Regierungsdokumente und Urheberrecht: Wessen Fotos?


Eine Nachricht eines offiziellen Regierungsaccounts an eine Satireseite sorgte für Aufregung und Diskussionen darüber, wem Fotos, die die Regierung in Auftrag gibt, eigentlich gehören sollten.

Dieses „Meme“ war der Stein des Anstoßes. (Foto: Originalfoto © SIP/ Julien Warnand, Bearbeitung: Memes bis zum Weltraumkommunismus)

Der Stein des Anstoßes war ein eigentlich recht harmloses Bild, versehen mit etwas Text. Zu sehen war Luc Frieden, der zu Fuß auf dem Weg in Richtung Schloss Senningen ist. Der Formateur lächelt in die Kamera, neben ihm sind Claude Wiseler und Elisabeth Margue (alle drei CSV) zu sehen, die ebenfalls lachen – fast so, als ob Frieden gerade einen Witz erzählt hätte. Fotos dieser Art, auf denen die Koalitionsverhandler*innen auf die Kamera zugehen und dabei dynamisch wirken, veröffentlicht der staatliche Informations- und Pressedienst (Sip) an so gut wie jedem Verhandlungstag.

Doch dieses Foto wurde bearbeitet, indem ein weißer Schriftzug hinzugefügt wurde: „Meine Mutter hat mir die am Mantelsonntag gekauft und gesagt, ich würde da schon noch reinwachsen“ (Im Original auf Luxemburgisch). Die humorvolle Beschriftung stammt von der Gruppe „Memes bis zum Weltraumkommunismus“ und soll wohl darauf anspielen, dass die Jacke, die Luc Frieden auf dem Foto trägt, tatsächlich so aussieht, als wäre sie ihm eine Nummer zu groß. Auf einem weiteren Bild sind Claude Meisch und Xavier Bettel (DP) von hinten im Sitzungssaal zu sehen. Zwischen ihnen ein Laptop, auf dem – ebenfalls recht unbeholfen – eine angebliche Checkliste zu sehen ist: „Mindestlohn herabsetzen, 55 Stunden-Woche, Mehrwertsteuer erhöhen, F. Giorgetti weniger Steuern“ (ebenfalls im Original auf Luxemburgisch). Hinter all diese Punkte wurde ein kleiner Haken gesetzt, als wären sie bereits fixiert. Einzig hinter „Samstags Schule“ sind Fragezeichen zu sehen. Das Bild, das von „Memes bis zum Weltraumkommunismus“ auf Facebook, Instagram und X (vormals Twitter) verbreitet wurde, war untertitelt mit den Worten „Die Koalitionsverhandlungen sind quasi abgeschlossen, nur ein paar Details müssen noch geklärt werden.“

Auf das Urheberrecht hinweisen

Als Nächstes verbreitete „Memes bis zum Weltraumkommunismus“ einen Screenshot mit einer Nachricht des offiziellen Regierungsaccounts auf Instagram. „Uns ist Ihr Post aufgefallen, in dem Sie ein copyrightgeschütztes Foto benutzt und modifiziert haben. Wir sollen Sie daran erinnern, dass Sie in diesem Fall das Copyright des Foto angeben müssen und auch, dass es laut dem Urheberrecht nicht erlaubt ist, dieses Foto zu überarbeiten. Wir würden Sie bitten, dieses modifizierte Foto nicht mehr zu benutzen“, heißt es darin. Ein*e Regierungsbeamte*r schreibt also einer Satireseite, um sie auf das Urheberrecht aufmerksam zu machen. Die Meme-Produzent*innen hängen neben den Screenshot der Regierungsbotschaft einen Auszug aus dem luxemburgischen Urheberrecht an. Markiert ist Abschnitt 6 des Artikels 10, der sich auf Satire und Parodie bezieht.

(© SIP/Jean-Christophe Verhaegen)

Das sorgte für Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Der Hinweis auf das Urheberrecht kann, wenn er von einer staatlichen Institution kommt, doch ein wenig wie eine Drohung wirken. Die Nachricht vom Regierungsaccount war zwar freundlich gehalten, trotzdem bleibt ein bitterer Nachgeschmack. „Memes bis zum Weltraumkommunismus“ existiert seit 2016 auf Facebook, andere Netzwerke kamen später hinzu – warum werden sie, die alle möglichen Fotos zu Satirezwecken zweckentfremden, jetzt auf einmal darum gebeten, das Urheberrecht zu respektieren? Die Vermutung, dass es mit dem nahenden Regierungswechsel zu tun hat, liegt nahe.

