Erneut liegen die Verhandlungen um die Kostenrückerstattung von Psychotherapien in Luxemburg auf Eis. Und was jetzt?

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Klassizistische Dramen haben fünf Akte, die Tragödie um die Rückerstattung psychotherapeutischer Behandlungen in Luxemburg hat deren deutlich mehr: Die Gesundheitskasse (CNS) verkündete diese Woche in einer Pressemitteilung, dass die Verhandlungen mit Fapsylux, dem Berufsverband der Psychotherapeut*innen in Luxemburg, erneut gescheitert sind.
Die Gespräche zwischen den beiden Parteien laufen seit 2018. Mal platzten die Verhandlungen am Streit um die Kategorisierung der Krankheitsbilder, mal wegen der Befürchtung, die Autonomie der Psychotherapeut*innen sei gefährdet. 2021 wurden die Verbindungen zwischen der Gesundheitskasse und dem Fapsylux reglementiert, wie beispielsweise die Kommunikationswege zwischen den Instanzen sowie die Weitergabe von administrativen Informationen. Romain Schneider, damals Minister für soziale Sicherheit, forderte die Akteur*innen auf, die Verhandlungen im Sinne der Versicherten schnell abzuschließen. Im Mai diesen Jahres hat Claude Haagen, Schneiders Nachfolger, den Fapsylux und die CNS dann in eine „Commission de nomenclature“ eingeladen, um den Prozess zu beschleunigen. Dort läge der Hund dieses Mal begraben, wie Catherine Richard, Präsidentin des Fapsylux, am Mittwoch auf dem Radiosender 100,7 vermutete.
CNS und Fapsylux sollten gemeinsam Dokumente einreichen, unter anderem solche, die eine Nomenklatur umfassen. Im August schickte der Berufsverband seine Unterlagen gemeinsam mit einer Aufstellung über den bisherigen Verlauf der Verhandlungen jedoch ohne Beteiligung der CNS ab. Fapsylux kam damit dem Auftrag des Ministers nach, demzufolge die entsprechenden Dokumente innerhalb von drei Monaten übermittelt werden müssen. „Damit sind wir ihnen [der CNS] anscheinend auf den Schlips getreten“, sagt Richard gegenüber Radio 100,7. Christian Oberlé, Präsident der CNS, nennt in dem Radiobeitrag hingegen die schleppenden Tarifverhandlungen als Grund. Fapsylux sei nicht daran interessiert, diese zeitnah anzugehen. Dabei würden sie den „Hauptpunkt“ der Verhandlungen ausmachen, der Rest seien nur Details. Richard widerspricht dem und verweist darauf, dass es sich bei den „Details“ um die Umsetzung von Mindestanforderungen des Berufsverbands handelt, wie etwa die altersunabhängige Rückerstattung psychotherapeutischer Behandlungen. Jetzt soll eine neutrale, bisher noch unbekannte Instanz einschreiten und die Forderungen beider Parteien untersuchen.
Diese Schludrigkeit ist ein Armutszeugnis.
Wer diesen Konflikt seit längerem verfolgt, fragt sich: Sitzen die Akteur*innen am Verhandlungstisch oder mit Schäufelchen und Eimer im Sandkasten? Dieser Schlagabtausch ist nur noch peinlich. Während Fapsylux sich zumindest um Transparenz bemüht und ausführliche Hintergrundinformationen zu den Verhandlungen liefert, wirkt die CNS heuchlerisch, wenn in ihrer Pressemitteilung steht: „L’amélioration de la prise en charge des traitements de souffrances psychiques par l’assurance maladie est une priorité pour pouvoir répondre aux besoins des assurés.“ Wenn das luxemburgische Gesundheitswesen Prioritäten so handhabt, wie viele Jahrzehnte müssen dann verstreichen, bis weniger dringliche Themen aufs Tapet kommen?
Die Schludrigkeit, mit der dieses Dossier behandelt wird, ist ein Armutszeugnis. Noch dazu unterstützt es die Stigmatisierung mentaler Krankheiten: In anderen medizinischen Bereichen steht außer Frage, dass die Behandlungskosten erstattet werden, während sich die CNS in Bezug auf psychische Erkrankungen querzustellen scheint. Was bedeutet das für die Betroffenen und ihre Angehörigen? Es ist abstoßend, mit welcher Muße über ihr Schicksal diskutiert wird. Am Ende wird hier nämlich nicht nur über administrative Reglungen verhandelt, sondern darüber, wem eine Therapie zusteht und wem nicht. Wer sich die Behandlung nicht leisten kann, hat das Nachsehen. Und das steht nicht zuletzt in krassem Kontrast zu allen ministeriellen Sensibilisierungskampagnen und Welttagen zu mentaler Gesundheit, wie jenem zur Suizidprävention, der 2022 ausgerechnet an diesem Samstag, dem 10. September, stattfindet.