Luxemburger*innen sind einsamer als andere EU-Bürger*innen. Besonders ältere Menschen leiden unter sozialer Isolation.
Mit ihrer parlamentarischen Anfrage an Familienministerin Corinne Cahen spricht die CSV-Abgeordnete Diane Adehm ein wichtiges Thema an: Einsamkeit in Luxemburg. Einer rezenten Eurostat-Umfrage zufolge führt Luxemburg die traurige Spitze der EU-Länder an: 2015 gaben rund 13 Prozent der über 16-Jährigen an, niemanden zu haben, den sie in Notsituationen um Hilfe bitten könnten. Das ist ein Ausdruck von Einsamkeit, sei er nun objektiv oder subjektiv begründet. Der EU-Durchschnitt lag bei 5,9 Prozent. Am häufigsten betroffenen sind Menschen im Alter von 65 bis 74 Jahren: In Luxemburg sind es 16,4 Prozent, auf EU-Ebene lediglich 7,4 Prozent.
Isolation von Senior*innen
Cahen weist auf Adehms Nachfrage darauf hin, dass der Schwerpunkt des Ministeriums im Bereich der Politik für ältere Menschen tatsächlich auf der Prävention der sozialen Isolation liege. Konkret heißt das, dass die aktive Teilnahme älterer Menschen am gesellschaftlichen Leben – wie etwa an Aktivitäten der Seniorenclubs – gefördert wird. 19 Seniorenclubs haben eine Konvention mit dem Familienministerium unterzeichnet. Sie dient unter anderem dazu eine Begleitung beim Übergang vom Berufsleben in die Rente zu gewährleisten, das Ehrenamt sowie intergenerationelle Kontakte durch „staatlich unterstützte Leistungsträger wie z.B. dem RBS-Center fir Altersfroen“ zu fördern.
Im Rahmen des internationalen Tages der älteren Menschen, wird das Ministerium für Familie, Integration und die Großregion wie schon im Vorjahr das Thema der Prävention der sozialen Isolation hervorheben. Diverse Aktivitäten der Club Seniors sollen am 16. November auf das Thema aufmerksam machen.
Langfristige Lösungen
„Langfristig hat die Regierung im Koalitionsvertrag 2018-2023 die Ausarbeitung eines Gerontologie-Plans („Plan gérontologique“) festgehalten, mit dessen Ausarbeitung das Ministerium zurzeit beschäftigt ist“, schreibt Cahen. „Dieser Plan soll zielgerichtete Maßnahmen für ältere Menschen enthalten, die zuhause oder in einer Pflegeeinrichtung auf körperliche, psychische oder soziale Betreuung und Unterstützung angewiesen sind.“ Das Ministerium unterstütze zugleich Maßnahmen zur Förderung des Zugangs und der Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien durch Senior*innen, die heute zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unumgänglich seien. Ferner solle die Entwicklung der „Active Ageing“-Strategie die Betreuung älterer Menschen verbessern und unterschiedliche Maßnahmen auf ihre Bedürfnisse anpassen. Cahen präzisiert in ihrer Antwort, dass das Ministerium nur auf die objektive Einsamkeit reagieren kann – nämlich auf die Situation von Menschen, die geringe oder keine sozialen Kontakte haben.
Jung und unsichtbar?
Was in dem Kontext für die anderen Altersgruppen unternommen wird, wie etwa für Jugendliche oder junge Erwachsene, erwähnt die Ministerin nicht. Dabei richtete sich Adehms Frage nicht gezielt nach den Maßnahmen für Senior*innen. Auf EU-Ebene bestehen allumfassende Maßnahmen, um die soziale Isolation, die in Städten besonders groß zu sein scheint, zu vermeiden. „Die Ausgrenzung in Städten wird mit dem Programm URBACT in Angriff genommen: Hier werden Stadtbewohner dabei unterstützt, sich gemeinsam in Bereichen zu engagieren, die ihnen wichtig sind, etwa Luftqualität, Wohnen und die Integration neuer Nachbarn“, steht auf der Website „What Europe does for me“ des Europäischen Parlaments. „Mit Partnerschaften im Hinblick auf städtische Armut wird dafür gesorgt, dass Menschen, die in benachteiligten Gegenden wohnen, in die Gesellschaft integriert werden. Mit dem Projekt VulnerABLE soll die Gesundheit ausgegrenzter und schutzbedürftiger Personen verbessert werden. MINDMAP dient wiederum dem psychischen Wohlbefinden und dem gesunden Altern in Städten.“ Europaweit spielen Einkommen und der Wohnort eine erhebliche Rolle im Hinblick auf die Einsamkeit, geht aus der Eurostat-Umfrage hervor. Menschen, die finanziell schlecht aufgestellt sind, leiden häufiger unter sozialer Isolation. Menschen auf dem Land haben eher eine Vertrauensperson als Stadtbewohner*innen – und Männer sind in der Regel einsamer als Frauen.
Luxemburg verfügt derweil über keine eigenen Statistiken zu Einsamkeit und deren Auswirkungen auf die Gesundheit. Angesichts der oben erwähnten Zahlen ist das wenig nachvollziehbar. Die Erörterung der Gründe für diese manifeste Einsamkeit in Luxemburg wäre, parallel zum Ausbau unterstützender Projekte und Maßnahmen, aber durchaus sinnvoll und wichtig.
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