„Wir wollten lediglich darauf hinweisen, dass die Fotos dem Urheberrecht unterliegen und dieses auch angegeben werden sollte“, so Sip-Direktor Jean-Claude Olivier gegenüber der woxx am Telefon. Die Botschaft sei möglicherweise nicht besonders gut formuliert gewesen. Olivier betonte, dass die Nutzung der Fotos für die Presse kostenlos möglich sei, solange das Copyright für die Fotos angegeben wird. Laut den Rückmeldungen, die der Sip erhalte, würde dieser Service von der Presse auch geschätzt. Die woxx verwendet diese Fotos ebenfalls oft zur Illustration von Artikeln, teilweise auch für das Cover.

Manche Nutzer*innen wiesen in Diskussionen in den sozialen Netzwerken auch darauf hin, dass staatliche Daten seit Inkrafttreten des sogenannten „Open Data“-Gesetzes am 29. November 2021 eigentlich gar nicht dem Urheberrecht unterliegen sollten, sondern frei verfügbar gemacht werden müssten. In dem Gesetz werden „Dokumente“ als „jeder Inhalt, unabhängig vom Medium“ definiert – Fotos dürften also auch darunter fallen. Doch beim Sip beruft man sich auf das Urheberrecht der Fotograf*innen: „Wir haben Verträge mit den Fotografen, in denen geregelt ist, dass ihr Urheberrecht auf den Fotos besteht. Eine kommerzielle Nutzung der Fotos ist ebenfalls nicht möglich. Dass wir grundsätzlich mit Open Data arbeiten, schließt ja nicht aus, dass es Dokumente mit Copyright gibt“, sagte Jean-Claude Olivier dazu.

Neue Lizenzen für die neue Regierung?

Wenn man das ändern wolle, müsse man die Verträge neu verhandeln, was bei den Fotograf*innen vermutlich nicht so gut ankommen würde – wer freiberuflich fotografiert, hat es oft schwer und muss im Zweifelsfall belegen können, welche Bilder er*sie geschossen hat. In anderen Ländern ist die Rechtslage seit Jahrzehnten klar, etwa in den USA: Alles, was Bundesbehörden produzieren, gilt grundsätzlich als „public domain“. Das erklärt zum Beispiel, weswegen Fotos der Weltraumbehörde NASA ohne Weiteres von jedem genutzt werden können, sogar zu kommerziellen Zwecken. Das Prinzip: Da die Werke durch Steuern finanziert wurden, müssen sie für alle zugänglich sein, immerhin wurden sie ja bereits bezahlt. Bei juristischen Dokumenten wie Gesetzestexten oder Urteilen ist es sogar sehr wichtig, dass kein Urheberrecht ihre Verbreitung hemmt. Bei jenen öffentlichen Daten, die als „open data“ auf dem Portal data.public.lu veröffentlicht werden, gelten meist die gleichen Prinzipien.

Insgesamt gibt es über zehn verschiedene Lizenzen, unter denen Daten auf dem Portal zur Verfügung gestellt werden. Die meisten kommen dem US-Begriff des „public domain“ sehr nahe: Die Daten können ohne Einschränkungen von jedem*jeder verwendet werden. Bei anderen ist das nur erlaubt, wenn man die Quelle nennt. Die Lizenzen mit den „größten“ Einschränkungen erlauben eine Weitergabe nur unter den gleichen Bedingungen, jede Bearbeitung muss also ebenfalls unter einer solchen Lizenz stehen. Das ist zum Beispiel bei manchen Daten der CFL so. In der Praxis dürfte das jedoch für die meisten Menschen, die mit diesen Daten arbeiten wollen, kein Hindernis darstellen. Die Praxis zeigt: Auch für die Fotos des Sip wäre es möglich, eine Lizenz zu benutzen, bei der die Urheber*innen genannt werden und trotzdem eine möglichst große Flexibilität für die Nutzer*innen entsteht. Projekte wie die Wikipedia, deren Bildmaterial sich vor allem aus gemeinfreien Fotos und Grafiken zusammensetzt, würden ebenfalls profitieren. Auch Jean-Claude Olivier gab der woxx gegenüber an, dies sei durchaus eine Möglichkeit – allerdings müsse es dann den politischen Willen dafür geben. Bei einer Regierung, deren mangelnde Transparenz bereits vor ihrer Vereidigung für Schlagzeilen sorgt, ist allerdings zu bezweifeln, dass es diesen in den nächsten fünf Jahren geben wird.


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