Was passiert, wenn eine chronische Erkrankung ausschließlich Menschen mit Uterus betrifft? Sie wird zur „Frauenkrankheit“ – kleingeredet, spät erkannt und bis heute nicht anerkannt.

Während weibliche Abgeordnete das Wort ergreifen, reden die männlichen im Hintergrund nur miteinander. (Foto: Chambre des députés)
Endometriose betrifft rund zehn Prozent der Menschen mit Uterus. Die Erkrankung verläuft chronisch und beeinträchtigt alle Lebensbereiche. Zu den Symptomen zählen unter anderem chronische Schmerzen, Schlafstörungen, Fatigue und Übelkeit. Wie jede chronische Erkrankung wirkt sich Endometriose negativ auf die psychische Gesundheit und soziale Stabilität aus. Krankmeldungen und Arbeitsplatzverlust sind keine Seltenheit. Das Pro- blem: Endometriose wird in Luxemburg bislang nicht als chronische Erkrankung anerkannt. Ohne diese offizielle Anerkennung ist es für Betroffene äußerst schwierig, Ansprüche geltend zu machen, wie etwa auf das „Statut de salarié handicapé“ oder auf eine Invalidenrente.
Vergangenen Mittwoch wurde in der Chamber die Petition Nummer 3254 debattiert, die genau das ändern will. Sie fordert die Anerkennung der Endometriose als chronische Erkrankung sowie mehr Flexibilität im Arbeitsalltag und soziale Absicherung. Am Ende blieb nicht mehr als wohlwollendes Verständnis und das Versprechen, das Thema und potenzielle Maßnahmen weiter zu diskutieren. Man war sich einig, dass es mehr Sensibilisierung brauche. Taina Bofferding (LSAP) wollte wissen, ob die Petentinnen nicht schon überlegt hätten, in Schulen zu gehen, während Corinne Cahen (DP) sich erkundigte, ob sie bereits an den Aufbau eines Informationsnetzwerks mit empfehlenswerten Ärzt*innen gedacht hätten. Der Hinweis von Francine Closener (LSAP), das seien Aufgaben des Staates, war einer der rar gesäten Lichtblicke der Diskussion.
Es gibt keine Frauen- oder Männerkrankheiten. Es gibt nur Krankheiten und den gesellschaftlichen (Un)Willen, sie ernst zu nehmen.
Statt einer lange überfälligen Anerkennung folgte das altbekannte Mantra: Die Forschung müsse erst weiter voranschreiten. Abgesehen davon, dass es längst genügend wissenschaftliche Grundlagen gibt, klingt das, als sei das jahrzehntelange Versäumnis, Endometriose ernsthaft zu untersuchen, ein unglücklicher Zufall – und nicht Ausdruck eines Gesundheitssystems, das Krankheiten erst dann anerkennt, wenn sie sich am männlichen Körper manifestieren. Auch in Luxemburg erfreut sich zumindest der Gender Health Gap bester Gesundheit: Die systematische Ungleichbehandlung im Gesundheitswesen, sei es in der Forschung, bei der Diagnose, in der Behandlung oder Prävention, betrifft vor allem jene Erkrankungen, die vor allem Menschen mit Uterus betreffen. Solange Endometriose als „Frauenkrankheit“ gilt, bleibt sie politisch wie medizinisch eine Krankheit zweiter Klasse. Dabei gibt es keine Frauen- oder Männerkrankheiten. Es gibt nur Krankheiten und den gesellschaftlichen (Un)Willen, sie ernst zu nehmen.
Ebenfalls symptomatisch für das Problem ist, dass kein einziger männlicher Abgeordneter eine Frage stellte. Wer jetzt argumentiert, dass dies ein Akt des Respekts sei – kein Uterus, kein Mitspracherecht, sozusagen – sei an die zahlreichen hitzigen Diskussionen erinnert, in denen sich auch und vor allem Männer gegen eine Verlängerung der Abtreibungsfrist ausgesprochen haben. Wo war da die respektvolle Zurückhaltung? Am Ende sprach George Mischo (CSV), weil er als Arbeitsminister musste. Sein Statement leitete er mit den Worten ein, dass die Aussagen der Petentinnen sehr berührend gewesen seien, aber es sei „natürlich als Mann ganz schwer, sich da rein zu versetzen“. Es geht nicht ums Hineinversetzen, es geht darum zuzuhören, anzuerkennen und politisch zu handeln.
Martine Deprez (CSV) verkündete als Gesundheitsministerin, dass es im Frühjahr 2026 eine Woche der Frauengesundheit geben soll. Eine nette Geste – doch was bleibt davon übrig, wenn im Rest des Jahres die Norm des weißen, gesunden cis Männerkörpers weiter das Maß aller Dinge bleibt?
Zum Schluss wurden mehrere mögliche Maßnahmen und weiterführende Diskussionen angekündigt: ein neuer beruflicher Status für Betroffene, ein zusätzlicher therapeutischer Urlaub (unabhängig von einem möglichen Status als behinderte Arbeitnehmerin), eine mögliche Rückerstattung des Speicheltests zur Frühdiagnose sowie eine nationale Sensibilisierungskampagne. Äußerst lobenswert – wäre da nicht der kleine, aber entscheidende Zusatz: „à partir du moment où l’endométriose serait reconnue en tant que maladie chronique au Luxembourg.“ Wann, wenn nicht jetzt, soll dieser Zeitpunkt sein?