David Fincher
: The Killer


Der neuste Streifen von David Fincher ist sowohl typisch als auch untypisch für den Filmemacher. Es ist eine Stilübung, die hervorragend zu unterhalten weiß.

Erst Yoga, dann arbeiten: Der Alltag des Killers verläuft nach klaren Mustern. (Netflix)

Ein Karrierewechsel vom Auftrags- zum Serienmörder: So lässt sich die Handlung von „The Killer“ grob zusammenfassen. Dabei lehnt der Protagonist, der titelgebende Killer (Michael Fassbender), eigentlich jede Veränderung ab: „Stick to the plan. Anticipate, don’t improvise“, so sein Mantra. Sein Alltag ist geprägt von transnationalen Flügen, Yoga-Sessions und faden, aber proteinreichen Mahlzeiten. Nachts schläft er nie mehr als drei Stunden am Stück. Alles, was er tut, ist auf Effizienz und Vorsicht ausgerichtet. Doch diese Routine ändert sich schlagartig, nachdem ihm beim Durchführen einer Mission ein Fehler unterläuft. Infolgedessen ist nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das seiner Geliebten bedroht. Plötzlich existieren die selbstgesetzten Regeln des namenlosen Killers nur noch, um gebrochen zu werden.

Die Prämisse von David Finchers neuem Streifen ist denkbar simpel – für den Filmemacher, der hinter komplex strukturierten Produktionen wie „Se7en“ (1995), „The Curious Case of Benjamin Button“ (2008) oder „Gone Girl“ (2014) steckt, eher untypisch. Eine vergleichbare Simplizität legte Fincher in seiner Karriere als Filmemacher bisher erst einmal an den Tag, und zwar in „Panic Room“ (2002). Dieser handelt von einer Mutter und ihrer Tochter, die sich nach einem Einbruch in ihr Haus in einem Panikraum verstecken. Das Problem: Das, was die Einbrecher wollen, befindet sich in ebendiesem Raum.

Im Vergleich zu vergangenen Filmen ist die Handlung von „The Killer“ nicht nur unterkomplex und vorhersehbar, auch die für Fincher typischen Charakter- oder Beziehungsstudien sucht man diesmal vergebens. „The Killer“ als Stilübung zu bezeichnen, wäre aber alles andere als eine Beleidigung. Denn sein Handwerk hat Fincher über die letzten Jahrzehnte hinweg perfektioniert: Spektakuläre Stunts, atemberaubende Spannung, beeindruckende Schauspielleistungen und Seitenhiebe auf die hässlichen Auswüchse spätkapitalistischer Gesellschaften fehlen auch in seinem neusten Werk nicht. Der Künstler ist für seinen an Zwangsneurose grenzende Detailversessenheit bekannt. Einzelne Szenen dreht er bis zu hundert Mal, bevor er zufrieden ist. Bildgestaltung, Beleuchtung, Schnitt, Montage und der Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross sind auch in „The Killer“ sorgfältig durchdacht und aufeinander abgestimmt. Und so minimalistisch die Handlung auch ist, an Locations spart Fincher nicht. Das Bedürfnis des Killers nach Rache treibt ihn von der Dominikanischen Repu-
blik nach New Orleans, Cleveland, New York und wieder zurück.

(Netflix)

Dass es Fincher diesmal nicht darum geht, uns das Innenleben seines Protagonisten näherzubringen, wird schon allein daran deutlich, dass er sich weigert, diesem einen Namen zu geben. Selbst das fast ununterbrochene Voice-
over, das uns die Gedanken der von Fassbender gespielten Figur vermittelt, regt nicht zur Empathie an, sondern ist lediglich ein Stilmittel. Wie schon Tyler Durden in „Fight Club“ (1999) ist auch der Killer ein unzuverlässiger Erzähler. Die Art und Weise, wie diese Figur ihre Tage füllt – zu McDonalds gehen, Bestellungen bei Amazon aufgeben, The Smiths hören – trägt eher dazu bei, ihn von seinen Mitmenschen ununterscheidbar zu machen, als das Gegenteil. Der Killer ist eine Idee, kein Mensch: Er ist bis ins Destruktive gesteigerte Disziplin und Selbstoptimierung. Er ist die Verkörperung der Aussage „Leben, um zu arbeiten“. Dies als Selbstkritik von Fincher an sich selbst zu deuten, wäre aber wohl verfehlt, dafür zieht er die Vision, die er in „The Killer“ verfolgt, zu kompromisslos durch.

Auf Netflix


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