Einen Blankoscheck für die trans- atlantischen Freihandelsabkommen will die EU-Kommission von den Mitgliedstaaten. Die Kritiker machen mobil.
Luxemburg muss Nein zu CETA und TTIP sagen, davon sind die NGOs der „Stop TTIP“-Plattform weiterhin überzeugt. Drei Wochen, nachdem sie ihre Bedenken detailliert dargelegt haben (woxx 1371), versuchen sie jetzt mit einem Brief an die Abgeordneten, eine politische Mehrheit für ihre Position zu gewinnen. Nicht von ungefähr, denn im Vorfeld eines Treffens der europäischen Premierminister bereitet die Chamber eine Motion vor, die der Regierung ein klares Mandat erteilen soll.
Derzeit werden auf internationaler wie auf nationaler Ebene die Kritiker der beiden Freihandelsabkommen immer zahlreicher. Nachdem das wallonische Parlament bereits Ende April eine Motion gegen CETA verabschiedet hatte (woxx 1369), äußerten sich vor einer Woche sozialdemokratische Spitzenpolitiker wie François Hollande und Sigmar Gabriel äußerst kritisch zum derzeitigen Stand der TTIP-Verhandlungen. Jean-Claude Juncker reagierte hierauf am Dienstag mit der Ankündigung, beim Gipfel Ende der Monats Klarheit schaffen zu wollen: die Regierungschefs sollen aufgefordert werden, das TTIP-Verhandlungsmandat der Kommission zu bestätigen.
In Luxemburg hat Jean Asselborn stets eine kritisch wohlwollende Haltung gegenüber den Freihandelsabkommen eingenommen – obwohl seine eigene Partei sich nach den jüngsten Leaks für die Ablehnung von TTIP ausspricht. Mit „CETA ist nicht TTIP“ rechtfertigt der LSAP-Politiker seine Zustimmung zum Abkommen mit Kanada (woxx 1372) – eine Ansicht, der die NGOs energisch widersprechen … und ebenso die Jugendorganisationen von zwei der drei Regierungsparteien! Am Dienstag forderten Jusos und Jonk Gréng die Regierung und das Parlament auf, gegen CETA zu stimmen, unter anderem wegen des Investitionsschutzes und der Abschaffung des Vorsorgeprinzips – beides auch für TTIP-Kritiker rote Tücher.
In ihrem am Mittwoch veröffentlichten Brief an die Abgeordneten – mit Kopie an Regierung und Parteien – erinnert die NGO-Plattform zudem daran, dass CETA durchaus die „roten Linien“ überschreite, die die Regierung für TTIP gezogen hat. Das Abkommen mit Kanada, um das es beim Treffen der Premierminister vor allem gehen werde, müsse deshalb abgelehnt werden. Des weiteren schlägt die Plattform der Regierung vor, ein Rechtsgutachten zu den umstrittenen Schiedsgerichten für Investitionsschutz sowie eine Impaktstudie über die Folgen von CETA für Luxemburg in Auftrag zu geben. Außerdem solle sich die Regierung dem Verlangen Jean-Claude Junckers, das TTIP-Verhandlungsmandat zu bestätigen, nicht fügen.
Rote Linien
Ihre Argumentation wird durch Begleitdokumente gestützt, unter anderem das von Baden-Württemberg in Auftrag gegebene Gutachten „Die Auswirkungen von CETA auf den politischen Gestaltungsspielraum von Ländern und Gemeinden“. Mit ähnlichen Fragen befasst sich auch eine am Donnerstag vorgestellte Stellungnahme der Salariatskammer (CSL). Wegen der potenziellen Bedrohungen für öffentliche Dienstleistungen und sozial fortschrittliche Politik und angesichts fehlender Garantien und Präzisierungen lehnt die Kammer eine Zustimmung zu CETA ab. Ob auch Parlament und Regierung sich in den kommenden Wochen zu einem Nein durchringen können? An Gründen dafür fehlt es jedenfalls nicht.