„Drei Tage lang gefoltert“

Über ein Jahr saß der Journalist und frühere woxx-Autor Deniz Yücel in einem türkischen Gefängnis, nachdem er im Februar 2017 verhaftet worden war. Am Freitag gab er bekannt, dass er während seiner Haft auch systematisch geschlagen, bedroht und entwürdigt worden ist.

„Wir haben dich nicht geschlagen“ – „Wir haben dich gestreichelt. Du weißt nicht, was Gewalt ist. Aber wenn du willst, zeige ich es dir“: Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel hat vergangenen Freitag öffentlich gemacht, dass er während seiner Haftzeit in der Türkei systematisch gedemütigt und geschlagen worden ist. (Foto: Harald Krichel – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0/wikipedia)

Der Türkei-Korrespondent Deniz Yücel ist während seiner Haftzeit gefoltert worden. Das geht aus seiner Verteidigungsschrift hervor, die sein Arbeitgeber, die deutsche Tageszeitung „Welt“, am vergangenen Freitag veröffentlicht hat.

„Ich werde Dich den Mülleimer grüßen lassen. Du wirst sagen: ‚Hallo, mein Bruder Müll.‘ Denn Du bist auch Müll“, habe ein Aufseher zu ihm gesagt. Wenig später habe laut Yücel auch die körperliche Gewalt begonnen: „Weil in den Zellen im Gegensatz zu den Korridoren keine Kameras installiert sind, wurde ich erstmals auch körperlich mit Tritten gegen meine Füße und Schlägen auf Brust und Rücken angegangen. Das Maß der Gewalttätigkeit war nicht allzu hoch, weniger darauf ausgerichtet, mir körperliche Schmerzen zuzufügen als darauf, mich zu erniedrigen und einzuschüchtern. Womöglich wollte man mich auch zu einer Reaktion provozieren. Doch auch so war dies ein Fall von Folter.“

Yücel geht davon aus, dieses Vorgehen einiger Justizvollzugsbeamter sei Anfang März 2017 nicht ohne Billigung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan erfolgt. Die türkische Führung habe wohl erhofft, dass Yücel die systematischen Misshandlungen über seine Anwälte öffentlich machen würde. „Der Zweck war womöglich, die Krise mit Deutschland weiter zu verschärfen und die zu erwartenden Reaktionen aus Deutschland in der Referendumskampagne auszuschlachten.“ Aus diesem Grund habe man sich um eine diplomatische und politische Lösung abseits der Öffentlichkeit bemüht.

Auch Isolationshaft ist Folter

Während Deniz Yücel Mitte Februar 2018 freigelassen wurde, dauert das Strafverfahren gegen ihn in der Türkei weiter an. Im Zuge dessen hat Yücel nun am vergangenen Freitag seine Verteidigungsschrift vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten eingereicht, das diese im Rahmen deutsch-türkischer Rechtshilfeabkommen entgegengenommen hat. Dem Journalisten wird „Terrorpropaganda“ und „Volksverhetzung“ vorgeworfen.

Yücel, der vor seiner Korrespondententätigkeit für die „Welt“ bei der Berliner Tageszeitung „taz“ sowie unserer Partnerzeitung „Jungle World“ beschäftigt war und vereinzelt auch in der woxx veröffentlicht hat, saß insgesamt 368 Tage in Haft, die meiste Zeit davon in Isolation. „Isolationshaft ist ein Angriff auf die seelische und körperliche Unversehrtheit und gilt daher als ‚weiße Folter‘“, so Yücel. „Neun Monate meiner insgesamt ein Jahr währenden Geiselnahme habe ich in der Isolationshaft verbracht. Und selbstverständlich blieben meine seelische und körperliche Unversehrtheit davon nicht unberührt.“

Dutzende kritischer Journalist*innen sind seit dem gescheiterten Putschversuch des Jahres 2016 in der Türkei verhaftet und aufgrund ihrer Berichterstattung zu teils langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. In der Rangliste der Pressefreiheit befindet sich das Land derzeit auf Platz 157 von 180. Erst am Samstag sind erneut drei Reporter*innen verhaftet worden; sie arbeiten für die türkische Zeitung Cumhuriyet.


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