozialausgaben und steigende Investitionsausgaben für die Zukunft vorsieht.

Dennoch übt die CSL Kritik: Die Bekämpfung der sozialen Ungerechtigkeiten und vor allem der Zunahme der Armut spiele im Haushalt keine prioritäre Rolle. Dabei bedeute gerade die sich jetzt abzeichnende Phase hoher Inflation, kombiniert mit hohen Zinsen, eine stärkere Belastung der unteren Einkommenskategorien.

Die CSL bedauert an dieser Stelle die Nichtanpassung der Steuertabelle an die Inflation. Sie hat zur Konsequenz, dass kleinere und mittlere Einkommen schneller in die steiler ansteigende Progressionszone geraten. Von jeder Indextranche – deren ja in den nächsten Monaten gleich mehrere erwartet werden – landet netto immer weniger in den Taschen der Arbeitnehmer*innen, obwohl es sich lediglich um einen Inflationsausgleich handelt und nicht um eine tatsächliche Anhebung des Grundlohnes.

Die Anpassung der Steuertabelle schiebt Blau-Rot-Grün seit 2013 vor sich her, als der mittlerweile zurückgetretene Finanzminister eine kopernikanische Revolution in Sachen Finanzpolitik versprochen hatte. Zumindest deren für alle Bürger*innen spürbare Teil in Form einer umfänglichen Steuerreform hat allerdings nie stattgefunden.

Diese Steuerreform beziehungsweise ihre Ankündigung diente hingegen als Legitimation dafür, dass die bei jeder Budgetdeponierung von unterschiedlichsten Stellen geforderte Anpassung der Steuertabelle immer wieder vertagt wurde, mit dem Hinweis, die bald anstehende Reform schließe eine sozial gerechtere Steuertabelle sowieso mit ein. Eine rein lineare Angleichung der Steuertabelle, ohne andere Justierungen, würde den Staat, dessen Ausgaben ja auch beständig ansteigen, zu sehr belasten.

Das Fenster zwischen 2018-2020 blieb aber ungenutzt, nicht zuletzt wegen ideologischer Divergenzen innerhalb der Koalition.

Tatsächlich wird in Luxemburg das Prinzip einer Steuerreform in vielen Köpfen gerne mit der Idee einer allgemeinen Steuererleichterung gleichgesetzt. Bei der letzten großen „Steuerreform“ um die Jahrtausendwende war das auch so. Ohne Not hatte damals die schwarz-blaue Koalition einen scheinbar strukturellen Staatsüberschuss unter die Leute und vor allem unter die Großverdiener verteilt. Um dann bald zu merken, dass es, angesichts des Nachholbedarfs bei Verkehrs-Infrastrukturen, im Bildungsbereich, im sozialen Wohnungsbau und für die energetische Wende vielleicht doch keine so gute Idee war. Als dann auch noch der Termin verminderter Mehrwertsteuer-Einnahmen, für in Luxemburg getätigte Internetgeschäfte deren Kund*innen im Ausland residieren, immer nähe rückte, war es mit dem undifferenzierten Geldverteilen endgültig vorbei – und irgendwie auch mit der Ära Juncker.

Die neue Koalition übte sich zunächst im allumfänglichen Sparen, „Zukunftspak“ genannt. Eine Steuerreform wurde in Aussicht gestellt und die Steuertabelle – aus oben genannten Gründen – nicht angepasst. Dafür wurde aber die sozial noch ungerechtere TVA um zwei Prozent angehoben. Nach dem Referendumsdebakel 2015 und der zu erwartenden Wahlniederlage 2018 war es mit dem steuerlichen Reformmut zunächst einmal vorbei.

Als Blau-Rot-Grün wider Erwarten – mit einer unterschiedlichen internen Gewichtsverteilung – bestätigt wurde, war die Steuerreform wieder aktuell und fand erneut ihren Niederschlag im Koalitionsprogramm.

Das Fenster zwischen 2018-2020 blieb aber ungenutzt, nicht zuletzt wegen ideologischer Divergenzen innerhalb der Koalition in Sachen „Geben und Nehmen“, das nun einmal Steuer- und Finanzpolitik ausmacht. Und auch die Einbeziehung einer ökologischen Dimension in eine allgemeine Reform stockte, von Fragen der Vermögens- oder Erbschaftsteuer ganz zu schweigen.

Und dann kam die Covid-Pandemie, die zwar zeigte, dass der Staat – und vor allem sein massives Eingreifen – unverzichtbar sind. Doch Zeit sein finanzielles Korsett den langfristigen Entwicklungen anzugleichen, blieb keine. Zumindest scheinen die Verantwortlichen sich nicht die dafür notwendigen Mittel zugestanden zu haben. Der zuständige Minister ging von Bord. Wie es hieß, um seine Enkel aufwachsen zu sehen – oder war es doch aus einem anderen Grund?

Es gibt also manche Erklärung aber wenige Entschuldigungen, weshalb die Dreierkoalition ein mehrfach gegebenes Versprechen nicht gehalten hat. Wenn schon die große Reform (oder zumindest eine kleine, die die gröbsten Ungerechtigkeiten hätte aus der Welt schaffen können) nicht gelingt, dann hätte doch eine Angleichung der Steuertabelle gerade jetzt vielen gutgetan.


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